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'So, wie Restaurants in Zeiten der Lieferdienste weiterexistieren, wird das Kino in Zeiten des Streamings bestehen'

Strategien für eine Revitalisierung des Kinos: Quotenmeter.de spricht in dieser Reihe mit der Kinobranche, um Impulse für ein neues Hoch zu setzen. Dieses Mal steht Jon Barrenechea, Vice President Marketing beim Streamingdienst MUBI, Rede und Antwort.

Berichte, das Kino stecke generell in einer Krise, sind häufig übertrieben – und allesamt zu pessimistisch. Diverse Märkte, darunter Großbritannien, Frankreich und Tschechien, bewiesen zuletzt, dass das Kino auch in der Ära von Video on Demand neue Spitzenzahlen schreiben kann. Das sollte der deutschen Branche nach dem wahrlich schwachen Geschäftsjahr 2018 Mut machen, zumal sich die hiesige Kinoindustrie nicht zum ersten Mal auf einem Tiefpunkt befindet: Schon 1992 wurden überaus magere Zahlen geschrieben, woraufhin es jedoch zu einem lang anhaltenden Aufwind kam.

Statt also den Kopf in den Sand zu stecken, gilt es, die Initiative zu ergreifen und Strategien zu entwickeln, wie das Kino wieder an Popularität gewinnt. In einer mehrteiligen Artikelreihe tauscht sich Quotenmeter.de mit Kinobetreibern sowie mit Filmverleihern aus und möchte Impulse anregen, wie sich das nächste Kinohoch erreichen lässt. Dieses Mal sprechen wir mit Jon Barrenechea, Vice President Marketing beim Streamingdienst MUBI, der im Vereinigten Königreich und in den USA auch als Kinoverleih tätig ist.

Das Kinojahr 2018 war in Deutschland ein Krisenjahr – wir hatten die niedrigsten Besucherzahlen seit 1992. In anderen Ländern gab es dagegen Rekorde zu vermelden. Also: Sehen Sie das Kino langfristig und generell auf dem absteigenden Ast?
Besucherzahlen fluktuieren aus zahlreichen Gründen von Jahr für Jahr. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass die Lust am kommunalen Erlebnis noch für viele, viele Jahre bestehen bleiben wird. Leute lieben es, zusammenzufinden und gemeinsam Filme zu gucken.

Manche Branchenbeobachter sehen Streamingdienste als den größten Grund für die sinkende Beliebtheit des Kinos. Würden Sie sich diesen Schuh anziehen?
Diese Argumentation wurde schon herbeigezerrt, als das Fernsehen groß wurde, dann beim Aufkommen der Videokassette, der DVD und der Blu-ray – und nun ist halt das Streaming der Buhmann. Leute gehen nicht nur wegen des Angebots, sondern auch aufgrund der sozialen Komponente ins Kino. So, wie Restaurants in Zeiten der Lieferdienste weiterexistieren, wird das Kino in Zeiten des Streamings bestehen. Was sich ändert, ist allein, wie Menschen in den eigenen vier Wänden Medien konsumieren – die physischen Medien DVD, Blu-ray und Kabelfernsehen weichen dem Streaming.

Sollte der Erfolg von Filmen in verkauften Tickets oder in Umsatz gerechnet werden?
Wir finden, dass beide Angaben ihren Wert haben, und sprechen uns dafür aus, dass dem Markt durch eine größere Transparenz generell mehr Daten zur Verfügung stehen. Der Kinoumsatz sollte nicht die alleinige Maßeinheit für den Erfolg eines Films sein – wir finden, dass die gesamte Wirkzeit eines Filmes, von der Erstveröffentlichung im Kino bis hin zu der Zeit, wenn er viele Jahre später von neuen Fans entdeckt wird, betrachtet werden sollte.

Ich höre vermehrt die These, dass es dem Kino besser gehen würde, wenn weniger Filme auf die Leinwand kämen. Stimmen Sie dem zu?
Es geht weniger um die Quantität der Filme, sondern mehr um die Qualität des Erlebnisses. Trotz Hunderter neuer Filme, die Jahr für Jahr anlaufen, teilt sich bloß eine Handvoll an Titeln den Großteil des Kuchens. Wir glauben, dass großartige Filme dann erfolgreich sind, wenn wir dem Publikum ein genauso gutes Erlebnis bieten – sei es in einem hervorragenden unabhängigen Kino oder im Komfort des eigenen Hauses mit MUBI.

Manchmal ist ein klassisches Kinofenster ideal für einen Film, andere Male eine 'Day-and-Date'-Herangehensweise.
Jon Barrenechea
Was benötigt ein Film, damit MUBI ihn ins Kino bringt, und wie entscheiden Sie, ob die VOD-Premiere parallel dazu stattfindet oder etwas Abstand hält?
Wir finden, dass jeder Film seine eigenen Bedürfnisse mitbringt, eigene Strategien braucht und ein eigenes Publikum anspricht, weshalb wir kein festes Regelwerk dafür haben, wie wir Filme in den Ländern veröffentlichen, in denen wir auch als Kinovertrieb tätig sind. Manchmal ist ein klassisches Kinofenster ideal für einen Film, andere Male eine 'Day-and-Date'-Herangehensweise. Wir machen Beides, und wir bemühen uns, weiterhin effizient und kreativ in unseren Entscheidungen zu bleiben.

