Ähnlich wie die israelische «Homeland»-Vorlage «Hatufim» ist die neue HBO-Serie «Our Boys» ein dichter Thriller über ein sicherheitspolitisches Pulverfass.
Vor nicht ganz zehn Jahren gelang dem israelischen Fernsehen mit «Hatufim» ein Knüller: Aus dem Format ging nicht nur die weltweit erfolgreiche amerikanische Produktion «Homeland» hervor – auch das dicht erzählte Original aus dem kleinen Fernsehmarkt im Nahen Osten fand global Beachtung und berechtigten Applaus. Was zeigte, dass sein sehr auf den heimischen Markt zugeschnittenes Thema – die permanent angespannte Sicherheitslage, bei der Fragen über Loyalität und Vertrauenswürdigkeit alltäglich zu Fragen über Leben und Tod werden – auch universell und jenseits des konkreten israelischen Kontexts interessiert.
Wie später auch «Homeland» machte «Hatufim» nahezu alles richtig: Beide Serien waren hervorragend geplottet, die Heldenreisen der Figuren perfekt austariert und glaubwürdig, der Spagat aus Einflechtung realer Ereignisse und Umstände und behutsamer Verfremdung und Allegorisierung gelang schier mühelos.
Die neue in Israel spielende HBO-Miniserie «Our Boys» ist freilich konkreter: Sie verarbeitet die Ermordung dreier israelischer Jugendlicher durch die Hamas und den darauf folgenden Mord an einem jungen Palästinenser durch drei durchgedrehte Israelis im Sommer 2014 – Bluttaten von einer Scheußlichkeit, dass sie auch in einem Land mit schier unablässiger Beschallung mit Mordanschlägen, Raketenangriffen und paramilitärischen Interventionen wochenlang den öffentlichen Diskurs bestimmten.
Das Pulverfass Levante zu verfilmen, ist angesichts seiner langen, komplexen Geschichte, seinen zahlreichen Akteuren mit ihren mitunter verworrenen Motiven und Anreizen, den schockierenden Ereignissen und den diffusen Entwicklungen immer eine enorme Herausforderung. Will man als Erzähler aufrichtig sein, muss man auch das Grausamste zeigen, ohne daraus voyeuristisches Kapital zu schlagen, muss die Komplexitäten und Widersprüchlichkeiten entwirren und in verstehbare Abfolgen von Ereignissen aufdröseln, muss die handelnden Charaktere im Sinne eines eingehenden Verständnisses allegorisch für größere Ideen und Konzepte stehen lassen, ohne sie dabei zu Stereotypen – als „der Araber“, „der Siedler“, „der Ultra-Orthodoxe“ – degenerieren zu lassen.
«Our Boys» scheut diese Mammutaufgabe nicht – und obwohl sie ihre erzählerische Raffinesse konsequent mit psychologischer Feinfühligkeit kombiniert, trugen israelische Opferverbände die (nicht unberechtigte) Kritik vor, die Serie klamüsere den bedeutsamen Unterschied in der Akzeptanz von Mord und Terror als Mittel zur Erreichung politischer Ziele auf israelischer und palästinensischer Seite nicht ausreichend auseinander. Dabei bleibt das Format jedoch weit entfernt von einer unbotmäßigen Gleichmacherei in diesem asymmetrischen Konflikt – und trägt vielmehr auf der Makroebene sinnig zum Diskus bei, indem sie veranschaulicht, wie leicht sich in belagerten Gesellschaften Eigendynamiken anstoßen lassen: nicht auf beiden Seiten gleichermaßen und auch nicht mit gleichen Motiven, aber doch mit ähnlichen Mustern.
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