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«The Voice Senior»: Oma & Opa rocken die Bude

Immer wenn man denkt, die Fahnenstange sei erklommen, hat die Fernsehindustrie noch einen in petto: So lässt Sat.1 ab heute rüstige Rentner auf die Showbühne und beweist, wie viel Spaß die Generation Ü60 hat und bereitet!

Der Startschuss ist gefallen: Sat.1 baut die Erfolgsmarke «The Voice» fleißig aus und bedient sich auch am dritten Format der Produktionsfirma Talpa. Diese hatte in den Niederlanden nach «The Voice of Holland» und «The Voice Kids» zuletzt erfolgreich «The Voice Senior» präsentiert und darin nur Kandidaten jenseits der 65 Jahre zugelassen.

Neben Deutschland bissen schnell auch andere Länder wie Russland, Großbritannien, Spanien und Belgien an. Einziger Kniff hierzulande: Man erweitert die Altersgruppe etwas und läßt Kandidaten ab 60 Jahren zu.

Dass Sat.1 ebenfalls mitzieht ist kein Wunder: Gerade das Hauptformat stellt eine sichere Bank für ProSieben und den Bällchensender dar. Die knuffige Kindervariante verlor zuletzt zwar sukzessive an Zuschauern, bleibt aber dennoch ein Erfolg und geht im Februar bereits ins siebte Jahr. Kein Wunder also, dass man nun allzu gerne auch noch die Senioren auf ihr Talent abklopfen möchte.

Das Format ist der Star


In Sachen Drumherum ging man seitens der Produktion kein Risiko ein. Die Moderation übernimmt wie auch schon in der zweiten bis achten Staffel von «The Voice of Germany» Thore Schölermann, der diesen Part zusätzlich in allen sechs bisherigen Staffeln von «The Voice Kids» innehatte. Ihm zur Seite stellte man Lena Gercke, die seit der fünften Staffel beim Ur-Format mit von der Partie ist.

Auch bei den Coaches ging man auf Nummer Sicher. Neben The Boss Hoss («The Voice of Germany», Staffeln 1-3 & «The Voice Kids», Staffel 7), Mark Forster («The Voice of Germany», Staffeln 7/8 & «The Voice Kids», Staffeln 3-7) und Sasha («The Voice Kids», Staffeln 4/5) nimmt Yvonne Catterfeld («The Voice of Germany», Staffeln 6-8) auf dem Drehsessel Platz. Man gönnt sich also erneut die geballte Franchise-Kompetenz.

Einzig was die Ausstrahlung angeht, präsentiert der Sender sich ungewohnt vorsichtig: Sat.1 programmiert die Show an sparsamen vier Terminen rund um die festlichste Zeit des Jahres. Zwei Ausgaben befassen sich mit den Blind-Auditions (23. und 28. Dezember), eine mit der Knock-Out-Phase (30. Dezember) und die letzte zeigt das Finale (4. Januar 2019). Völliges Vertrauen sieht irgendwie anders aus. Hat da etwa jemand kalte Füße? Und wenn: warum?

Die bösen Werberelevanten


Eine Frage werden sich die Verantwortlichen sicherlich gestellt haben: Wer soll die Show eigentlich anschauen? Aktuell weist die ProSiebenSat.1-Gruppe bekanntermaßen (und im Gegensatz zu beispielsweise RTL) noch immer die werberelevante Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen aus, auch wenn man inzwischen zusätzlich mit Relevanzgruppen arbeitet (bei Sat.1 beispielsweise 14-59, bei ProSieben 14-39). Wie auch immer man die Zahlen aber drehen möchte: Über die Zugkraft der Show in Verbindung mit den Talenten gehobenen Alters wird man beim Sender bestimmt nachgedacht haben.

Einspruch kann man an dieser Stelle allerdings erheben, wenn man auf «Das Supertalent» schaut. Genaugenommen handelt es sich beim RTL-Flaggschiff nämlich um eine Kombination aller drei The-Voice-Shows. Kinder und Senioren sind dort regelmäßig mit dabei und dürfen ihre Künste vorführen. Dort funktioniert es (im Altersmix) problemlos. Wenn man diesen Ansatz jedoch heranzieht, muss man sich auch gleich fragen, wie in dieser Show insbesondere die älteren Kandidaten oft dargestellt werden: leider nämlich zur Belustigung.

Das ist jedoch nicht der Anspruch der Talpa-Produktion. «The Voice» ist per Definition von Beginn an das Anti-DSDS und Anti-Supertalent gewesen und bis heute geblieben. Wo drüben bei RTL oft schnelle Lacher durch Fremdschäm-Momente generiert werden, will man hier mit Würde und Stil agieren. Eine Krux, die uns wieder zu der Frage führt, wer das Format eigentlich anschauen soll und ob das dann überhaupt noch die Zielgruppe der Sendung ist. Eine spannende Frage, bei der sich die (Quoten-)Katze durchaus in den Schwanz beißen könnte. Vielleicht haben derartige Gedankengänge letztlich auch zu der extrem kurzen Staffel beigetragen?

