Die Videospieladaption «Tomb Raider» überzeugt mit ihrer Hauptdarstellerin, lässt für etwaige Fortsetzungen aber Raum für Verbesserungen.
Filmfacts: «Tomb Raider»
- Regie: Roar Uthaug
- Produktion: Graham King
- Drehbuch: Geneva Robertson-Dworet, Alastair Siddons
- Story: Evan Daugherty, Geneva Robertson-Dworet; basierend auf den «Tomb Raider»-Videospielen
- Darsteller: Alicia Vikander, Dominic West, Walton Goggins, Daniel Wu, Kristin Scott Thomas
- Musik: Tom Holkenborg
- Kamera: George Richmond
- Schnitt: Stuart Baird, Michael Tronick
- FSK: ab 12 Jahren
- Laufzeit: 118 Minuten
Eine Videospielgröße kehrt auf die Leinwand zurück: Die aus den «Tomb Raider»-Titeln bekannte Archäologin Lara Croft. Nachdem 2001 Angelina Jolie in die eng anliegende Kluft der populären Abenteurerin schlüpfte, übernimmt nun Alicia Vikander den Part. Was beiden Schauspielerinnen gemein haben: Sie folgten dem Lockruf des Actionblockbusterkinos, kurz nachdem sie einen Academy Award als beste Nebendarstellerin erhalten haben – Jolie für «Durchgeknallt», Vikander für «The Danish Girl». Während Jolie jedoch durch eine mit übernatürlichen Elementen vollgestopfte, knallige Story stapfte, in dem das Publikum eine wohlhabende, erfahrene Grabräuberin erlebt, mimt Vikander eine andere Lara Croft: Die Lara aus dieser 90-Millionen-Dollar-Produktion ist an die Lara Croft aus dem 2013 veröffentlichten «Tomb Raider»-Reboot angelehnt – eine junge, lebensfrohe, aber auch unerfahrene Frau, die ihr erstes großes Abenteuer erlebt.
Jedoch spielt Vikander nicht schlicht die 1:1-Leinwandadaption dieser Lara Croft – und ebenso wenig ist die Filmhandlung eine kondensierte Version des Spieleplots. Stattdessen bekommen wir es hier mit noch einer neuen Interpretation des «Tomb Raider»-Mythos und seiner Protagonistin zu tun. Das Drehbuch aus der Feder von Geneva Robertson-Dworet und Alastair Siddons übernimmt grobe Züge des 2013 veröffentlichten Games, wie etwa das Inselsetting und die Tatsache, dass die Titelheldin erst noch in die Rolle einer taffen Abenteurerin hineinwachsen muss. Gleichwohl lässt es die meisten weiteren Aspekte der Vorlage fallen. Anstelle des relativ ausgeprägten Survival-Elements des Spiels tritt etwa klassischeres Abenteuerkino-Feeling und der übernatürliche Dreh des Spiels wird rapide heruntergeschraubt. Heraus kommt ein im heutigen Popcornkino unerwartet altmodischer Abenteuerfilm, der weniger auf wildes Spektakel und knallige Kampfszenerien setzt und mehr auf Rennen, Springen, Erkunden und Rätselraten vor Dschungelkulisse.
Was den Start einer potentiellen neuen «Tomb Raider»-Filmreihe ausbremst, ist der Umstand, dass sich die unterhaltsamsten Filmszenen vor dem eigentlichen Abenteuer abspielen: Bevor Lara der Spur ihres vor sieben Jahren verschwundenen Vaters (Dominic West) folgt und eine Insel vor der Küste Japans erkundet, lernen wir sie als sorglose Fahrradkurierin in London kennen. Diese Figureneinführung ist Robertson-Dworet und Siddons mit zügiger Feder gelungen und Regisseur Roar Uthaug («The Wave – Die Todeswelle») inszeniert eine Kurierhatz durch London mit Tempo und dezentem, angebrachtem Witz. Auch ein "Abenteuer vor dem eigentlichen Abenteuer" macht Lust auf mehr:
Eine vor Tatendrang trotzende Lara begibt sich in Hong Kong auf die Suche nach einem der letzten Menschen, mit denen ihr Vater Kontakt hatte. Hier sind es kleine Details, die «Tomb Raider» von austauschbaren Genrevertretern abheben: Lara spricht Passanten auf Englisch an, braucht aber ein paar Versuche, um jemanden zu finden, der sie versteht, und eine kleine Unvorsichtigkeit Laras führt zu einer Verfolgungsjagd durch einen kleinen, ranzigen Hafen. So wird die Charakterzeichnung der Titelheldin vorangetrieben, eine Spur Realismus (oder wenigstens: Plausibilität) in die Popcorn-Unterhaltung gestreut und dennoch die Lust nach Action bedient.
