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«Good Girls»: «Desperate Housewives» meets «Reservoir Dogs»

Drei verzweifelte Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs rauben einen Supermarkt aus: traurig, kurios und zum Schreien komisch. Mit «Good Girls» ist NBC eine sehr gute Dramedy-Mischung gelungen.

Cast & Crew

Produzent: Minnesota Logging Company und Universal Television
Schöpfer: Jenna Bans
Darsteller: Christa Hendricks, Retta, Mae Whitman, Matthew Lillard, Reno Wilson, Manny Montana, Lidya Jewett u.v.m.
Executive Producer: Jenna Bans, Dean Parisot, Jeannine Renshaw und Sarah Stennett
Mit verzweifelten Frauen kennt sie sich aus: Jenna Bans, die nun «Good Girls» für NBC erfunden hat, war zuvor jahrelang als Autorin bei den «Desperate Housewives» beschäftigt und dort für einige besonders positiv besprochene Episoden verantwortlich. Das Milieu des NBC-Neustarts ist ähnlich, auch der Duktus weist gewisse Parallelen auf, und doch findet «Good Girls» schnell einen eigenen Ton und eine ganz eigene Balance zwischen dem Komischen und dem Tragischen.

Der Plot scheint auf den ersten Blick schnell erzählt: Drei Frauen jenseits der Dreißig und nicht mehr weit weg von der Vierzig rauben in ihrer allgemeinen Verzweiflung einen Supermarkt aus. Alle drei haben sie hehre Motive: Beth Bolands (Christina Hendricks) nichtsnutziger Ehemann, mit dem sie seit zwanzig Jahren verheiratet ist und vier Kinder hat, knallt seine bumsdumme, aber attraktive Assistentin und hat das Vermögen der Familie bei windigen Geschäften verschleudert, sodass nun vielleicht sogar das Haus unter den Hammer kommt. Ihre jüngere Schwester Annie (Mae Whitman. Her?) könnte derweil das Sorgerecht für ihr geliebtes Kind an ihren Ex-Mann verlieren, während der Umstand, dass ihr schmieriger christlicher Vorgesetzter ihr bei ihrem abstoßenden Mindestlohn-Drecksjob im Supermarkt Avancen macht, nichts Positives zu ihrem Lebensglück beiträgt. Die gemeinsame Freundin Ruby (Retta) fürchtet derweil gar um das Leben ihrer Tochter, die kurz vor dem Nierenversagen steht. Die Chance, um eine lebensbedrohliche Transplantation herumzukommen, hätte sie nur mit einem neuen Medikament, das aber nicht von Rubys Krankenversicherung übernommen wird und noch dazu exorbitant teuer ist.

Auf perverse Art klingt der Plan sogar überzeugend: Vor der Tat können die Drei noch bei unauffälligen Einkaufstouren auskundschaften, wo genau die Sicherheitskameras sind. Der fettleibige und tollpatschige Sicherheitsmann stellt kein ernstzunehmendes Hindernis dar. Und noch dazu hat Annie jede Menge Insiderwissen, mit dem die Chancen, ungeschoren davonzukommen, auch bei rationaler Betrachtung gar nicht so schlecht stehen. Zudem scheint bei einer geschätzten Beute von um die dreißigtausend Dollar fraglich, wie engagiert die Geschädigten und die örtlichen Justiz- und Ermittlungsbehörden den Fall verfolgen werden.

Das böse Erwachen kommt nach der Tat: Denn die Beute ist viel zu hoch – und bald stellen die drei «Good Girls» fest, warum, als finstere, tätowierte Gestalten bei Beth in der Küche stehen und mit (diesmal echten) Pistolen herumfuchteln. Die Dramaturgie gibt die Marschrichtung klar vor: Beth, Annie und Ruby reiten sich immer weiter in die Scheiße, während ihr Umfeld bereits erahnen lässt, wohin die Reise noch gehen könnte: Rubys Mann arbeitet bei der Polizei und Annies Sohn hat nicht nur für sein Alter erstaunliche intellektuelle Ressourcen.

Die Serie schert sich nicht sonderlich darum, dass ihre Prämisse völlig abstrus ist – und gleichzeitig nimmt sie ihre Figuren sehr ernst und würde sie trotz aller Absurditäten nie zum Spott freigeben; anders als wenn diese Serie etwa aus der Feder von Ryan Murphy stammen würde. Jenna Bans dagegen erzählt sehr bedacht, sehr nah an ihren Charakteren, die sie nur selten zu offensichtlich und zu didaktisch als kaum noch verklausulierte Allegorien auf feministische Ideale zeichnet.

Noch dazu ist bereits die erste Episode reich an zum Schreien komischen Momenten, die wunderbar genüsslich inszeniert sind und in denen sich das große komödiantische Talent der drei Hauptdarstellerinnen voll entfalten kann. Die Mischung ist krude – man könnte sie als: „«Reservoir Dogs», die Soap“ umschreiben – und doch ist in den letzten Jahren im Network-Fernsehen seltener eine gelungenere Balance zwischen sanfter Ironie und einfühlsamer Erzählhaltung gefunden worden.

Die Serie läuft in Amerika bei NBC, einen deutschen TV-Partner gibt es (noch) nicht.
04.03.2018 06:01 Uhr Kurz-URL: qmde.de/99424
Julian Miller

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Desperate Housewives Good Girls Reservoir Dogs

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