Fast drei Jahre nach dem sensationellen «The Night Manager» wird der nächste Bestseller von John le Carré adaptiert. Diesmal geht es in die Vergangenheit – und zu einer Schauspielerin, die ihre größte Rolle in einer echten Spionagemission spielt.
Cast & Crew «The Little Drummer Girl»
- basiert auf dem gleichnamigen Roman von John le Carré (dt. "Die Libelle")
- Darsteller: Michael Shannon, Alexander Skarsgård, Florence Pugh, Michael Moshonov u.a.
- Regie: Park Chan-wook
- Ausf. Produzenten: Stephen Cornwell, Simon Cornwell, Joseph Tsai, Park Chan-wook u.a.
- Produktion: BBC Studios, AMC Studios, The Ink Factory, 127 Wall für BBC und AMC
- Folgen: 6 (je ca. 50-60 Min.)
Wir alle spielen nur Theater. Das hat schon der berühmte Soziologe Erving Goffmann im Jahr 1959 festgestellt und beschrieben, dass wir Menschen in Interaktionen mit Anderen nie wir selbst sind, sondern immer unser präsentables Ich. Wir sind zugleich Publikum und Darsteller, und wir glauben mitunter ganz fest an unsere Rollen.
In der neuen Miniserie «The Little Drummer Girl» verschmelzen die Rolle dieser fiktionalen und realen Schauspiel-Welt. Es ist eine Filmdarstellerin, die für einen Spionage-Job in der echten Welt engagiert wird. Sie kann bestes Theater spielen, egal in welcher Rolle. Ihr Name ist Charlie, wobei man in diesem Drama sowieso nicht viel auf Namen geben sollte – die Identitäten können sowieso schnell wechseln. Charlie ist letztlich, um in der Theatersprache zu bleiben, eine Marionette im tödlichen Duell zweier Alphatiere: dem israelischen Spionagemeister Kurtz und dem palästinensischen Terroristen Khalil. Ziel seiner Bombenattacken sind jüdische Führungskräfte, und Kurtz‘ Mission ist es, Khalil zu stoppen – auch aus persönlichen Gründen, wie wir in dieser Geschichte schnell erfahren.
Für Kurtz ist das Ganze ein Theaterspiel, es geht darum, wer wann die richtigen Dinge sagt und welche Rollen mit wem besetzt sind. Kurtz lebt für dieses Spiel, sein einziges Ziel ist der Tod seines Erzfeindes. Als perfekte Rolle hat er dafür besagte Charlie ausgemacht, die er mit einem kompliziert-manipulativen Plot für seine Mission gewinnen kann. Nur soviel sei verraten: Es geht um einen Urlaubstrip nach Griechenland, um einen wunderschönen Fremden am Strand, der ihr Interesse weckt, eine romantische Illusion unter der Akropolis und schließlich das Angebot für die Rolle ihres Lebens.
«The Little Drummer Girl» führt den oft seelenlosen Nahost-Konflikt auf eine so persönliche, von Schicksalen geprägte Ebene. Auf intelligente Weise schafft es der Plot um die Schauspielerin Charlie, uns in den Bann zu ziehen, denn mit ihr können wir uns identifizieren – als außenstehende, unwissende Person eines Krieges, der eigentlich kaum greifbar ist. Mit der Zeit lernt sie darüber immer mehr, und immer mehr versteht sie ihre Rolle. Wir Zuschauer lernen mit. Ob die Serie es schafft, den Konflikt aus beiden Seiten adäquat zu erzählen – aus Sicht der Israelis und der Palästinenser? Es ist eine der zentralen Fragen dieser BBC-AMC-Koproduktion.
«The Little Drummer Girl»: Die Serie wirkt wie ein Theaterstück
Die Serie kommt von den Machern des Überraschungshits «The Night Manager» von 2016, mit dem inhaltlich aber – abseits des allgemeinen Spionage-Themas – kaum Gemeinsamkeiten bestehen. «The Night Manager» war ein kontemporärer Thriller im James-Bond-Stil, mit Action-Szenen und viel knisternder Spannung. Der Antagonist Roper hat uns als Zuschauer fasziniert. In «The Little Drummer Girl» geht es langsamer, dichter zu; die Serie spielt zudem in den 1970er Jahren. Die komplexe Story entfaltet sich behutsam, und sie ist eingebettet in einen der langwierigsten, schwierigsten globalen Konflikte unserer Zeit. Und ganz anders als bei Roper und Co. sind hier Gut und Böse alles andere als einfach zu trennen.
Diese Serie wirkt selbst wie ein Theaterstück, dem wir bei der Entstehung und bei der Ausführung zusehen können – in Form von Kurtz, der den Text verfasst und die Regie übernimmt. Und in Form von Charlie, wunderbar vielschichtig gespielt von Florence Pugh, die mehr und mehr zur starken Person in diesem Schauspiel wird. Und die, soviel sei verraten, in einen inneren Konflikt mit ihrem Ziel und ihrer Motivation gerät. Manchmal läuft eben nicht alles nach Plan des Regisseurs.
Über alle Zweifel erhaben sind die gemächliche Inszenierung von «The Little Drummer Girl» und auch die schauspielerischen Leistungen. Man fühlt sich in ein Gesamtkunstwerk der 1970er Jahre hineinversetzt, sowohl visuell als auch akustisch durch entsprechende musikalische Untermalung. Die Serie profitiert von der Handschrift des «Oldboy»-Regisseurs Park Chan-wook, der bei allen Episoden die Regie übernahm. Und von einer Eigenständigkeit, die man dem «The Night Manager»-Nachfolger nicht unbedingt zugetraut hätte. Mit dem Vorgänger hat dieses Format jedenfalls kaum noch etwas zu tun.
Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
25.11.2018 12:15 Uhr 1
Allerdings hat mir "The Night Manager" sehr gut gfallen!