Lisa Martinek spielt eine fähige, blinde Strafverteidigerin, die ununterbrochen unterschätzt wird.
Cast und Crew
- Regie: Christoph Schnee, Bruno Grass
- Darsteller: Lisa Martinek, Anna Fischer, Rüdiger Kuhlbrodt, Peggy Lukac, Helene Grass, Peter Fieseler, Tim Kalkhof, Christoph Letkowski
- Drehbuch: Jana Burbach (Headautorin), Nikolaus Schulz-Dornburg, Christoph Callenberg, Michael Gantenberg, Stefan Barth, Tamara Sanio
- Kamera: Diethard Prengel, Hendrik A. Kley
- Schnitt: Oliver Grothoff, Simone Klier
- Musik: Thomas Klemm
- Produktionsfirma: Olga Film
Im Ersten hat man wohl Gefallen daran gefunden, im Fernsehen altgediente Berufe neu mit Protagonisten aufzurollen, die kaum sehen können.
Nach einem blinden Ermittler mit österreichischem Charme kommt nun eine smarte, blinde Anwältin auf die Bildschirme. Während «Blind ermittelt» arg mit Klischees spielte, tritt «Die Heiland – Wir sind Anwalt» schon etwas feinfühliger ans thematische Metier heran. Das wird wohl auch daran liegen, dass der Serie eine reale Inspiration vorausgeht – die Strafverteidigerin Pamela Pabst, die als erste von Geburt an blinde Anwältin eine eigene Kanzlei in Berlin führt und ihre Erlebnisse in einem Buch («Ich sehe das, was ihr nicht seht») sammelte. Die Serienfigur Romy Heiland mag nur grob von der realen Person inspiriert sein, dennoch sorgte sie indirekt für einen großen Pluspunkt an dieser Anwaltsserie. Denn Hauptdarstellerin Lisa Martinek («Junges Licht») begleitete Pabst lange Zeit durch ihren Arbeitsalltag und begleitete sie bei einigen Gerichtsverhandlungen, um sich auf ihre Rolle vorzubereiten.
Dies ist «Die Heiland – Wir sind Anwalt» anzumerken, ebenso wie die Bemühungen der Serienschaffenden, ihrer Inspirationsquelle gerecht zu werden. Anders als ihr österreichischer Ermittlerkollege ist "die Heiland" keine Blinde der Marke «Daredevil», sondern eine fähige Frau, die dennoch gelegentlich ins Leere blickt oder (zu Recht) die Geduld verliert, wenn ihr eine sehende, hetzende Passantin glatt den Stock aus der Hand rempelt. Martinek ist äußerst überzeugend in der Rolle einer Frau mit überaus niedriger Sehkraft, die sich trotzdem in ihren Beruf verbeißt und mit helfender Hand und einem Paar "Ersatzaugen" sowie Geduld und Kombinationsvermögen schrittweise ihre Fälle seziert.
Besagte Ersatzaugen gehören der von den Behörden an die Strafverteidigerin weitervermittelten, hibbeligen Ada Holländer. Hier steigern sich die Autoren arg ins altbekannte Schema erzwungener Gegensätze hinein: Während die belesene Heiland aus einem bekannten, angesehenen Hause stammt und saubere Organisation über alles schätzt, ist Holländer völlig blank, was "Jurakunde" angeht, chaotisch und ein eher schlichtes Gemüt. Holländer ist mehr ein blasser Figurenentwurf statt eine richtige Personalie, die dabei helfen kann, eine Fernsehserie zu tragen. Allein die natürlich-energiereiche Art von Darstellerin Anna Fischer («Groupies bleiben nicht zum Frühstück») hält Ada Holländer davon ab, als Störelement dazustehen. Eine etwaige zweite Staffel hat bei dieser Figur Nachholbedarf …
Im Doppel müssen sich Heiland und Holländer zunächst einmal gegen Romys Eltern durchsetzen. Denn Karin (Peggy Lukac) und Paul Heiland (Rüdiger Kuhlbrodt) dulden die (relative) Eigenständigkeit ihrer Tochter nicht und mischen sich weiterhin wohlwollend-sorgend, dennoch übermäßig in ihr Leben ein. Dabei weiß Romy Heiland sehr genau, ihre Schwäche zum Vorteil einzusetzen. Da sie genau zuhört, über eine gute Menschenkenntnis verfügt und sie dennoch von Gegnern und Klienten unterschätzt wird, findet sie sehr zielgenau die Wahrheit heraus. Selbst wenn ihr erster Fall, den sie gemeinsam mit Holländer anpackt, sie vor einige Herausforderungen stellt: Sie soll einen Universitätsprofessor verteidigen, der der Vergewaltigung angeklagt wird, was Holländers Gewissen plagt. Aber Heiland glaubt ihrem schweigsamen Klienten …
Auch in späteren Folgen lässt sich «Die Heiland – Wir sind Anwalt» vom Zeitgeist leiten. Dennoch bleibt die Serie etwas altbacken, was sich nicht nur darin zeigt, dass die Inszenierung öffentlich-rechtlich-funktional ausfällt, sondern die Fälle zwar wie aus den Schlagzeilen gerissen wirken, letztlich aber mittels der einen oder anderen Wende weiträumig an der Klippe der Gesellschaftskritik vorbei steuern. Dass Diskriminierungen gegen Heiland auch nicht größer thematisiert werden, unterstreicht das Auftreten dieser Serie als sichere ARD-Dienstagsserie, die sich halt nur einen auffälligeren Aufhänger gesucht hat. Dieses Das-Publikum-an-der-Hand-halten nimmt jedoch zuweilen alberne Formen an. Etwa wenn der weitere Handlungsvorlauf darauf beruht, dass man sich an etwas zuvor Gesagtes oder Gezeigtes erinnern muss. Dann zeigen die Serienmacher kleine Flashbacks – selbst wenn nur etwas mehr als eine Minute seit dem vergangen ist, worauf zurückgegriffen wird …
Nervenkitzel ist bei den sachte geplotteten Fällen also ebenso wenig angesagt wie schwere Dramatik. Dafür wird viel gemenschelt, was teils bemüht wirkt, doch immer dann angenehm glaubhaft wird, wenn Lisa Martinek ihre Figur aus ihrem generell so genügsamen Tonfall ausbrechen lässt. Dass Heiland sich über Mandanten ärgern darf oder an einer Hypothese zweifelt, und Martinek das non-verbal deutlich macht, hebt «Die Heiland – Wir sind Anwalt» bei aller Publikumsbetüddelung doch noch ein Stückchen aus der Beliebigkeit heraus.
«Die Heiland – Wir sind Anwalt» ist immer dienstags um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
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