Der neuste «Tatort»-Folge aus Köln sticht aus dem Einerlei heraus, den die Domstadt sonst zu bieten hat.
Cast und Crew
- Regie: Sebastian Ko
- Drehbuch: Johannes Rotter
- Darsteller: Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Lavinia Wilson, Moritz Grove, Sebastian Hülk, Alvar Goetze, Roland Riebeling, La-na Cooper, Joe Bausch
- Kamera: Kay Gauditz
- Schnitt: Doro Vajda
- Musik: Olaf Didolff
- Produktionsfirma: Bavaria Fiction
Der Kölner «Tatort» in einer leichten Sinnkrise – angeführt von Max Ballauf. Der seit 1997 von Klaus J. Behrendt gespielte Kriminalhauptkommissar stellt sich nach all den Jahren der Mördersuche die Frage: Wieso? Warum das Ganze? Was soll das aus einem machen, wenn man seit Jahrzehnten immer dann gerufen wird, wenn es eh schon zu spät ist und jemand erstochen, erwürgt oder erschossen wurde? Solche Fragen plagen andere «Tatort»-Ermittler schon wesentlich eher im Laufe ihrer Karriere, ein Felix Murot (alias Ulrich Tukur) hat sich die philosophische Sinnkrise gar zum Markenzeichen gemacht. Für den gemeinhin eher nach Fernsehkrimi-Schema-F agierende «Tatort» aus Köln ist solch ein Kopfzerbrechen indes ungewöhnlich.
Löblich: Drehbuchautor Johannes Rotter («Der Staatsanwalt») ruht sich nicht darauf aus, einfach leicht über den sprichwörtlichen Tellerrand der Kölner Sonntagskrimis hinauszuschauen. Im Laufe der 90 Filmminuten setzt er Ballaufs Nervenkostüm recht hart zu. Weshalb gerade dieser Fall in ihm die Frage aufkommen lässt, ob sein Leben vor seiner Zeit als Polizist nicht lebenswerter war, bleibt eher offen. Es wird sich an einer beiläufigen Erklärung versucht, die allerdings kaum mehr ist als eine Ausrede. Aber der Wille, etwas Neues in Köln auszuprobieren, wiegt mehr als der Versuch, diese Änderungen auch noch Schritt für Schritt zu begründen.
Und so wird Ballauf halt nachdenklich, weil er und Schenk den Mord an einem verhassten, rumänischen Autotuning-Experten untersuchen, der das berufliche Ass im Ärmel einer kleinen, in Familienhand liegenden Autowerkstatt war. Dass sich das Mordopfer wegen seines Könnens enorme Freiheiten genommen hat, und etwa Erotikfotos von seiner Chefin Katrin Grevel (Lavinia Wilson) schoss und Lolita-Fotos ihrer Teenie-Tochter, ist für Ballauf Beweis genug: Firmenboss Matthes Grevel (Moritz Grove) war es.
Schenk ist dagegen stutzig. Er geht sanftmütig an den Fall heran, schlägt bei der Ermittlung einen eigenen Weg ein, nimmt einen Angestellten der Grevels, Otto Ziemer (Sebastian Hülk) ins Visier – und versucht nebenher, das Gemüt seines Kollegen wieder zu erden.
Das eingespielte Duo Klaus J. Behrendt & Dietmar Bär gewinnt, bedingt durch das Skript, seinen Figuren in «Tatort – Mitgehangen» mehr Dimensionen ab als sonst gewohnt. Und auch die verschiedenen Verdächtigen reichen über die Krimi-Archetypen hinaus, die es sonst im «Tatort» aus Köln zu sehen gibt. Moritz Grove punktet sehr als unter dem Knastleben leidender Matthes Grevel, der von Szene zu Szene zerknirschter und betrübter wirkt – aber auch wütender.
lavinia Wilson («Schoßgebete») holt ebenfalls viel aus ihrer Rolle heraus: Katrin Grevel erweckt den Anschein einer sehr sexuellen Frau, doch wiederholt untergräbt dieser «Tatort» die Erwartungen rund um die aufgeweckte, liebende Gattin und Mutter – ebenso wie die um Sebastian Hülk, dessen "Freund der Familie" dubios, schwer einzuordnen erscheint.
Nicht nur inhaltlich schlägt «Tatort – Mitgehangen» Haken, die für die so oft so formelhaft ablaufenden «Tatort»-Folgen aus Köln besonders überraschend sind. Auch inszenatorisch wagt sich dieser Neunzigminüter mehr als viele seiner Vorgänger aus der Domstadt: Regisseur Sebastian Ko («Ladybug», «Wir Monster») verzichtet weitestgehend auf Totale, bleibt nah an den Figuren, die sich alle irgendwie gefangen fühlen und die er von Kameramann Kay Gauditz oft in Spiegeln, Fenstern oder Türgängen fotografieren lässt.
Getaucht in gedeckten Blau-, Braun-, Schwarz- und Weiß-Tönen, gewinnt «Tatort – Mitgehangen» einen leicht irrealen, betrübten Look, ohne auf ein Übermaß an dramatisch konnotierten Blaufiltern zu setzen, während Olaf Didolff einen Score einspielt, der mal «Birdman»-mäßig dissonant-treibend ist, mal bluesmäßig-melodiös. Mal schauen, ob dies eine späte Trendwende für den «Tatort» aus Köln ist oder ein tonaler Ausreißer.
«Tatort – Mitgehangen» ist am 18. März 2018 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
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