Popcorn und Rollenwechsel: The Comedy That Lars Directed
Vielleicht hat unser Kinokolumnist auch einfach einen Schaden. Aber für ihn ist der neue Film des kontroversen Regisseurs Lars von Trier eine der besten Komödien des Jahres.
Die englischsprachige Wikipedia bezeichnet «The House That Jack Built» als psychologischen Horrorfilm. Und wir alle wissen, dass sich Wikipedia niemals irrt. Die IMDb verpasst der neusten Regiearbeit des dänischen Provokateurs Lars von Trier derweil die Genreetiketten Drama und Horror. Zu Beginn der Vorführung auf dem Filmfestival Cologne, die ich besucht habe, erklärte der Moderator, dass ein harter, düsterer Film auf uns warten würde, der zwar schwierig zu verdauen sei, und oberflächlich vielleicht platt wirken würde, aber durchaus kunstvoll sei. "Auf jeden Fall wird es ein Nachmittag, der Sie lange nicht loslässt", hieß es weiter. Tja, und was soll ich sagen? Ich fand die neue Regiearbeit des Kopfes hinter Filmen wie «Melancholia» und «Idioten» überaus lustig und hatte daher eine sehr vergnügliche Zeit im Kino.
Es wird mir sicher nicht zwingend helfen, wenn ich sage, dass es im Saal offenbar einer Handvoll anderer Besucher genauso ging, und sie bei manchen Szenen lauthals gelacht haben, während andere Leute im Saal der Schrecken ins Gesicht geschrieben stand oder sie schockiert "What the Fuck?!" ausgerufen haben. Aber es könnte vielleicht für manche da draußen ein Anreiz sein, sich «The House That Jack Built» im Kino anzuschauen, wenn er am 29. November 2018 seinen regulären Kinostart in Deutschland hat. Denn wenn die Reaktionen in Köln ansatzweise repräsentativ waren, erwartet euch ein Kinoerlebnis der Widersprüche, bei dem der ganze Saal hörbar reagiert – doch alles andere als unisono.
Für alle, die es nicht wissen: Lars von Triers englischsprachige, dänisch-französisch-deutsch-schwedische Koproduktion handelt vom hochbegabten Architekten Jack, der zudem ein Serienkiller ist, der sich im Laufe von zwölf Jahren vom ungeschickten, doch vorsichtigen Gelegenheitstäter zum hoch effizienten, aber unvorsichtigen Dauertäter wandelt. Jack, gespielt von Matt Dillon («Wayward Pines»), erzählt uns und Verge (Bruno Ganz) seine Geschichte in fünf angeblich beispielhaften, blutigen, nihilistischen, morbiden Anekdoten. Da bekommen Frauen das Gesicht eingeschlagen und ein süßes Entlein ein Beinchen abgeschnitten, was der Protagonist in seinem Erzählkommentar als große Kunst verteidigt.
Und so nachvollziehbar es für mich ist, dass einige der Festivalbesucher nach 155 Minuten Blutlust und Gefühlskälte davon sprachen, wie "hart das zu durchstehen war", möchte ich mich und die Anderen, die gelacht haben, verteidigen. Nein, uns ist nicht die Menschlichkeit abhanden gekommen und wir haben von Triers Film auch nicht ausgelacht. Naja, ich mutmaße das jedenfalls bei den Anderen. So oder so: Der Film ist rappelvoll mit lustigen Einfällen. Denn von Trier setzt das fort, was er schon mit «Nymph()maniac» getrieben hat und macht sich in «The House That Jack Built» in süffisanter Troll-Attitüde über sich, seine Kritiker und seine übereifrigen Feuilleton-Verehrer lustig.
So fragt Ganz' Rolle, als Archivmaterial eines Pianisten gezeigt wird, was es zu bedeuten hätte. Jack, bis dahin eloquent und scharf beobachtend, flüchtet sich kurzatmig in die Behauptung: "Der Pianist steht für Kunst." Andere von Jacks Thesen quittiert Ganz mit argwöhnischem Aufstöhnen. An anderer Stelle zetert Jack darüber, dass manche Menschen glauben, Filme seien für deren Regisseure und Autoren nur Wege, ihre Perversionen auszuleben – etwas, das von Trier regelmäßig vorgeworfen wird und bei «Nymph()maniac» neue Höhen erreichte.
Dies sind nur wenige von vielen, vielen Beispielen für Momente in «The House That Jack Built», die das Publikum mehr oder minder direkt ansprechen und über die Rezeption der Arbeiten von Triers referieren. Auch auf die Hitler-Kontroverse, die den Dänen vorübergehend zur persona non grata in Cannes gemacht hat, wird angespielt. Und darauf, dass von Trier seine Art, Filme zu entwerfen, mehrmals niedergerissen hat, um sich neuen Stilistiken zu widmen. Stets in einem süffisanten, launigen Tonfall, der aufzuschreien scheint: "Wenn ich Anspruch mache, überinterpretiert ihr völlig und sprecht meinen Filmen jeglichen Sehgenuss ab, wenn ich den Anspruch runterdrehe, bin ich der hohle Provokateur … Also, leckt mich halt!"
Und wenn vor diesem tonalen Hintergrund ein gefühlskalter Serienkiller mit Ordnungszwang Probleme hat, sich die richtige Lüge aus der Nase zu ziehen, um sich Zugang zum Haus einer alten Frau zu verschaffen – dann ist das für mich nicht schockierend oder beklemmend, sondern eine trockene, schwarze Komödie, wie es sie schon viele gibt. Oder wenn Jack einen Tatort partout nicht verlässt, weil er Angst hat, er hätte vielleicht irgendeinen Blutfleck vergessen, den er hätte wegwischen müssen. Oder wenn Jack Menschen wie Tiere behandelt und ausführlich erläutert, wo er seine Ideen herhat – im staubig-nüchternen Tonfall eines steifen Kunstschaffenden, der dem Publikum die Inspiration zu seinem Bild erläutern muss. Nur dass dieser Film zusätzlich zum rabenschwarzen Humor die fette Selbsironie, Selbstdekonstruktion und fette "Lasst mich!"-Attitüde des Regisseurs mitschwingt.
Also: Wer seine Lachmuskeln mal wieder einem Belastungstest unterziehen will, sollte sich «The House That Jack Built» vormerken. Schräge Humorvorlieben und ständige "Ich betrachte den Film aus der Perspektive, dass er ein innerer Monolog von Triers ist"-Brille vorausgesetzt.
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