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Das neue Fernsehen: Umparken im Kopf

Auf klassischem Wege entsteht immer seltener eine echte Bindung zwischen einer neuen Marke und dem Publikum. Das Beschreiten neuer Wege ist für TV-Sender daher unabdingbar. Ein Kommentar.

Quoten-Quickie «Alles oder Nichts»

  • Woche 1: 5,3%
  • Woche 2: 4,4%
Durchschnittliche Marktanteile 14-49
Es ist eine der wichtigsten Erkenntnisse im Fernsehjahr 2018: Neustarts erfolgreich im linearen Programm zu etablieren, ist nochmal schwieriger geworden - vor allem dann, wenn es um täglich zu konsumierende Programme geht. Dabei sind genau solche Formate, zum Beispiel Daily Soaps, wahre Goldgruben. «Gute Zeiten, schlechte Zeiten», das am letzten Werktag dieses Jahres 6666 Folgen alt wird, holt inzwischen konstant die höchsten linearen Reichweiten aller Daytime-Formate; die Daily Soap von RTL ist für viele der klassisch Umworbenen eine der seltener gewordenen Verabredungen mit dem klassischen Fernsehprogramm geworden. Einst hatte Roger Schawinski, der in seiner Zeit als Sat.1-Chef für den Start von «Verliebt in Berlin» verantwortlich war, mal gesagt, dass es ein Fehler der Sendergruppe gewesen sei, die «CSI»-Serien an sich vorüberziehen zu lassen. Man möchte hinzufügen, dass es der vielleicht noch viel größere Fehler war, dass es weder Sat.1 noch ProSieben in rund 20 Jahren geschafft haben, eine Daily Soap langfristig im Programm zu verankern. «Anna und die Liebe» mit über 900 und «Verliebt in Berlin» mit rund 650 Episoden waren hier die beständigsten Zugpferde.

Inzwischen ist Max Conze Chef der ProSiebenSat.1-Gruppe und hat in seinem ersten halben Jahr schon recht viel bewegt. Conze ist bekannt für sein fortschrittliches Denken. Er hatte in den sieben Jahren als CEO von Dyson einiges bewegt. Dyson, das ist die Firma mit dem tragbaren Staubsauger ohne Kobel. Staubsaugen, das ist das, was für gewöhnlich wenig Spaß macht - Dyson-Geräte aber sind fast schon hip geworden, sehen stylisch aus und haben die Art des Saubermachens ein Stück weit revolutioniert.

Quoten-Quickie

  • Monat 1 (September): 6,6%
  • Monat 2 (Oktober): 6,6%
Durchschnittliche Marktanteile 14-49
Nicht weniger als das wird Max Conze jetzt auch mit seinen Sendern machen müssen. Der Vorabend von Sat.1, einem seiner wichtigsten Sender, gleicht einem Trümmerfeld. Folge acht seiner neuen Daily-Soap «Alles oder Nichts» landete am Halloween-Abend bei nur noch 2,3 Prozent Marktanteil - als Erfolg ginge sie durch, wenn sie das drei oder vierfache generieren würde. Ähnlich verhält es sich mit dem Magazin «Endlich Feierabend». Conze muss nun für ein Umparken im Kopf sorgen - eine funktionierende Daily-Soap ist für seine Sendergruppe eigentlich unabdingbar, doch genau dies scheint auf herkömmlichem Wege kaum mehr machbar.

Zuletzt gelang es RTL II mit «Köln 50667» ein solches Format dauerhaft zu etablieren. Alle nachfolgenden Versuche - und das waren einige - scheiterten. Jüngst machte selbst Platzhirsch RTL mit «Berlin Models» und «Freundinnen» solche Erfahrungen. Dabei dürfte es nicht einzig daran liegen, ob ein Produkt wirklich gut ist oder nicht, sondern auch an verschiedenen Hebeln, die 2018 ganz anders eingestellt sein müssen als noch 2008. «Alles oder Nichts» ist in keinem Punkt vergleichbar mit einer etablierten Marke wie «GZSZ», die ihre Zuschauer mittlerweile fast von alleine findet.

