«Die Hochzeit» – Der unerwartete Qualitätsaufstieg der Silberrücken
"Viel schlimmer als euer «Klassentreffen» kann's ja nicht werden", sagt Lilli Schweiger in «Die Hochzeit» zu den Chaos-Helden Samuel Finzi, Milan Peschel und Til Schweiger. Recht hat sie: «Die Hochzeit» ist eine dieser Fortsetzungen, die manche Fehler ihres Vorgängers ausbügeln.
Seite 1
Filmfacts «Die Hochzeit»
Regie: Til Schweiger
Drehbuch: Til Schweiger, Lo Malinke
Cast: Til Schweiger, Samuel Finzi, Milan Peschel, Lilli Schweiger, Stefanie Stappenbeck, Jeanette Hain, Katharina Schüttler
Produktion: Til Schweiger, Christian Specht, Klaus Dohle, Willi Geike, Stefan Gärtner
Musik: Martin Todsharow
Kamera: René Richter
Schnitt: Christoph Strothjohann
Laufzeit: 119 Minuten
FSK: ab 12 Jahren
Man soll ja nicht ständig von einer Figur auf ihren Darsteller schließen. Doch wenn der von Til Schweiger gespielte Thomas in einem von Til Schweiger geschriebenen und von Til Schweiger inszenierten Film ein ehemals extrem erfolgreicher DJ ist, der aber mit seinem neusten Album nicht mehr an frühere Publikumserfolge anschließen kann und obendrein harsche Kritikerschelte über sich ergehen lassen muss, dann darf man durchaus hellhörig werden. Und da Thomas obendrein Kritiker als bucklige Idioten bezeichnet, und sich fragt, woher sie das Recht haben, zu entscheiden, was gut ist und was nicht … Ja, da scheint es sehr wohl Parallelen zwischen Figur und Schauspieler zu geben. Hinzu kommt, dass Thomas meint, er habe sich als Künstler entwickelt und das müssten die Kritiker doch endlich mal hinnehmen. Und spätestens, wenn Thomas mehrmals wütend betont, ihm wären Kritiken ja völlig egal und er würde sie gar nicht beachten (ohne zu merken, dass er durch dieses ständige Schimpfen beweist, dass sie ihm ja offenbar doch nahegehen), verschwimmen die Grenzen zwischen Filminhalt und Produktionsgeschichte völlig.
Will man gemein sein, so müsste man eine Szene aus Til Schweigers neustem Film «Die Hochzeit» aus den Kontext reißen, in der Til Schweiger als Thomas nachts vor dem Schlafzimmer einer jungen Kritikerin steht, die ihm im aufreizenden Nachthemd die Tür öffnet, ihn hereinbittet und sich in ihrem Zimmer sinnlich zurücklehnt, ehe sie Thomas erzählt, was für ein guter Künstler er doch ist. Woraufhin Thomas sich ganz doll über die Schmeichelei freut und die unausgesprochen im Raum stehende Einladung auf ein wenig Erwachsenenkuscheln ablehnt. Denn völlig aus dem Kontext gerissen ist diese Szene ein wenig … nun ja, … icky. Den Anglizismus gönnen wir uns mal.
Im Kontext ist die Szene dagegen ein guter Aufhänger, um die Höhen und Tiefen von «Die Hochzeit» vorzuführen. Es ist die Fortsetzung der von der Kritik in der Luft verrissenen Komödie «Klassentreffen 1.0 – Die unglaubliche Reise der Silberrücken». Til Schweiger tat die Kritikerresonanz in einem seiner vielen "Was wissen Kritiker denn schon?"-Statements damit ab, dass er volle Kinosäle erlebt hätte, die sich die ganze Zeit vor Lachen gar nicht mehr halten konnten. Mag ja sein, dass Til Schweiger das so erlebt hat, trotzdem war «Klassentreffen 1.0» mit seinen 1,1 Millionen Ticketverkäufen nur ein blasser Schatten seiner früheren Regieerfolge – womit der Film auch in den Maßstäben, in der Schweiger offenbar Qualität misst, einen Rückschritt darstellt. Vom kommerziellen Totalausfall des von der Presse völlig missachteten «Head Full of Honey» wollen wir gar nicht erst anfangen.
Mit «Die Hochzeit» scheint Schweiger nun Dinge zu verarbeiten. Sowohl in Story- und Dialogform als auch hinter den Kulissen. Schweiger leistete sich schon in vergangenen Filmen Seitenhiebe auf die Presse allgemein und die journalistische Form der Filmkritik im Speziellen. Aber dass Kritiken einen ausführlichen Subplot spendiert bekommen und Schweigers Figur mehrmals ausgiebig vom Leder zieht, das ist neu. Und warum denn auch nicht? Die Filmgeschichte ist voll mit gelungenen, spitzfindigen Seitenhieben auf Kritiker – von Musikkritiker Georg in «Wilde Maus» über den dürren, blassen Restaurantkritiker Anton Ego in «Ratatouille» bis hin zur gehässigen Theaterkritikerin aus «Birdman». Wenn sich Schweiger an etwas abarbeiten muss, so soll er es gerne tun – besser so, als diesen Groll ewig mitzuschleppen. So weit das Prinzip.
