"Viel schlimmer als euer «Klassentreffen» kann's ja nicht werden", sagt Lilli Schweiger in «Die Hochzeit» zu den Chaos-Helden Samuel Finzi, Milan Peschel und Til Schweiger. Recht hat sie: «Die Hochzeit» ist eine dieser Fortsetzungen, die manche Fehler ihres Vorgängers ausbügeln.
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Der wohl wichtigste Unterschied zwischen «Die Hochzeit» und seinem Vorgänger ist allerdings der Schnitt: Editiert von Christoph Strothjohann lässt «Die Hochzeit» den Hochfrequenz-Chaosschnitt des Vorgängers hinter sich und haut dem Publikum nicht mehr im Sekundenbruchteiltakt zig Kameraeinstellungen um die Ohren, während zwei Figuren gerade in Ruhe durchatmen. Und gerade dadurch, dass «Die Hochzeit» kein sämtliche Pointen zerhackendes und jegliches ehrliches Gefühl erstickendes Schnittgewitter ist, so wie «Klassentreffen 1.0», kann diese Fortsetzung über ihren Vorgänger hinaus wachsen.
Vor allem der Handlungsfaden rund um Samuel Finzis Nils profitiert davon: Er erfährt zu Beginn des Films, dass ihm seine langjährige Ehefrau fremd gegangen ist, und muss diesen Umstand während des Trips zu einer Beerdigung verarbeiten. Das Skript arbeitet zwar in manchen Szenen gegen Finzi (seine Figur ist der Vernünftigste im Protagonisten-Trio und benimmt sich trotzdem manchmal selbst auf Comedy-Logikebene betrachtet unplausibel bockig bis leichtsinnig). Doch Finzi verleiht den ruhigen, nachdenklichen Momenten rund um seine Rolle eine glaubwürdige Reue, genauso wie er in den verrückten Szenen die Pointe mehrmals genau auf den Kopf trifft, was ihm im Vorgänger der hektische Schnitt nahezu unmöglich gemacht hat. Finzi wird somit zum Rückgrat dieses Films – und seine Szenen sind seicht-schöne RomCom-Unterhaltung.
Aber nicht nur Finzi macht eine bessere Figur als im Vorgänger: Auch ein Monolog Schweigers über den Wert der Freundschaft ist, selbst wenn er nicht vor Originalität glüht, hübsch formuliert sowie mit Gefühl vorgetragen, ebenso spielt der Darsteller/Regisseur/Produzent/Autor mit solidem Timing seinem Cast die sprichwörtlichen Bälle zu, wodurch Thomas deutlich sympathischer dasteht als im ätzenden Vorgänger. Bloß Peschel zieht den Kürzeren: Eigentlich ein sehr fähiger Mime, wird er von Schweiger schon wieder als keifender Knilch ohne jegliche Zurückhaltung eingesetzt, der selbst bei lauten, schrillen Gags um ein Vielfaches lauter und schriller agiert als ihm gut täte. Peschels Können schimmert dennoch in einer Sequenz durch, nämlich in einem Schweiger-typischen Sex-Slapstick-Setpiece, das erfreulicherweise mit der frivol-albernen Leichtigkeit des "alten" Schweigers («Keinohrhasen», «Zweiohrküken») umgesetzt ist, statt mit der Galligkeit aus «Klassentreffen 1.0».
Insgesamt bleibt «Die Hochzeit» noch immer hinter Schweigers frühe Regiejahre zurück. Wie in all seinen Erwachsenenfilmen ab «Kokowääh» werden auch hier manche Gags altbacken angefangen, dann mit einem relativ frischen Dreh versehen und daraufhin in Grund und Boden gerammt, bis der potentielle Schmunzler längst wieder aufgegeben wurde. Und es fehlt einfach an der Mischung aus unverbrauchter Energie und Ebenbürtigkeit mit Schweigers Rollen, die die "Gegenspieler" des Schweiger-Protagonisten anfangs im Schaffen des gebürtigen Freiburgers aufgewiesen haben. Gleichwohl lässt «Die Hochzeit» Schweigers Erwachsenenschaffen der vergangenen Jahre hinter sich. Anders als die «Kokowääh»-Filme, «Honig im Kopf» und seine Remake sowie «Klassentreffen 1.0» kommt «Die Hochzeit» beispielsweise narrativ zum Punkt, ehe der Plot völlig durchgenudelt ist. Und die rührselig gemeinten Szenen arten nie in verkrampften Kitsch aus, obwohl die Musikuntermalung zuweilen arg dick aufträgt.
Und dann … Ja, dann ist da noch die Sache mit dem Product Placement, das in späten Schweiger-Regiearbeiten
und -Star-Vehikeln völlig penetrant geworden ist. In «Die Hochzeit» mutieren die Produktplatzierungen zu einem ganz neuen Biest: In der Welt von «Die Hochzeit» trinken Leute das Til-Schweiger-Wasser Barewater, gehen in die Til-Schweiger-Pizzeria Henry Likes Pizza ("Beste Pizza der Stadt!", sagt eine der Figuren), kippen Til-Schweiger-Bier ("Boah, ist das lecker!", ruft Milan Peschel erfrischt, nachdem er einen kräftigen Schluck genommen und das Etikett deutlich lesbar gen Kamera gehalten hat), genießen mehrere Til-Schweiger-Weine, sind im Stil von Til Schweigers Wohnidee-Marke Barefoot Living eingerichtet und überlegen bei einer Autopanne, die mit Til Schweigers Konterfeit verzierte App einer Versicherung zu nutzen, die aktuell mit Til Schweiger wirbt.
Es ist penetrant und es ist unfassbar dreist – aber es ist derart dreist und penetrant, dass es den ärgerlich-peinlichen Werbefaktor von Filmen wie des "Bei McDonald's gibt es jetzt auch Hot Dogs!"-Actioners «Hot Dog» hinter sich lässt und in
Michael-Bay-sieht-Produktplatzierungen-als-Kunstform-an-Gefilde übergeht, wie sie in «6 Underground» oder «Transformers: Ära des Untergangs» zu beobachten sind. Irgendwie ist es einfach lustig, wie unverschämt die ganze Til-Schweiger-Produktwelt vorgestellt wird, und es ist ästhetisch wenigstens einheitlich und für das uninformierte Auge daher leichter zu übersehen als die fiktive Alternative, in der Peschel ein Bitburger ext, Finzi eine Allianz-App nutzt und Jeanette Hain bei Domino's isst.
Fazit: Na bitte, geht doch: «Die Hochzeit» zeigt nach Jahren der Fehlgriffe, dass irgendwo im modernen Til Schweiger noch immer der Til Schweiger schlummert, der sich einen Namen als gefälliger Mainstream-Regisseur gemacht hat. Mit einem Durcheinander aus altem Können und aktuellen Macken wird sich «Die Hochzeit» zwar noch immer viel Schelte gefallen lassen müssen, doch wer Schweigers frühes Schaffen unterhaltsam fand, zuletzt aber genervt war, wird hier wieder schmunzeln und auch ab und zu lachen können. Und wer weiß, wo bei dieser Lernkurve der dieses Jahr anstehende dritte Teil landet ..? Über die Fantasie mit der aufreizenden Kritikerin unterhalten wir uns dann vielleicht ein anderes Mal ...
«Die Hochzeit» ist in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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27.01.2020 15:24 Uhr 1