Am Dienstagabend startet ZDFneo eine neue Serie mit Josefine Preuß und Sebastian Fräßdorf. Die ist trotz vieler Klischees ziemlich witzig – und sehr berlinerisch.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Sebastian Fräßdorf als Jonas Renner
Josefine Preuß als Wiebke Busch
Tim Kalkhof als Basti Hülz
Marie Rathscheck als Jenny Reimann
Hinter der Kamera:
Produktion: ITV Studios Germany GmbH
Headautor: Markus Barth
Autoren: Markus Barth und Lars Albaum
Regie: Christoph Schnee
Kamera: Diethard Prengel
Produzenten: Imre von der Heydt und Frederik Hunschede“In Berlin, da darf man das“ – ein Satz, den die Vorspannmusik so mantraartig wiederholt wie die Kreuzberger Latte-Macchiato-Muttis ihre „Ommmmms“ beim glutenfreien Joga-Nachmittag. Er will unverkennbar das Leitmotiv dieser Serie sein, genauso wie ihr Titel hinsichtlich der Lebensrealität ihrer Hauptfiguren in zwei Richtungen interpretierbar ist: beruflich wie privat.
Jonas Renner (Sebastian Fräßdorf) und Wiebke Busch (Josefine Preuß) sind ein semi-erfolgreiches Autorenpaar, beide so um die Dreißig, ungebunden, ehemals liiert, nun getrennt, aber doch ein bisschen aneinander hängend, weltoffen und liberal sowieso, intelligent und schlagfertig auch, und in ihrer Angst, irgendwann nach Brandenburg weggentrifiziert zu werden, geeint in einer hauptstädtischen Paranoia vor dem Provinziellen. Als Jens Spahn vor einigen Monaten seinen abstoßend-schulmeisterlich-rechtskonservativen Artikel über junge, elitäre Berliner Parallelgesellschaften geschrieben hat, die sich über ihre vorherrschende Verwendung der englischen Sprache ähnlich wie höfische Gesellschaften im achtzehnten Jahrhundert mit dem Französischen von den weniger gebildeten Schichten abgrenzen wollten – genau solche Leute hat er gemeint.
Damit Jonas und Wiebke aber auch noch in Wetter an der Ruhr und Würselen für emotionale Bezugspunkte taugen, hat man ihnen zwei Nebencharaktere zur Seite gestellt, die die Berliner Klischees noch umfangreicher und selbstverständlicher übererfüllen: Basti (Tim Kalkhof), Jonas‘ sexuell äußerst aktiver schwuler Mitbewohner, schlägt sich in Gelegenheitsjobs durch, unter anderem als Koch in einem katholischen Seniorenheim, um das christliche Geld anschließend in der Berghainer Hemmungslosigkeit zu vervögeln. Und Jenny (Marie Rathscheck), gerade von einem New-York-Trip mit ihrem Boyfriend zurückgekehrt und nun frisch getrennt, stürzt sich unaufhörlich in typisch berlinerische Berufe und Geschäftsideen: glutenfreie, vegane Kekse für Hunde backen und Yoga-Videos für YouTube produzieren. Damit die Berliner Luft noch ein bisschen mehr nach Berlin riecht, trifft sich die Meute gerne in einem etwas heruntergekommenen Café um die Ecke, dessen Schrammeligkeitsgrad mittlerweile ausreichend ist, um als cooler Hipster-Treff durchzugehen: Dazu passend auch sein Betreiber, ein in die Jahre gekommener verhinderter Autor, dessen letzte und einzige Buchveröffentlichung (ein exzentrischer Beziehungsratgeber) noch in D-Mark abgerechnet wurde.
