Autorenfilmerin Lola Randl liefert mit «Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?» ihren mit Abstand grellsten Film ab. Doch 'mehr' im Sinne von 'auffälliger' ist nicht immer 'besser'.
Filmfacts: «Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?»
- Regie und Drehbuch: Lola Randl
- Darsteller: Lina Beckmann, Charly Hübner, Benno Fürmann, Maja Beckmann, Harald Burmeister, Inga Busch
- Produktion: Christine Kiauk, Herbert Schwering
- Kamera: Philipp Pfeiffer
- Schnitt: Andreas Wodraschke
- Laufzeit: 94 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Regisseurin und Drehbuchautorin Lola Randl lässt sich durchaus als Kritikerliebling bezeichnen: Die Genregrenzen als Spielstätte zum Austoben verstehende Filmschaffende stieß mit tonal komplexen Filmen wie «Die Besucherin» und «Die Libelle und das Nashorn» auf sehr positive Resonanz im Feuilleton, mit «Die Erfindung der Liebe» winkte 2016 eine Nominierung für den Grimme-Preis. Randls jüngste Arbeit, die Kinokomödie «Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?», wurde dessen ungeachtet wiederholt verschoben: Zunächst für einen Start im Oktober 2017 vorgesehen, rutschte die Kleinproduktion letztlich in den vor Neustarts geradezu platzenden März 2018, wo sie sich in den Programmkinos dieser Nation unter anderem gegen die zahlreichen nachrückenden Oscar-Filme behaupten muss.
Ob «Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?» gezielt auf einen Starttermin verlegt wurde, wo es nahezu garantiert ist, dass die skurrile Beziehungskomödie untergeht, lässt sich nur freimütig spekulieren. Womöglich ist es auch schon eine dreiste Unterstellung, diesen Gedanken bloß anzuschneiden – immerhin gibt es auch vereinzelt-wohlwollende Besprechungen dieses Films. Gleichzeitig ist es niemandem zu verdenken, wenn diese positiven Kritiken innere Zyniker wecken und die Frage wachrütteln, ob sich da manch jemand von Randls früheren Leistungen hat blenden lassen. Denn dem Filmtitel und der Profession der Hauptfigur zum Trotz gleicht die psychoanalytische Tiefe «Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?» eher einer kleinen Regenpfütze als einem exzentrisch gestalteten Designerpool. Während die Optik wie eine Designer-Regenpfütze anmutet, falls es sowas gibt. Auffällig, dennoch nicht einladend. Was ja nicht weiter schlimm wäre, könnte die Beziehungskomödie dafür auf schlichterer Unterhaltungsbene glänzen …
Im Zentrum des Geschehens steht Paartherapeutin Luisa (Lina Beckmann), die selber längst reif für eine Therapie ist: Die Ehe zu ihrem Mann, dem Makler Richard (Charly Hübner), ist vollkommen leidenschaftslos und prüde geworden, weshalb sie ihre sexuellen Bedürfnisse bei Leopold (Benno Fürmann) stillt – Richards Boss. Die Geheimhaltung dieser Affäre gelingt Luisa und Leopold eher durch schieres Glück und Richards treudoofer Natur als durch ernstzunehmende Anstrengungen. Und eben dieses Zwischen-zwei-Liebesleben-hängen zerrt an Luisas Nerven. Als sie eines Morgens neben einer Doppelgängerin aufwacht, ist Luisa entsprechend irritiert. Die behelfsmäßig Ann getaufte Gestalt sieht aus wie Luisa und agiert wie eine unbedarft-naive, weltunerfahrene Version Luisas.
