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Ja zur Billag: Rundfunk in der Schweiz

Anfang des Jahres hätte eine Volksabstimmung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Schweiz kippen können. Sie tat das Gegenteil. Unsere Rundfunk-Rundreise führt uns diese Woche in die Eidgenossenschaft.

Wie ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der Schweiz aufgebaut?

Bisherige Ausgaben unserer Rundfunk-Rundreise

Die 1931 gegründete Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (französisch: Société suisse de radiodiffusion et télévision, oft zweisprachig abgekürzt mit SRG SSR) ist ein Verein, der vom Bund den Auftrag hat, für die ganze Schweiz ein ansprechendes Kultur-, Informations- und Unterhaltungsprogramm anzubieten – im Fernsehen auf drei Sprachen (deutsch, französisch und italienisch), im Radio auf vier (zusätzlich rätoromanisch).
Der staatliche Einfluss ist – zumindest de jure – gering. Der Bund kann zwar bis zu einem Viertel der Mitglieder des Verwaltungsrats der Gesellschaft besetzen. Der Umstand, dass die Verfassung es Bund und Kantonen jedoch ausdrücklich verbietet, selbst Rundfunkstationen zu betreiben, und vielmehr explizit die Autonomie der Programmgestaltung der Schweizer Sender garantiert, bedeutet jedoch eine scharfe Zurückweisung jedweder politischen Einflussnahme auf den Sendebetrieb. Ungeachtet dessen wird vornehmlich von rechten Kreisen, insbesondere der Schweizer Volkspartei, eine angebliche administrativ bedingte Staatsnähe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks behauptet, bzw. eine unbotmäßig tendenziöse Berichterstattung unterstellt.
Strukturell ist die SRG SSR in fünf Unternehmensteile untergliedert: Zusätzlich zum Online-Angebot swissinfo.ch einen für jede der vier Schweizer Amtssprachen, darunter der SRF für die deutsche und RTS (Radio Télévision Suisse) für die frankophone Schweiz.
Sowohl RTS und SRF als auch RSI in der italienischen Schweiz betreiben jeweils zwei Vollprogramme. Auf dem deutschen SRF eins sind zudem einige auf Rätoromanisch produzierte Sendungen zu sehen, die für das deutschsprachige Publikum per Videotext untertitelt werden.

Wie finanziert es sich?
Der Bund erhebt Rundfunkgebühren, mit deren Einziehung derzeit noch die Billag AG, ein Tochterunternehmen des Schweizer Kommunikationskonzerns Swisscom, beauftragt ist. Ab Januar 2019 wird für die Erhebung der Schweizer Rundfunkgebühren nicht mehr die Billag AG, sondern die Serafe AG zuständig sein.
Derzeit betragen die Rundfunkgebühren pro Haushalt und Jahr 451 CHF, also etwa 390 Euro – fast das Doppelte der deutschen Haushaltsabgabe. Für Haushalte, die auf Fernsehempfang verzichten und lediglich ein Radio betreiben, wird ein ermäßigter Satz von 165 CHF erhoben. Noch ist die Entrichtung der Rundfunkgebühren in der Schweiz also an den tatsächlichen Betrieb von Empfangsgeräten gekoppelt. Ebenso werden auch Unternehmen mit eigenen Sätzen zur Entrichtung der Rundfunkabgabe herangezogen. Für Zuwiderhandlungen können empfindliche Bußgelder von bis zu 5.000 CHF, also weit über 4.000 Euro erhoben werden.
Mit 1,2 Mrd. CHF fließt der Großteil der erhobenen Rundfunkgebühren an die SRG SSR. Weitere Einnahmen erzielt die Gesellschaft aus Werbung und Sponsoring.
Nach einem 2015 ergangenen Referendum wird der Rundfunkbeitrag zum 1. Januar 2019 auf 365 CHF, also ca. 320 Euro, reduziert. Ab diesem Stichtag muss der Rundfunkbeitrag dann auch von jedem nicht befreiten Schweizer Haushalt entrichtet werden, egal ob er Empfangsgeräte betreibt oder nicht.
Das No-Billag-Referendum von Anfang des Jahres, das eine vollständige Abschaffung der Rundfunkgebühren zum Ziel hatte, ist mit überwältigender Mehrheit (71,6% Gegenstimmen) krachend gescheitert.

Was läuft?
Die Sender von SRF zeigen ein umfangreiches Programm aus Unterhaltungs- wie Informationssendungen sowie Serien. Während sich SRF mit Fiction-Importen aus Deutschland wie «Der Alte», «Der Staatsanwalt» und «Professor T.» nebst Schweizer Eigenproduktionen, den sehr erfolgreichen eigenproduzierten Quiz-Shows wie «1 gegen 100» und «Wir mal vier» sowie dem langlebigen Verbrauchermagazin «Kassensturz» und der populären Talk-Show des meinungsfreudigen Fernsehurgesteins Roger Schawinski auf eine möglichst breite Zuschauerklientel konzentriert, sendet SRF zwei in der Prime-Time hauptsächlich amerikanische Serien und Spielfilme.
Die französischen Pendants RTS Un und Deux verfolgen eine ähnliche Strategie – wobei dort die Fiction freilich nicht aus Deutschland, sondern aus anderen Ländern der frankophonen Welt importiert wird.

Welchen Stellenwert hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der Schweiz?
Die überwältigende Zurückweisung des No-Billag-Referendums Anfang des Jahres hat eindrucksvoll verdeutlicht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen großen Rückhalt in der Schweizer Bevölkerung genießt. Ein Blick auf die Marktanteile unterstreicht diese Beobachtung. Die deutschsprachigen Vollprogramme SRF 1, SRF zwei und der Spartensender SRF info erreichten im ersten Halbjahr 2018 zusammen einen durchschnittlichen Marktanteil von 31,3%. Das Hauptabendprogramm erreichte im Durchschnitt sogar fast 40% der Fernsehzuschauer in der deutschsprachigen Schweiz.
Im frankophonen Teil des Landes sieht es ähnlich aus: RTS Un und Deux erreichten 2017 im Durchschnitt einen Marktanteil von 33%, der zudem seit Jahren stabil ist. Damit ist das französischsprachige Angebot von SRG SSR in jeder Altersgruppe klar beliebter als das jedes Privatsenders aus Frankreich – und sogar in der vermeintlich besonders Privatfernsehen-affinen Kohorte der 15-29-Jährigen lag man mit ca. 23% deutlich vor M6 (14%) und TF1 (11,3%).
04.08.2018 11:20 Uhr Kurz-URL: qmde.de/102802
Julian Miller

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