Sat.1 versucht sich wieder mal an einer Kochshow – diesmal hat man sich das aktuell erfolgreichste Format dieser Art eingekauft und strahlt es fortan immer mittwochs zur besten Sendezeit aus. Wir haben uns die Premiere angesehen.
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Dass der erste Gedanke „uff, noch eine Kochshow?“ war, ist nicht gelogen. Unzählige Formate dieser Zunft pflastern die Programme der privaten und öffentlich-rechtlichen Sender, selbst in den Dritten und Spartenkanälen wird gekocht. Mal um die Wette, mal als Service, mal mit Profis, mal bei Normalos daheim, mal gemixt. Daher darf man durchaus die Frage stellen, ob man sich die zigste Kochshow im deutschen Fernsehen überhaupt ansehen muss.
Das Prinzip der Show ist recht schnell erklärt: Zwölf Promi-Köche, teilweise mit Michelin-Sternen ausgezeichnet, stellen sich dem Urteil der Jury rund um „Jahrhundertkoch“ Eckart Witzigmann, der von Zwei-Sterne-Koch Peter Maria Schnurr und Restaurantkritikerin Alexandra Kilian unterstützt wird. In jeder Folge gesellt sich zudem ein Gastjuror hinzu. Pro Ausgabe wird in drei Runden um die Wette gekocht, ehe am Ende der Staffel Deutschlands erster «Top Chef» gekürt wird, der 50.000 Euro gewinnt. Moderiert wird das Ganze von Daniel Boschmann.
Vorab muss man Sat.1 an dieser Stelle ein ausdrückliches Lob zu teil werden lassen. Entgegen aller Erwartungen hat man nämlich den Titel der Sendung ohne Änderung übernommen. Das ist in Zeiten holpriger Übersetzungen oder gar komplett neu vergebenen Titeln nicht selbstverständlich. Hier hätte man es sogar verstanden, um bloß nicht den Eindruck zu erwecken, hier ginge es um eine Neuauflage von einer der längst abgesetzten Jobshows, bei der der beste Chef gesucht wird. Dass der hier gemeinte „Chef“ ein Koch ist, dürfte dem Großteil des Publikums nämlich nicht sofort klar sein.
Los geht es direkt mit einer knackigen Vorstellung der Jury, die mit einer fragwürdigen Einstellung die Sendung eröffnet. Was eine Weintraube, die auf einem kleinen Haufen Sand auf einer Badeschlappe mit einer Kochsendung zu tun hat, lässt sich auch bis zum Ende der Sendung nicht beantworten. Aber sei’s drum, halten wir uns nicht an solchen Kleinigkeiten auf. Imposant erscheint direkt im Anschluss an die Einführung der Jury das Studio, in dem hauptsächlich gekocht wird. Riesig, schick und überaus reichlich eingerichtet und dennoch nicht überladen kommt die Kulisse von «Top Chef» daher. Daumen hoch an die Produktion an dieser Stelle – man hat hier nicht das gedrückte Studiofeeling, was beispielsweise bei «The Taste» die Atmosphäre schmälert.
Und nach vier Minuten werden auch schon die zwölf Kandidaten wie am Fließband durchgereicht. Übrigens drei Frauen und neun Männer. Was im ersten Moment zu rasant erscheint, wird nach der ersten Runde Kochen glücklicherweise korrigiert, doch dazu später mehr. In der ersten von drei Runden kochen die Kandidaten ihre „Kulinarische Persönlichkeit“ – was nach einem Thema für bedeutungsschwangere Realityshows klingt, wird auch genauso umgesetzt. Während die 60 Minuten der ersten Challenge verkocht werden, werden die Kandidaten in Einspielern intensiver vorgestellt. Da bleibt natürlich auch Zeit für die persönlichen Schicksale. Von einem am Tag der Aufzeichnung verliehenen Michelin-Stern bis hin zum verlorenen Michelin-Stern und einer Pleite ist alles dabei. Ob die Sendung das braucht? Nein, braucht sie nicht. Womöglich der Zuschauer, aber man wäre auch ohne Geschichten über finanzielle und persönliche Schicksäle und Rückschläge ausgekommen.
Bei der Schau der Köche fällt auf, dass in der Studioküche tatsächlich Thermomixe stehen. Für eine Show, die diverse Sterneköche beherbergt, ist der Anblick dieses Gerätes durchaus verstörend. Glücklicherweise hat ihn niemand benutzt. Doch diese anfängliche Beruhigung wird später jäh zerstört.
Während der Präsentation der Gerichte fallen Sätze wie „Der Rehrücken bin ich, scheu und zurückhaltend“, die mit einem Klaviersolo unterlegt werden. Solch eine unpassende und überaus ekelhaft kitschige Szene braucht niemand. Der Schnitt und die Musik beeinflussen natürlich die Darstellung der Kandidaten und das ist im Prinzip und in einem gewissen Maß in Ordnung – unter dem Gesichtspunkt einer Kochshow aber verkommt der Moment zu drittklassigem 08/15-Realityfernsehen. Ob das für so eine große Marke wie «Top Chef» gewollt ist, kann man kaum glauben. Man will Lappen in der Küche maximal in Zusammenhang mit der Sauberkeit sehen, nicht am Herd. Der Kandidat hat dies unter Garantie nicht selbst so gewollt, sondern das Thema und die Vorgaben der Produktion erfüllt. Die Außenwirkung nach Post-Production ist für ihn nicht vorherzusehen. Umso schlimmer, dass das das Ergebnis ist.
Nach der Präsentation der ersten Runde erfolgt die Beratung der Jury, man findet einen Sieger, der zugleich eine tragende Rolle für die zweite Runde der Auftaktepisode wird – man kocht nun in zwei Teams. Und ab hier wird es extrem spannend. Man verabschiedet sich von der klassischen Kochshow und entert tatsächlich das Terrain der Realityshow, denn der Sieger der ersten Runde sucht sich fünf Mitstreiter für sein Team aus, natürlich vor allen Kandidaten. Für fünfzehn Berliner kochen die Kandidaten Eisbein als Hauptgericht und Berliner Pfannkuchen (oder auch Berliner Ballen!) in moderner Form. In diesem Moment tritt mit Arne Anker der Gastjuror der Folge hinzu. Im laufenden Betrieb der als Schauplatz dienenden Markthalle kochen die Kandidaten um den Sieg. Meinungsverschiedenheiten, Alphatier-Gehabe, Unterwürfigkeit und Verzweiflung inklusive. So schön kann eine Kochshow sein.
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