«heute-show»: Kampf gegen Gewöhnung und Beliebigkeit
Fast neun Jahre sind inzwischen vergangen, seit das ZDF die erste Folge der «heute-show» zeigte. Auf dem Höhepunkt des Erfolgs gilt es nun, weiter an der Sendung zu arbeiten.
«heute-show» 2017
Höchste Reichweite 3+: 4,72 Mio. (8. September)
Höchster Marktanteil 3+: 21,4% (10. November)
Höchste Reichweite 14-49: 1,38 Mio. (3. Februar)
Höchster Marktanteil 14-49: 18,8% (10. November)
Seit mehr als zwölf Jahren regiert Angela Merkel das Land. Vielen kommt das vor wie eine Ewigkeit. Dabei ging Deutschlands führende Satiresendung im TV – die «heute show» im ZDF - bereits im vierten Jahr von Merkels Amtszeit auf Sendung. Im Mai 2009, an einem Dienstagabend, lief damals die erste Folge des Formats. Bislang hat es die Nachrichtensatire mit Oliver Welke auf mehr als 260 Folgen gebracht – damit ist seit dem Start eigentlich auch eine ziemlich lange Zeit vergangen. Im TV-Business gleichen neun Jahre einer halben Ewigkeit.
Folglich gehört die «heute-show» längst zum alten Eisen. Angefangen als laues Lüftchen, das schon bald auf den späteren Freitagabend umzog, hat sie sich in den letzten Jahren immer wieder gesteigert. 2017 wurden gleich mehrere Allzeitrekorde gebrochen. Die «heute-show» ist damit in der Mitte der Gesellschaft angekommen – junge wie alte Menschen schauen sie gleichermaßen. Bei Twitter folgen ihr mehr als 480.000 Menschen, bei Facebook haben sogar weit mehr als 1,1 Millionen Menschen auf „Gefällt mir“ gedrückt. Anders als viele andere TV-Sendungen, die mit der Zeit an Zuspruch einbüßen, ist es der «heute-show» in all den Jahren gelungen, erstaunlich frisch zu bleiben. Und trotzdem scheint es einen Feind zu geben, der immer kommt, wenn etwas lange Zeit erfolgreich ist: die Gewöhnung.
Nun ist Gewöhnung zweifellos kein Phänomen, das nur die «heute-show» betrifft. Auch beim Dschungelcamp dürfte sich der mehr oder minder geneigte Zuschauer inzwischen an die Struktur der Sprüche und Gags von Sonja und Daniel gewöhnt haben. Was vor einigen Jahren für RTL-Verhältnisse vielleicht noch revolutionär war, flashte in diesem Jahr kaum noch jemanden. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier, der sich von dem, was er kennt, nur noch schwer begeistern lässt. Auch wenn es gut oder sogar sehr gut ist.
Hinzu kommt, dass sich auch auf Seiten der Politiker in den letzten Jahr ein entscheidender Punkt verändert hat: Sie haben verstanden, wie die «heute-show» funktioniert. Sie wissen ganz genau, wie sie reagieren müssen, wenn sie einem der „Außenreporter“ begegnen. Allzu deutlich wurde das erst kürzlich in einem Interview von Hazel Brugger mit SPD-Vize Ralf Stegner. In diesem mutierte der eigentlich mürrische Stegner zum Star – und deklassierte Brugger, die besonders am Ende des Interviews ziemlich überfordert wirkte.
Eine Kontroverse wie im Jahr 2014, als der Deutsche Bundestag der «heute-show» vorübergehend keine Drehgenehmigung erteilte, wäre heute nicht mehr vorstellbar. Und genau hier könnte ein Problem für das Format liegen: Die «heute-show», deren Aufgabe es sein sollte, Politikern auf unkonventionelle Weise unangenehm zu werden und auf den Zahn zu fühlen, ist dem Mainstream und sicherlich auch der Politik nähergekommen denn je. Gregor Gysi, Anton Hofreiter, Jens Spahn: Sie alle haben der «heute-show» in den letzten Jahren einen Besuch abgestattet. Sie werden dabei durchaus auf dem Schirm gehabt haben, dass dieser Besuch auch für sie persönlich von Vorteil sein kann. Das Publikum honoriert, wer in der Sendung mit Witz und Humor auftritt.
Stichwort Mainstream: Ziemlich unglücklich war zuletzt auch der Fall des AfD-Politikers Dieter Amann, der an einer Sprechstörung leidet. Dass Oliver Welke Amann in der Sendung durch den Kakao zog, war geschmacklos. Und wenngleich sich das ZDF und Welke bei der AfD entschuldigt haben, boten sie der Partei eine unnötig große Angriffsfläche. Die AfD wusste den unglücklichen Vorfall für sich zu instrumentalisieren und forderte die "Entfernung" Welkes aus dem Programm.
Wie viel besser wäre es gewesen, wenn die «heute-show» versucht hätte, die AfD inhaltlich zu stellen? Spitz bleiben ohne dabei Klischees zu bedienen oder Stereotypen zu füttern: Das ist schwierig, erfordert viel Recherchearbeit und dazu noch Kreativität. Natürlich ist es einfach, Angela Merkel als langweilig und ideenlos dahinzustellen, die SPD zur Loser-Partei zu machen und die AfD regelmäßig in der rechten bis braunen Ecke zu verorten. Viel spannender ist es aber, die Vielschichtigkeit der Politik und die genaue Differenzierung gesellschaftspolitischer Probleme als Grundlage für die Gags und Pointen zu nutzen. Nimmt man diese Chance nicht wahr, führt das zu Eintönigkeit.
Wenn die Macher die Marke «heute-show» frisch halten möchten, wird es unumgänglich sein, die Komfortzone der letzten Jahre zu verlassen. Es muss ja nicht gleich das Auslösen einer Staatskrise sein, an dem sich die Autoren versuchen müssen. Klar ist, dass sich die hier geäußerte Kritik auf höchstem Niveau befindet. Trotzdem wäre die «heute-show» gut damit beraten, sich auf dem vorläufigen Höhepunkt ihres eigenen Erfolgs weiterzuentwickeln. Dies nun zu unterlassen, wäre fatal. Denn: Wer in Rosen einschläft, wacht bekanntlich in Dornen wieder auf.
19.03.2018 14:23 Uhr
Kurz-URL: qmde.de/99714
David Grzeschik
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
19.03.2018 19:58 Uhr 1
oder das noch bessere "Mann, Sieber!", sondern eine Satire-Show.
Kleiner, aber feiner Unterschied seit jeher:
Kaberett bedeutet, mit fein formulierten Monologen und Dialogen Nadelstiche zu setzen.
Satire dagegen bedeutet nichts anderes als "Mit dem Hammer obendrauf, oder mittenrein".
Und nichts anderes macht die "heute-Show".
19.03.2018 22:07 Uhr 2
Eigentlich kann man diese Überfallaktionen weglassen, meistens ist es eh unlustig.