Die von Sat.1 mal als moderne und dreiste Variante der Daily Soap bezeichnete Serie ist in der Vermarkungen doch viel zu klassisch geblieben. Die Sendergruppe war womöglich nicht mutig genug. Nach dem miesen Start im klassischen Fernsehen wäre über drei Schritte nachzudenken, die zu mittelfristigem Erfolg führen könnten.

#1 Online First!


Es steht außer Frage, dass Netflix und Co. das Konsumverhalten der jüngeren Menschen maßgeblich geprägt und nicht zuletzt auch verändert haben. Die Bereitschaft sich zu festen Zeiten mit Figuren zu verabreden, ist deutlich gesunken. Netflix hat gelehrt: Schaue deine Serie, wann und wie du es magst. Und schon lange wird in der Branche gemunkelt, wann auch klassische TV-Sender den Netflix-Weg in Bezug auf Dailys für sich entdecken? Ein Versuch, fünf Folgen von «Alles oder Nichts» immer an einem festen Tag online und vorab zu veröffentlichen, wäre es alle Mal Wert. Dieser Taktik stehen natürlich mutmaßlich sinkende Marktanteile im Fernsehen gegenüber und die Tatsache, dass sich Serien im klassischen TV nachwievor besser monetarisieren lassen als im Stream - aber möglicherweise würde Sat.1 hier massiv in die Zukunft seiner Fiction-Abteilung einbezahlen.

#2 Wir halten durch!


Eingangs schon erwähnt: Nur zwei Dailys von Sat.1 sind überhaupt in eine zweite Staffel gegangen, zahlreiche «Alles oder Nichts»-Vorgänger wurden vorzeitig beendet. «Mila» etwa nach gerade einmal zwei Wochen. In anderen Fällen wurde zuerst hektisch am Konzept gefeilt und die Serie dann doch eingestampft. All diese Maßnahmen wirken heute nicht unbedingt vertrauensfördernd für einen vielleicht halbwegs interessierten Fan. Es fehlt dieser Tage die klare Ansage der Chefetage, dass man diese Soap auf Gedeih und Verderb über ein Jahr lang ausstrahlen werde.

#3 Wir liefern noch mehr davon!


Producers at Work-Chef Christian Popp hatte es, vielleicht nicht ganz uneigennützig, schon angesprochen. Als einziges Boot auf rauher See hat es eine Sat.1-Daily schwer - mit einem zweiten Format ließen sich manche Wellen besser umschiffen. Alle Sender mit erfolgreichen Dailys - das sind derzeit RTL, RTL II und Das Erste, haben zwei Formate dieser Programmfarbe im Angebot. So merkwürdig es angesichts der in der Tat schlechten Quoten von «Alles oder Nichts» klingt; eine zweite Daily würde Sat.1 besser heute als morgen zu Gesicht stehen.
08.11.2018 18:34 Uhr Kurz-URL: qmde.de/104987
Manuel Weis

super
schade


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Alles oder Nichts Anna und die Liebe Berlin Models CSI Endlich Feierabend Freundinnen GZSZ Gute Zeiten schlechte Zeiten Köln 50667 Mila Verliebt in Berlin

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Es gibt 6 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
08.11.2018 20:47 Uhr 4
Das mit der "Kommentar - Funktion" ist gefühlt schon ewig....
medical_fan
08.11.2018 22:41 Uhr 5


Ja, längeres Durchhaltevermögen wäre echt wünschenswert, aber vermutlich weiß Pflüger das wenn er den Vorabend kurzfristig verkackt, seinen Hut nehmen muss. So wie eben Paalzow nach dem voreiligen Absetzen von Mila.

Und das AoN nicht schon längst abgesetzt wurde, ein Wunder bei den miesen Quoten bei dem man vor 3 Jahren noch Mila abgesetzt hatte, AoN unterbietet manchmal die Werte von Mila und trotzdem läuft es schon in der 3 Woche.



Die Geschichte mit dem Youtuber kann aber auch böse in die Hose gehen, wenn das verkackt wird, dann ist man richtig am Arsch. Denn wenn das nicht funktioniert, fühlt sich ein Großteil der Zuschauer verarscht.