In jedem Fall muss man aber sowohl Talpa wie auch Sat.1 und alle anderen ausstrahlenden europäischen Stationen beglückwünschen. Das Format ist in unserer heutigen festgefahrenen Gesellschaft, in der das Altern nur ungern gezeigt wird, ein Risiko und somit Grund zur Freude, weil ein Sender (von dem man es ehrlicherweise kaum erwartet hätte) aus dem bekannten, kleinkarierten Quotendenken ausbricht und ein Wagnis eingeht.

Alterslos stark


Was die Show an sich betrifft, kann man Sat.1 ebenfalls nur Lob aussprechen. «The Voice Senior» bedient sich den Stärken der Schwesterformate und liefert ein rundum gelungenes Hochglanzprodukt mit Herz, Humor und Spannung ab. Die Machart bleibt über jeden Zweifel erhaben. Der Zauber, den die Show im Ur-Format und seit Jahren auch mit den liebenswerten Kids heraufbeschwört, gelingt auch mit der Generation Ü60 spielend.

Dabei kommen noch zwei weitere Aspekte zum Tragen, die sogar ein Alleinstellungsmerkmal darstellen. Auf der einen Seite sind da die Einspieler über die Kandidaten, die einen zusätzlichen Mehrwert erhalten, weil sie zeitgeschichtliche Relevanz in die Show bringen, Lebensumstände früherer Generationen aufzeigen und somit insbesondere für ein jüngeres Publikum lehrreich und spannend sind. Auf der anderen Seite bringt das Format auch in Sachen Musikauswahl neue Farben in die Show. Die einen wählen längst vergangene Perlen, die nur selten in Castingshows gesungen werden, die anderen bürsten gegen den Strich und singen aktuelle Songs, die auf den ersten Blick gar nicht zum Vortragenden zu passen scheinen.

Wir erleben wahres Talent, große Stimmen und Gefühle, rührende Lebensgeschichten und bestens aufgelegte Coaches. Somit bleibt nur die schlichte Erkenntnis: Das Format «The Voice» ist absolut alterslos. Diese Beobachtung wird noch prägnanter, da man sie eben auch auf den Faktor Talent umlegen kann. Die Show fokussiert sich einzig darauf, was die Kandidaten zu leisten in der Lage sind. Für Talent spielt das Alter der Protagonisten schlicht keine Rolle. Talent besitzt kein Verfallsdatum.

Schön, dass Sat.1 uns das mit so viel Würde vorführt und RTL damit (zumindest inhaltlich) beweist, dass das zur Schau stellen von Menschen in keiner Altersklasse nötig oder akzeptabel ist. Ganz nebenbei gelingt auf diese Weise sogar noch eine kleine weihnachtliche Botschaft an die Fernsehgemeinde: Man ist nie zu alt für Träume! Wenn die ProSiebenSat.1-Gruppe doch bloß in allen Bereichen so erwachsen, sensibel und stilsicher agieren würde. So droht man uns in Trailern mit der neuen Show um Detlef Soost und somit der anderen Seite der Medaille.

Doch sind negative Gedanken in Bezug auf «The Voice Senior» absolut fehl am Platz. Die Show macht Freude, erreicht das Herz und bringt ein Niveau auf den Schirm, das bei den Privaten oft mit der Lupe zu suchen ist. Hoffen wir, dass sich genug Menschen (innerhalb und außerhalb der werberelevanten Zielgruppe) finden werden, die diesen lobenswerten Ansatz goutieren. Verdient wäre es allemal.

«The Voice Senior» läuft noch dreimal im Abendprogramm von Sat.1 – am 28. Dezember, 30. Dezember und 4. Januar 2019. Die Ausstrahlung erfolgt jeweils um 20.15 Uhr.
23.12.2018 23:05 Uhr Kurz-URL: qmde.de/106097
Björn Sülter

super
schade

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Tags

The Voice The Voice of Holland The Voice Kids The Voice Senior The Voice of Germany Das Supertalent

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
P-Joker
23.12.2018 23:24 Uhr 1
Ich hoffe das man bei Sat.1 nicht nur die Quoten zu Rate zieht.

Man sollte sich auch mal die Zuschauer-Kommentare auf der offiziellen Facebook-Seite der Show durchlesen.

Von Jung bist Alt überschlägt man sich da fast vor Begeisterung!

Praktisch fast all diesen Komnmentaren kann ich da nur zustimmen.

Wer es nicht gesehen hat, hat etwas verpasst!
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