Bevor Drehbuchautor Mattson Tomlin für Matt Reeves' «The Batman» angeheuert wurde, verfasste er als Spec Script eine Original-Superheldengeschichte, bei der möglicherweise der zündende Gedanke war: Was, wenn die Droge aus «Ohne Limit» in großer Stückzahl und mit begrenzter Wirkungsdauer fabriziert werden würde – und eine Wundertüte wäre? Tomlins Drehbuch begeisterte mehrere Studios, im anschließenden Angebotspoker setzte sich Netflix durch.
Im Herbst 2017 kündigte der Video-on-Demand-Anbieter an, Ariel Schulman und Henry Joost, das Duo hinter dem Mutproben-Thriller «Nerve», als Regisseure auf den Stoff loszulassen. Jetzt ist das Teil fertig: Nun, wenige Wochen nach dem Netflix-Actionthriller «The Old Guard» mit Superheldeneinschlag, veröffentlicht der Streamingdienst mit «Project Power» seinen nächsten Actionthriller mit Superheldeneinschlag.
Die Geschichte spielt in New Orleans in einer nahen Zukunft: Eine neue Pille erobert den Schwarzmarkt, die mehr als nur einen heftigen Kick verspricht. Wer sie schluckt, bekommt für fünf Minuten eine willkürliche Superkraft verliehen. Das kann enorme Stärke sein, wahnsinnige Geschwindigkeit, Unsichtbarkeit … oder aber man explodiert. Ein Ende mit Knall. Aber ein möglicher Ausgang, den viele riskieren:
Die Pille ist sehr gefragt – vor allem bei Menschen, die jenseits der Legalität agieren. Weil diese Power-Pille zu einem extremen Anstieg der Kriminalitätsrate führt, schließt sich der Polizist Frank mit der jungen Dealerin Robin und dem ehemaligen Soldaten Art zusammen, um diese Gefahr mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen. Aber schnell wird klar: Wer die Schöpfer dieser Droge dingfest machen will, kann sich ihr nicht verweigern …
Zugegeben: Die Überschrift dieser Kritik wurde bloß gewählt, damit man sich prompt ein Bild machen kann. Denn: Ja, die Pille, um die es in «Project Power» geht, mutiert einen kurzzeitig, und man könnte aus dem "Die Normalbevölkerung, vor allem der Staatskörper, steht dem kritisch gegenüber"-Element irgendwie eine «X-Men»-Parallele basteln. Doch Henry Joost und Ariel Schulman setzen die Auswirkungen der Superkraftdroge eher im Stile von Extremis in Szene – ein Element aus den Marvel-Comics, das in «Iron Man 3» kurzzeitig als sehr kraftvoll, aber auch als potentiell extrem schmerzlich gezeichnet wurde (und daraufhin aus den Marvel-Kinofilmen verschwand).
Visuell ähneln die Digitaltrick-Reigen, die Joost & Schulman bei der Darstellung der Pillenauswirkungen entwerfen, zwar Shane Blacks Marvel-Megablockbuster. Doch sonst geht dieser 85 Millionen Dollar teure Netflix-Streifen seine eigenen Wege. «Project Power» ist, wie der neue Netflix-Actionstil fast schon diktiert vergnüglich-rau und setzt auf Actionszenen, in denen weniger das Spektakel, sondern mehr eine schroffe Dynamik im Fokus stehen. Der polierte, glänzende visuelle Stil von Joosts und Schulmans «Nerve» weicht hier zwar einer etwas graueren, grobkörnigeren Ästhetik, die die dreckigeren Ecken von New Orleans zum atmosphärischen Leben erweckt. Komponist Joseph Trapanese («Wolf Warriors 2») unterlegt das Geschehen mit einem treibenden, effektiven, aber schnell aus dem Gehörgang entschwindenden Score, prägnanter ist da die kernige, krachende Abmischung der Toneffekte.
In nicht ganz schnörkellosen, aber zügig erzählten 111 Minuten entwirft das Regieduo eine in sich plausible Welt, die kurz vorm Übergang steht, dass sie Superkräfte als unvermeidliches Teil des Universums hinnimmt. Noch wird sich aber halbwegs kopflos, doch mit Einsatz dagegen aufgebäumt. Joseph Gordon-Levitt spielt den markigen Cop Frank mit Charme und gewiefter Dreistigkeit, Jamie Foxx ist als Art ein gefälliger Protagonist und Dominique Fishback gibt die Möchtegern-Rapperin Robin mit solidem Witz. Das ergibt einen unterhaltsamen Netflix-Film, auf den gerne noch mehr folgen könnte.
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