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«Mensch, Seibert!», dann geht doch!

Warum das ZDF alles dafür tat, um «Mann, Sieber!» absetzen zu dürfen. Ein Rückblick von Michael Horling.

Die bösen Quoten waren es, die zur Absetzung führten und letzten Dienstagabend zur finalen Folge. Über die Qualität muss man sicher nicht streiten. «Mann, Sieber!» im ZDF, alle paar Wochen am zweiten Wochentag zu sehen, war eine ausgezeichnete Kabarett-Show. Was subjektiv klingen mag, bestätigt objektive Kritik. Tobias Mann und Christoph Sieber brachten es immer wieder auf den Punkt. Doch das ZDF stellte die Show nun ein.

Nach fünf Jahren lief am 1. Dezember die 41. und finale Folge mit einem Duo, das immer wieder über aktuelle Themen satirisch diskutierte. Beide verteidigen dann ihre zur Schau gelegten, unterschiedlichen Sichtweisen und legten ein wenig miteinander kippelnd immer wieder die Finger in die Wunden. Schon die 40. Folge am 30. Oktober war eine der besten in all den Jahren. In der Metzgerei einkaufende Schweine, die „Panierte Klöten“, „Suppenhände“ und „Kindergulasch“ grillen, Massenmenschenhaltung in Ställen; dazu die nahende Klimakatastrophe und die Einstellung der Menschen dazu acht Minuten lang auf den Punkt gebracht: „Die paar Grad Erderwärmung sitz´ ich im Gartenpool aus!“ Eine Investition in Aktien von Ventilatoren- und Klimaanlagen-Herstellern könnte eine gute sein!, hieß es. Lustig, gell?

Dazu lieferten «Mann, Sieber!» Fakten: 700 Millionen weitere Klimaanlagen bis 2030 sind vorausgesagt. Zehn Prozent des weltweiten Stromverbrauchs benötigen sie schon heute, sie kühlen und sorgen für noch mehr Klimaerwärmung… 800 Millionen unterernährte Menschen gibt es weltweit, 100 Millionen davon wegen Klimaerwärmung. Und es werden 200 Millionen Flüchtlinge wegen Klimaerwärmung erwartet… Da kann man natürlich nicht mehr lachen. 90 Prozent der Deutschen kapieren es aber eh nicht. Kein Wunder, dass sowas niemand schaut!

„Tobias Mann und Christoph Sieber haben mit ihrer Late-Night-Satire im ZDF das Genre bereichert und fünf Jahre lang aktuelle politische und gesellschaftliche Themen sehr klug und pointiert satirisch kommentiert", lobte ZDF-Unterhaltungschef Oliver Heidemann in einer Pressemitteilung. Warum dann «Mann, Sieber!» trotzdem eingestellt wurde? Weil die Quoten dem ZDF nicht passten. Und das ist mal wieder genau das Dilemma der Öffentlich-Rechtlichen: Während schon ab 16 Uhr Quizsendungen laufen, Krimis (der «Tatort» zur besten Sendezeit) abends kommen oder Sendungen, in denen über den Wert von irgendwelchem Flohmarkt-Ramsch palavert wird, muss man Dienstagabend erst die zweifelsfrei auch sehenswerte Doku «37 Grad» abwarten, ehe Mann und Sieber meistens um 22.45 Uhr starte(te)n.

Nun die letzte Folge: Die begann mit dem Ende und dem Abschied von der Bühne. Danach ein Rückblick des Duos, warum das ZDF die Show nicht mehr wollte. Spitzenklasse! Einspieler, weshalb geladene Gäste nie kamen. "Zwei Männer? Das ist mir zu schwul", sagt Hella von Sinnen via Smartphone. "Wer sind Sie? Auf den Enkeltrick falle ich nicht rein", so Hugo Egon Balder. Auch die Zwei von der Anstalt melden sich. Die dürfen auf dem Programmplatz bleiben. "Qualität setzt sich eben durch!"

Mann und Sieber finden aber aus dem ZDF-Gebäude nicht raus. Bei der Suche nach dem Ausgang geht´s auch um die - sauwitzige! - Suche nach den Gründen für das Aus. "Er ist doch nicht lustig und hat immer jede Komik blockiert! Es gab Witze, die haben sich geweigert, von ihm erzählt zu werden", sagt Mann über Sieber. Deshalb hat er seine besten Gags an die «Heute Show» verschenkt.

Sie platzen beim Lauf durch die Gänge, wo der Hausmeister ihr Bild ab und das von Jan Böhmermann aufhängt, in die neue Talkshow «Mensch. Seibert!», die nochmals die besten Szenen aus fünf Jahren präsentiert. Die Aufnahme im Studio von Herbert Grönemeyers Song "Männer" mit der Kritik am Text - Weltklasse! Am besten freilich war das eigene Lied des Duos über Corona ("Du gehst mir auf die Klötze, Du dumme Viren-Sau"). Anfangs brachial, dann aber nur noch witzig:

"Wir nehmen Dich zwar ernst,
aber bild´ Dir nichts drauf ein.
Wir ham´ den Wendler überlebt,
dann kriegst auch Du uns nicht klein!"

Mann und Sieber fliehen vor der Crew der «Heute Show» und vor dem Mainzelmännchen, dem "Walking Ted". Das ist köstlich, das ist klasse, das sollte an sich RTL, ProSieben, VOX oder notfalls DMAX motivieren, die beiden unter Vertrag zu nehmen. Gernot Hassknecht taucht im Keller der ZDF-Räume auf und darf Hasstiraden Richtung Intendant los werden. Katy Karrenbauer als Gott beurteilt und schickt das grässliche Quotenmonster.

Hat eigentlich einer der ZDF-Verantwortlichen am Dienstag mal 34 Minuten lang zugeschaut? Und verstanden, um was man sich da eigentlich nun beraubt (hat)? Wobei Tobias Mann als Fan in «Mensch, Seibert!» ja froh war, dass alles ein Ende hat: "Links-grün-versifter Mainstream! Und das von meinen Gebühren! Da krieg´ ich sowas von ´nen Hals!"

Als das ZDF ab 2013 zwei Staffeln von «Lerchenberg» produzierte, wo sich Sascha Hehn so köstlich selbst auf den Arm nahm, da dachte man eigentlich, der Sender hätte gelernt, wie Selbstironie funktioniert und das sowas vielleicht nicht Quote bringt, aber dafür Zuspruch. Das Beste, was die letzten Jahre in den Öffentlich-Rechtlichen lief, ist nun Vergangenheit. "Wenn man alles erreicht hat, dann kann man auch geh´n", singt Tobias Mann am Ende der fünf Jahre.
03.12.2020 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/123232
Michael Horling

super
schade

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