Nachdem sie diese sonderbare Situation verdaut hat, nutzt Luisa die Existenz Anns, um sich ihr Doppelleben zu vereinfachen. Ann soll in unschuldig-verliebter Form Richard bei Laune halten, während Luisa Sexeskapaden mit Leopold auskostet. Richard wird nicht nur erfolgreich hinters Licht geführt, sondern glüht geradezu vor Glück über "Luisas" plötzlich so goldig-kindliches Verhalten. Die reale Luisa nimmt das nur kurzzeitig froh zur Notiz – dann kocht die Eifersucht hoch …
Die Erkenntnisse dieses in Form eines in grellen Farben gehaltenen, vor künstlich-undimensionierter Kulisse spielenden Films daherkommenden psychotherapeutischen Experiments sind rasch zusammengefasst: Wir wollen das, was wir nicht haben können. Und Beziehungen geraten durch die Konfrontation mit unserem früheren Ich ebenso sehr ins Trudeln wie durch das Beibehalten unserer jetzigen Form. Radl spart sich die argumentativen Hinleitungen, Gegenprüfungen oder Lösungsansätze – und kloppt ihrem Publikum Luisas Eifersuchtseskapaden und Unfähigkeit, mit ihrer naiven Form Ann umzugehen, in brachial-klamaukiger Form über den Schädel. Womöglich ist dies ihr wahres Psychoexperiment, aber wenn dem so ist, entschädigt dies noch immer nicht für das grotesk-holprige Spiel, zu dem sie ihre Darsteller drängt, oder für die langgezogenen, sketchartigen Szenen, deren Schlusspointen sich polternd ankündigen.
Gewiss: Beckmann schafft es in den raren, entspannteren Momenten von «Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?» fast, diese wiederholt mit gewollt-schäbigen Trickeffekten gespickte Komödie auf Kurs zu bringen. Wenn sie als Luisa oder Ann innehält und den nächsten Schritt überlegt, findet die Mimin einen Dreh, um den Spagat zwischen wilder Übertreibung und Figurenskizzierung hinzulegen. Doch der überwältigende Löwenanteil von «Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?» besteht daraus, dass Luisa ebenso überbordend agiert wie Ann, nur dass Ann nebenher über ein begrenztes Vokabular verfügt. Das Abgleichen beider Versionen dieser Figur gerät somit witzlos – und der Erkenntnisgewinn, der sich aus Anns "Verderben" und Luisas Kontrollverlust ziehen lässt, passt auf einen Designer-Bierdeckel.
Benno Fürmann und Charly Hübner, die beide keine Fremden in Sachen fiebrig-übertriebener Performances sind (spielte Fürmann doch z.B. in der Neonazi-Farce «Heil» und Hübner in Detlev Bucks «Bibi & Tina» mit), scheitern hier derweil völlig daran, das grobschlächtige Drehbuch in eine launig-irre Form zu bringen. Die repetitive Musikuntermalung tut den Darstellern auch keinen Gefallen, überlagert sie doch mit ihrer aggressiven Wirkung mehrmals das eh schon cartoonige Spiel des Ensembles. Dass Radl die überbordende Ästhetik und das nicht minder knallige Schauspiel nicht für sich stehen lässt, sondern die Figuren auch noch wiederholt den letzten Rest an Subtext ausformulieren, hemmt das Unterhaltungspotential von «Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?» weiter. Schließlich lautet ein altes Comedy-Gesetz nicht ohne Grund, dass man Witze nicht erklären sollte.
Immerhin: «Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?» versucht, dem oft bedienten Genre der Beziehungskomödie inhaltlich und stilistisch Neues abzugewinnen. Und es kann der Filmwelt nicht schaden, wenn Regisseurinnen und Regisseure abstruse Versuche wagen, statt einfach einen schablonenhaften Film zu verwirklichen. Das ändert allerdings nichts daran,
dass das Filmjahr 2017 mit «Einsamkeit und Sex und Mitleid» bereits die spitzfindigere Version von «Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?» vorgelegt hat, gegen die dieser Film nur verblassen kann. Auch «Einsamkeit und Sex und Mitleid» hat ein knalliges Äußeres, Schlaghammer-Dialoge und ungestüme Kommentare über das ewige Leid Beziehungsstress zu bieten – ist optisch jedoch kunstvoller verwirklicht und in seinem Clash aus hohem Anspruch und banaler Unterhaltung wesentlich überraschender sowie abwechslungsreicher.
Selbst, wenn es nicht zutrifft: Es ist fast so, als sei «Einsamkeit und Sex und Mitleid» aufgewacht und hätte plötzlich seinen simpleren, ahnungsloseren Doppelgänger vorgefunden. Nur dass in diesem Fall das Original nicht unter der Existenz der "Kopie" zu leiden hat.
«Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?» ist ab dem 8. März 2018 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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