Auf der geheimnisvollen Insel angekommen, geht «Tomb Raider» jedoch etwas Schwung verloren. Dies liegt einerseits daran, dass mit dem Auftreten des fiesen Archäologen Mathias Vogel (bemüht, etwas aus der Rolle rauszuholen: Walton Goggins) ein blasser Schurke das Spielfeld betritt. Vogel kommt schlicht nie so bedrohlich rüber, wie es der Storyduktus verlangt, und auch die mögliche Gefahr in Form des möglicherweise verfluchten Grabes, nach dem Vogel sucht, wirkt nie greifbar.
Dennoch drosselt Uthaug mit Vogels Auftauchen den Spaßfaktor des Films. Zwar rutscht «Tomb Raider» nie ins "Dark and Gritty"-Gefilde ab, trotzdem ist der Mittelteil des Films trockener und ernster geraten, ohne im Gegenzug an Suspense zuzulegen. Dass die Rätsel, denen sich Lara Croft und Co. stellen, meist erschöpft durch den Raum gerufen und ratzfatz angepackt werden, so dass der Mitknobelfaktor niedrig ausfällt, hemmt den Mittelteil des Films weiter.
Positiv sticht derweil hervor, wie viel Uthaug aus seinen 90 Millionen Dollar Budget herausholt: Praktische Elemente wie detaillierte Setbauten sowie reale Schauplätze und digitale Effekte fügen sich sehr gut ineinander und selbst wenn die Computertricksereien aus «Tomb Raider» zu keinem Zeitpunkt atemberaubend sind, so halten sie wenigstens (nahezu) durchweg ein solides bis gutes Niveau. In einer Ära des Blockbusterkinos, in der solche Mammutprojekte wie «Black Panther», «Star Wars – Die letzten Jedi», «Thor – Tag der Entscheidung» oder «Wonder Woman» wiederholt die filmische Illusion brechen, weil es zwischen den ganzen Topeffekten auch absolute Fremdschamausreißer zu erdulden gibt, ist das leider keine Selbstverständlichkeit.
Darüber hinaus überzeugt die Menschlichkeit, mit der Lara Croft hier gezeigt wird: Dass sie gelegentlich einen Sprung vermasselt, ihre Mimik entgleist, wenn sie erstmals aus Notwehr jemandem das Leben nimmt, und im Gegenzug an anderer Stelle vor Freude glüht, sobald ihr endlich eine Verschnaufpause gegönnt ist, macht sie als Figur greifbar. Und diese sympathische, nachvollziehbare Art Laras hilft auch über die Nahaufnahme-Zweikämpfe in dunkler Beleuchtung hinweg, die ähnlich generisch sind wie die Hintergrundmusik des «Mad Max: Fury Road»-Komponisten Tom Holkenborg.
Selbst wenn «Tomb Raider» noch Ausbaupotential übrig lässt, verkauft dieses Stück Abenteuerkino seine Hauptdarstellerin sehr gut als Frontfrau eines möglichen Filmfranchises. Sollte die Produktion also ein Erfolg werden und Vikander zwischen ihren Prestigeprojekten erneut Lust auf Popcorn-Unterhaltung haben: Warum nicht? Sie macht als Lara Croft Laune, und vielleicht hat Teil zwei ein paar Durststrecken weniger? Es gab schon deutlich miesere Filme mit vorzeigbaren Fortsetzungen.
«Tomb Raider» ist ab dem 15. März 2018 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 3D und 2D.
Es gibt 6 Kommentare zum Artikel
15.03.2018 08:47 Uhr 4
Vergeht mir, wenn ich den Trailer sehe.
Nur CGI, sonst nichts.
Habe kürzlich mal wieder Predator gesehen. Das ist Action.
"I have no time to bleed".
Lustig ist aber, daß Sid das hier rezensieren mußte.
Liegt wohl daran, daß Antje ihre Wochenzeilen schon mit Auslösung/Annihilation in nem anderen Mädchenfilm abgearbeitet hat.
Mal ne Frage, gibt es eigentlich den Sid-Index?
Je langweiliger und mainstreamiger der Film, desto öfter kommt das Wort Popcorn vor. Es ist in diesem Fall gelungen, auf einer DinA4 Seite drei mal Popcorn zu schreiben.
Dieser Film hat damit den Sidindex 3, also gähn für alle über 25.
.
15.03.2018 09:24 Uhr 5
Und wenn du schon Erbsen (bzw. Popcornstücke) zählst, dann bitte richtig: Die Kritik ist in Times New Roman, Schriftgröße 12, eineinhalb DIN-A4-Seiten lang.
15.03.2018 20:15 Uhr 6