In Großbritannien gestattet es MUBI seiner Kundschaft, ausgewählte Filme – auch von anderen Verleihern – gratis im Kino zu gucken. MUBI übernimmt die Eintrittskosten. Wie verhindern Sie, ein ähnliches Schicksal mit diesem Service zu erleiden wie Moviepass in den USA?
MUBI Go ist ein zukunftsfähiges Modell, anders als Moviepass, bei dem wir wöchentlich unserer Kundschaft einen Film aussuchen, den sie sich ansehen kann. Wir denken, dass dies für unsere Abonnentinnen und Abonnenten einen Mehrwert darstellt und auch für MUBI ein Gewinn ist. Wir haben Freude daran, mit Verleihern und Kinoketten zusammenzuarbeiten, um gemeinsam unabhängig verwirklichten Filmen dabei zu helfen, ein größeres Publikum zu erreichen und unsere Kundschaft zu ermutigen, das Haus zu verlassen, um das örtliche Kino zu unterstützen.

Obwohl wir Deutschen eher Kinomuffel sind, ist MUBI daran interessiert, auch hierzulande vom VOD-Dienst zum Kinoverleih zu expandieren. Womit möchte MUBI deutsche Filmfans dazu anspornen, wieder öfter ins Kino zu gehen?
MUBI Go räumt Kinogehern zwei Hindernisse aus dem Weg: Die Frage danach, was sie gucken sollen, und wie sie dafür zahlen sollen. Wir suchen wöchentlich den besten Film heraus, der aktuell läuft, und geben unserer Kundschaft ein Ticket dafür. Wir denken, dass dieser Kurationsprozess, den wir auch bei unserem Streamingportfolio anbieten, beim deutschen Publikum auf Zustimmung stoßen wird, das sich mit der Qualität von Filminhalt und Kinoerfahrung beschäftigt und gleichzeitig einen guten Preis dafür zahlen möchte.

Es gibt keinerlei Ausflüchte mehr, die Kunden mit mäßigem Service abzuspeisen.
Jon Barrenechea
Zum Abschluss eine generelle Frage: Wie können Kinobetreiber und Verleiher gemeinsam den Funken der Begeisterung fürs Kinogehen wieder auflodern lassen?
Die Kinoerfahrung ist für viele Menschen in aller Welt noch immer eine wertvolle und wichtige. Diese Erfahrung zu beschützen hängt nicht zwingend vom Programmaufgebot ab. Während starke Filme immer irgendwie ihr Publikum finden werden, ist auch die Qualität des Kinobesuches ein wichtiges Element – vom Ticketkauf über das Finden eines bequemen Sitzes bis hin zu moderner Technologie im Saal. Und es gibt keinerlei Ausflüchte mehr, die Kunden mit mäßigem Service abzuspeisen – denn MUBI bietet eine hervorragende Filmerfahrung vom Handy oder dem eigenen Heimkino aus.

Vielen Dank für das anregende Gespräch.
30.03.2019 12:21 Uhr Kurz-URL: qmde.de/108254
Sidney Schering

super
schade


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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
kauai
30.03.2019 21:55 Uhr 2
Dass meine Kinobesuche immer weniger werden, liegt definitiv nicht an den Streamingdiensten sondern am Angebot im Kino. Ein Grossteil von dem, was gerade rauf und runter läuft, ist einfach nicht mein Geschmack.
Vittel
30.03.2019 23:09 Uhr 3
Sehe auch auch so, mit Streaming hat das wenig zu tun, wird ja auch im Interview so gesehen. Es sind die insgesamt vielfältigeren Möglichkeiten, sich zu beschäftigen. Kino ist eine davon.



Bei mir persönlich ist es die Übersättigung, mir fällt es immer schwerer mich für Filme zu begeistern. Das mag an meiner Ausrichtung auf Mainstream liegen, neue Genres habe ich mir nie erschlossen.



Der Vollständigkeit halber werde ich mir noch Captain Marvel und Avengers ansehen, dann wars das aber mit Superhelden für mich.





Aus meiner Sicht liegt es an den Filmen bzw. den Fortsetzungen. More of same wird halt irgendwann langweilig. Dafür muss man nicht ins Kino, das schaut man mal zu Hause an. Ob das dann per Stream, TV, DVD, BD oder VHS geschieht, ist allenfalls eine Frage der eigenen technischen Ausstattung.
CaptainCharisma
31.03.2019 08:39 Uhr 4
Ich stimme da in den Tenor mit ein. Ich war zuletzt 2001 im Kino und das seitdem kein neuer Besuch dazu kam, lag nicht an Netflix. Gefühlt jeden Donnerstag 34 neue Superhelden Filme - jedes mal mit noch mehr chessy onelinern. Auch vor der Welle an Strampelhosen-Filmen, stand Kino für mich für banale Effekthascherei und prolliges Mainstream Gedöns.
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