Zu Online first: Immerhin veröffentlicht Sat1 AoN bei Youtube, RTL macht es nur bei TVNOW. Und das man für Pre-TV, bis zu einer Woche im Voraus bezahlt, ist eigentlich völlig okay, weil es danach kostenlos ist.



Auf jeden Fall bis zum nächsten Frühjahr durchhalten
Wolfsgesicht
09.11.2018 00:03 Uhr 6
Ja mit den Youtubern ist eine gewagte Idee.



Das war nur mein Gedankengang, da man jetzt zu Beginn auf die Verbreitung via. YouTube gesetzt hat und es damit eigentlich ein naheliegender Schritt wäre zu sagen, man holt sich mal pro Monat einen kleineren rein und alle 3-4 Monate einen mittelgroßen der da mitspielt und dann auf seinem Kanal oder insta wirbt.



Ich wüsste nicht warum das in die hose gehen sollte, mit einem vernünftigen Casting.

Die großen würde man eh nicht nehmen und manche youtuber kriegen nach etwas Training und mit der richtigen Rolle sicherlich ein Soap taugliches Schauspiel hin. Abseits der großen kennt man eh kaum YouTuber durch Zufall, man verfolgt die dann meistens doch.

Man darf es halt nicht ausreizen.

Bekannte Persönlichkeiten sind falsch und übersättigt eingesetzt natürlich Gift.

Ok es kann doch in die Hose gehen :D überzeugt



Wenn man ganz bekloppt ist könnte man auch einen werbedeal mit Netflix unterzeichnen und da dann veröffentlichen :D

Ich denke mal die ü30 Generation wird überwiegend auf gzsz in Sachen Soap setzen.

Alles jüngere kennt nur Berlin Tag und Nacht, weil als das anfing zu laufen war YouTube qualitativ eher eine Nische und damit Fernsehen noch zugkräftiger. Da wird man halt keinen Fuß fassen.



Wenn man dann unbedingt auf die werbung im TV setzen möchte, weil sie mehr einbringt, tauscht man halt die Programmierung. Heißt Montag bis Freitag laufen die neuesten folgen im TV und am Montag darauf kommen dann alle 5 Folgen der letzten Woche gesammelt online.






Muss ja kein spezielles oder aktuelles Thema sein. Das könnte man eh nicht alles behandeln und selbst für ein einzelnes Thema wäre der Aufbau einer Soap wohl hinderlich.

Niemand würde eine Soap sehen wollen, in der es zu großen Teilen um politische Inhalte geht.

Ich dachte mehr an das politische Thema als Ganzes.

Lobbyvereine, der alte Politiker, der neue Politiker der noch alles verändern will, der der alles tut um seinen Sitz zu behalten, ein Par schmutzige Geschäfte im Hinterzimmer etc..

Eigentlich bietet das grundsetting doch einiges. Mächtige alte Männer, junge Praktikantinnen, geldgierige Säcke, der Weltverbesserer, die bösen, die guten...

Ist doch alles was eine Soap braucht :D



Aktuelles wird man kaum behandeln können, aber vielleicht ein großes Thema dann halt in einem Jahr Abstand. Und vielleicht kann man in Gespräche dann echte Politiker und unternehmen einbauen um einen Interessenskonflikt zu verdeutlichen und zu zeigen wer damals welche Strippen gezogen hat. Ob das wirklich funktionieren würde...keine Ahnung. Weil eine Geschichte die wahres und gespieltes vermischt ist schwer genug zum differenzieren (was ist jetzt wirklich so ähnlich passiert und was nicht) und dann noch als Soap....das macht das ganze natürlich nicht sehr glaubwürdig :D

Also diesen „Echte Themen“ Punkt würde man wahrscheinlich weglassen.



Der Punkt dass es (zumindest theoretisch) im Bundestag spielt macht es für viele gelegenheitszuschauer vielleicht dann doch interessanter als gzsz, weil dazu gleich ein Bild im Kopf erscheint.
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