Nun zur Umsetzung: An die Raffinesse eben genannten Beispiele für "Filme ackern sich an Kritikern ab" reicht dieser Subplot in «Die Hochzeit» noch lange nicht heran. Denn Thomas' Kritikerproblem ist ziemlich fahrig: Die zahlreichen Schimpftiraden über Filmkritik, äh, pardon, Musikkritik, die ja eh keine Ahnung hat und unwichtig ist, stehen dem Umstand gegenüber, dass Thomas' verrissenes Album zudem ein Publikumsflop ist und sich sogar seine Tour so mies verkauft, dass sie abgesagt werden muss. Dass da ein potentieller Zusammenhang besteht (dass Kritik halt auch einfach ein Meinungsspiegel ist und sich zahlendes sowie professionell bewertendes Publikum mal einig sein können) wird in «Die Hochzeit» nie so richtig verknüpft, und es sind vornehmlich andere Figuren als Thomas, die auf die schlechten Verkaufszahlen hinweisen. Einzig Kritiker sind das explizite Feindbild und Thomas' Doppelzüngigkeit, immer wieder zu meckern, wie unwichtig ihm Kritiken doch seien, wird ihm nie vorgeführt.
Aber wer 1 und 1 zusammenzählen kann, kann sich implizit mehr aus dem Film klauben. Und die Figur der jungen, attraktiven, Thomas non-verbal verführenden Kritikerin, die aber auch weitsichtig ist und aufgrund ihrer Expertise Qualitäten früher als das breite Publikum entdeckt, ist zwar ein wilder Mischmasch aus negativer Karikatur und möglicher Nachtfantasie, doch auch zugespitzt dargestelltes Eingeständnis, dass manche Leute ja offenbar doch wissen, was sie machen. Und egal, welches Kuddelmuddel das alles nun auch darstellen mag: Thomas lernt (irgendwie) seine Lektion (so ein wenig). Und was vor allem das zahlende Publikum erfreuen dürfte: «Die Hochzeit» reitet zwar ein bisschen zu lang auf diesem Subplot herum, wiederholt sich ein bisschen und übertreibt gelegentlich (so wie diese Kritik, da sie sich dem Film anpassen mag), aber die Komödie formt tatsächlich einige spaßige Dialogwechsel aus der Materie.
Das ist daher faszinierend, weil «Die Hochzeit» generell so anmutet, als hätte Schweiger nach «Klassentreffen 1.0» sehr wohl eine Kurskorrektur beschlossen. Nicht bloß, dass das Marketing den Umstand, dass «Die Hochzeit» eine Fortsetzung der "Drei alte Hasen treiben's bei einem Roadtrip ganz, ganz doll"-Komödie ist, an den Rand schiebt und der Titel keinerlei Zusammenhang mehr erkennen lässt. Vor allem schöpferisch besteht eine bemerkenswerte Distanz zwischen beiden Filmen:
Die vielfach kritisierte, homophobe Tendenz von «Klassentreffen 1.0»? Entschwunden (ja, wer Til Schweiger mit aller Macht Böses unterstellen will, wird aus "Freunde wollen nicht versehentlich vom Ständer eines Freundes berührt werden" Homophobie raus lesen, aber: Man kann's auch übertreiben). Waren (abgesehen von Lili, gespielt von Lilli Schweiger) die Frauenfiguren in «Klassentreffen 1.0» noch allesamt schrille Schreckschrauben, so trifft das hier nur noch auf alle Frauen im direkten Dunstkreis von Milan Peschels Rolle Andreas zu.
Stefanie Stappenbeck («Ein starkes Team») darf sich dagegen mit trockenem Humor und sympathisch-genervten Blicken durch sämtlichen Irrsinn schlagen, der ihr begegnet. Katharina Schüttler («Die Libelle») gibt wenigstens eine spritzige Karikatur einer gefrusteten Ehefrau und erhält Gelegenheiten, die Sicht ihrer Rolle nachvollziehbar vorzuführen. Und Lilli Schweiger, die schon in «Klassentreffen 1.0» besser dastand als der Rest des Casts, darf als vernünftige, aber auch schnell gefrustete Lili dieses Mal noch pointierter ihr Genervtsein ausdrücken.
"Viel Schelte"?? Ich habe bis jetzt NUR positive Meinungen gelesen!! Auf facebook gerade erst gestern, dass sehr viele soviel wohl gelacht hätten, wie lange nicht mehr in einer Komödie!
Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
27.01.2020 15:24 Uhr 1