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Die Freiwillige Selbstkontrolle völlig außer Kontrolle: Absurde und umstrittene FSK-Entscheidungen

Die FSK und die BPjM haben im Laufe ihres Wirkens so manche Entscheidung getroffen, die die Gemüter hat hochkochen lassen. Wir unternehmen eine Reise durch blutige, vermeintlich verwirrende und sexuell aufgeladene Beispiele …

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Oralsextipps ab sechs Jahren. Okay, doch nicht.


Am 20. Dezember 2007 startete Til Schweigers bis dahin größter Erfolg als Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Regisseur in den deutschen Kinos: Die Romantikkomödie «Keinohrhasen», die Schweiger gemeinsam mit Anika Decker verfasste und in der er an der Seite von Nora Tschirner zu sehen ist. Der Film wurde ein unerwartet großer Kassenschlager und lockte allein bis Ende Januar 2008 rund vier Millionen Menschen in die Kinos. Darunter befanden sich auch einige Kinder, da «Keinohrhasen» eine FSK ab sechs Jahren erhielt.

"Die Ausschussmitglieder charakterisierten «Keinohrhasen» als romantische Liebeskomödie, die gekonnt das Thema Liebe mit überzeugenden Darstellern wie Nora Tschirner und Till Schweiger umsetzt. [...] Die filmischen Figuren bleiben in ihrer Zeichnung plakativ und klischeehaft, was die Zuordnung in Gut und Böse für zuschauende Kinder verständlich und einordenbar [sic!] macht", hieß es in der FSK-Freigabebegründung. Weiter hieß es: "Als Orientierungsfiguren gerade für jüngere Zuschauer bieten sich die beiden Kindergärtnerinnen an, die während des ganzen Films liebevoll und entschlossen mit den Kids in Kindergarten und Hort leben. Und im Fokus der Aufmerksamkeit von zusehenden Kindern dürften vornehmlich die Kindergartenkids stehen, die gut gelaunt, selbstbewusst und stark in ihrer überzeugend kindgerecht gestalteten Spielewelt leben. In Sonnenlicht getaucht und mit aufwendig phantasievoll gestalteter Ausstattung wird diese mit Respekt dargestellte Welt der Kinder inszeniert, was für jüngere Zuschauer ein schönes Seherlebnis darstellen dürfte."

Bezüglich des Themas Sex, das in «Keinohrhasen» unter anderem dadurch repräsentiert wird, dass im Film darüber gesprochen wird, wie man eine Frau richtig leckt und was sich Schweigers Figur Ludo an einer Frau wünscht, begründet die FSK ihre ursprüngliche Freigabe wie folgt: "Inhaltlich transportiert die Komödie auch in für Kinder verständlicher und nachvollziehbarer Weise das Thema 'wahre Liebe' und grenzt dies deutlich zu groben, rüden, unpersönlichen und auf Sexualität reduzierten Beziehungen ab, wie sie eingangs von Ludo ausgelebt werden. Diese oberflächliche, sexfixierte Haltung Ludos stellt der Film sowohl szenisch als auch in der Sprache dar: Diese Filmanteile waren Grund für eine kontroverse Wirkungsdiskussion im Ausschuss."

Denn während die Ausschussminderheit die sexualisierte Sprache im Film als desorientierend und entwicklungsstörend für Kinder unter zwölf ahren beurteilte, vertrat die Ausschussmehrheit die Meinung, "dass die derben Aussprüche keine nachhaltig belastenden Wirkungen nach sich ziehen, da sie zum einen gar nicht verstanden werden und zum anderen in der filmischen Erzählung und der Message des Films keine positive Entsprechung finden." Als nachhaltig prägend für die Rezeption von «Keinohrhasen» sei daher "die inhaltlich positive Orientierung des Films" festzuhalten, "und nicht einzelne, derb sexualisierte Sprüche erachtet."

Nach einer ausführlichen Wirkungsdiskussion votierte die Ausschussmehrheit daher für eine Freigabe ab sechs Jahren. Im Laufe des Januars kamen jedoch zahlreiche Kritiken an der Entscheidung auf, unter anderem moserte die 'BILD am Sonntag', «Keinohrhasen» habe zu viel Sex. Alsbald appellierten zwei CDU-Ministerien und ein SPD-Ministerium die FSK-Freigabe. Der Appellationsausschuss befand, dass die Sprache des Films sexualisiert und derb sei und stufte den Film hoch. Schweiger sagte gegenüber der Presse, er begrüße dies, der Film lief erfolgreich weiter und lockte etwa 6,3 Millionen Menschen in die Kinos. Teil zwei wurde prompt ab zwölf freigegeben.
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20.09.2019 12:16 Uhr Kurz-URL: qmde.de/112335
Sidney Schering

super
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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
Vittel
20.09.2019 15:00 Uhr 2
Noch verrückter war es bei Computerspielen in den 80ern.



Kaum mehr als ein paar Pixel erkennbar, aber kriegsverherrlichend: Blue Max, Silent Service, Beach Head.

Was hätten die Prüfer von damals wohl zu den heutigen Spielen gesagt?



Wobei ein Einfluss von Gewaltdarstellung in den Medien und Medienkonsum an sich insbesondere auf Kinder und Jugendliche natürlich nicht wegzudiskutieren ist
Anonymous
20.09.2019 15:08 Uhr 3


Die Vorstellung habe ich ja immer mit Filmen. :')



Wenn Disneys "Die drei Musketiere" 1993 eine 16 bekam, was wäre passiert, wenn "Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt" exakt so, wie er 2007 erschien, schon 1993 zur Prüfung eingereicht worden wäre?



Bei manchen Filmen reicht sogar eine kürzere Zeitreise - "Captain America: Winter Soldier" (alias "The Return of the First Avenger") bekam 2014 bequem eine 12, aber ich glaube, selbst gegen Ende der 2000er hätte es da je nach Zusammensetzung des Gremiums eine 16 geregnet. Und in den frühen 90ern, wer weiß? :grin:



Noch lustiger ist natürlich die Vorstellung, Filme, die HEUTE wegen grafischer Gewaltdarstellung beschlagnahmt werden, in die 70er und 80er zu kippen, wo Filme auf dem Index landeten, die heute eine 16 bekommen.



(Königskategorie ist es wohl, den Prüfern, die "Manche mögen's heiß" ursprünglich mit einer FSK 18 belegt haben, direkt danach "Love 3D" vorzusetzen. Ja, hätte ich eine Zeitmaschine, ich würde nur Unsinn anstellen ... Ich frage mich nur, wie ich diese ganzen aktuellen Filme auf VHS/Filmrolle gepackt bekomme ... )
Vittel
27.09.2019 17:28 Uhr 4
Gibt doch dieses Gerücht, dass die ersten Kinogäste schreiend den Saal verließen, als ein Dampfzug auf der Leinwand auf das Publikum zuraste.



Wie hätten diese Menschen auf aktuelle Filme in Farbe, 3D und entsprechender Soundkulisse reagiert?
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