In der Eröffnung sitzt nun also das Autorenpaar Jonas und Wiebke bei irgendeiner dieser schrecklich frustrierenden Drehbuchbesprechungen mit einem Redakteur, der ihnen ganz fürchterliche Vorschläge macht. Geplant war ein Format mit Protagonisten um die 30 in Berlin, aber muss es denn Berlin sein? Und wieso schon wieder Junge, wieso nicht einmal Alte? Und wieso überhaupt mit Menschen? Schließlich wird aus dem ursprünglichen Konzept eine Sendung über eine Puppen-WG in Wuppertal, bevor Wiebke voll heruntergeschluckter Wut einen Bleistift zerbricht und das Meeting abbläst. Der Autorenstolz ist zu groß, um diese Mischung aus völliger Unfähigkeit und grenzenloser Selbstsicherheit mitzumachen. Doch dann erwischt sie sie wieder, die Angst vor Brandenburg. Und so bewirbt sie sich doch wieder bei irgendwelchen hippen Stadtmagazinen und schreibt mit Nicht-mehr-aber-vielleicht-doch-bald-wieder-Boyfriend Jonas witzige Werbesprüchlein für die Berliner Müllabfuhr, während er sich mit depperten Sketchen für die Helene-Fischer-Ostern-Show über Wasser hält. Das Sitcom-Drehbuch für RTL wird unterdessen abgelehnt: zu wenige Polenwitze. Genauso wie das Sketchkonzept für’s Erste: zu viele Polenwitze.
Dabei wird schnell offenbar: Für die Trends unter der Käseglocke Fernsehen hat die Serie ein besseres Auge als für ihre ständige Beackerung des Berliner Biotops. Denn Berlin ist in «Nix Festes» nicht nur Spielort, sondern der Kitt, der die Narrative zusammenhalten soll. Doch durch die hemmungslose Aufsummierung der Stereotypen erhält das Thema Berlin leider ausschließlich eine parodistische Präsenz. Quinoa-Kekse und Jutebeutel, gewaltfreies Kickboxen und lesbische Bowlingtourniere, Berghain und Brandenburg-Phobie. Jedes Buzzword musste rein. Doch das macht im Ergebnis eben (noch) keine coole, hippe, trendige Serie über einen coolen, hippen, trendigen Ort, sondern eine Serie, die penetrant cool, hip und trendig sein will. Und so karikiert sie munter allerhand Berliner Klischees, die den Berlinern zumindest in der hier dargebotenen Reinform eher von Ahaus-Ottensteinern zugeschrieben werden als dass sie eine gelungene Selbstreferenz wären.
Überspitzt und etwas zynisch formuliert: «Nix Festes» ist ein «Berlin – Tag und Nacht» von Menschen und für Menschen, die lesen und schreiben können. Wo bei RTL II eine ungebildete Unterschicht ihre Nichtigkeiten verwaltet und im aggressiven Duktus miteinander agiert, sitzen in «Nix Festes» die Latte-Macchiato-Thirtysomethings beim gescheiterten Autor im Café und hämmern Gebrauchsliteratur für Behörden in ihre Laptops.
Natürlich ist «Nix Festes» nicht nur aus produktionsästhetischer Sicht meilenweit von der Scripted-Reality-Zumutung «Berlin – Tag und Nacht» entfernt: Die Drehbücher haben oft Witz, die Figuren sind durchdacht und mit einer gewissen erzählerischen Ambition entworfen, während Sebastian Fräßdorf und Josefine Preuß als charmantes Hauptdarsteller-Duo sehr gut gefallen können. Doch «Nix Festes» hat tatsächlich ein ähnliches Grundproblem wie die Fake-Doku von RTL II: ein einseitiges Bild von Berlin, nur eben angesiedelt am anderen Ende der Gesellschaft.
Es ist vielmehr das betont Moderne und der schier unbedingte Wille, auf der Höhe der Zeit zu erzählen, was diese Serie trotz oft unbestreitbar guter Einfälle meistens etwas altbacken aussehen lässt: Man denke an Jonas‘ und Wiebkes Versuch, aus ihrer getrennten Beziehung ein Friends-with-Benefits-Verhältnis zu zimmern – eine
Storyline, die das amerikanische «Seinfeld» vor weit über zwanzig Jahren bereits komödiantisch treffsicherer und vor allem moderner erzählen konnte als «Nix Festes».
Dieser Gedanke führt zu einem systemischen Problem dieser Serie: Die Autoren hatten unbestreitbar eine ehrliche Freude an ihren Figuren, erzählen sie liebevoll und stilsicher. Doch die Überstilisierung der Berlin-Klischees macht aus ihnen doch unzweifelhaft Karikaturen, was zulasten ihrer Individualität als Charaktere geht. In Berlin, da darf man das. Muss man aber nicht. Und damit zurück nach Brandenburg.
ZDFneo zeigt «Nix Festes» dienstags, ab dem 27. Februar um 22.45 Uhr. Alle vier Folgen sind ab diesem Tag bereits in der ZDFMediathek abrufbar.
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