Die glorreichen 6 – Bemerkenswerte Regiedebüts (Teil II)
Es gibt zahlreiche denkwürdige Regiedebüts – Quotenmeter.de präsentiert einen bunten Querschnitt aus Filmen, mit denen Regisseure direkt zu Karrierebeginn eine Marke gesetzt haben. Wie Gabe Klinger mit «Porto».
Die Handlung
Filmfacts: «Porto»
Buch und Regie: Gabe Klinger
Darsteller: Anton Yelchin, Lucie Lucas, Paulo Calatré, Françoise Lebrun, Florie Auclerc-Vialens
Kamera: Wyatt Garfield
Schnitt: Gabe Klinger, Géraldine Mangenot
Veröffentlichungsjahr: 2016
Laufzeit: 76 Minuten
FSK: ab 6 Jahren
Porto, die alte portugiesische Hafenstadt mit ihrer mysteriösen, fast morbiden Atmosphäre ist der Ort, an dem Jake (Anton Yelchin) und Mati (Lucie Lucas) aufeinandertreffen. Beide sind fremd in der Stadt, beide sind Außenseiter, und beide sind auf der Suche. Als sie sich begegnen, ist es Anziehung, ja, Liebe auf den ersten Blick. Fremd, doch zugleich vertraut, stürzen sie sich Hals über Kopf in eine Affäre. Es ist nur eine einzige Nacht, die sie miteinander verbringen. Aber die Zeit scheint still zu stehen.
Mit Blicken, Gesten und Worten schaffen sie eine geheimnisvolle und doch unauflösbare Verbindung. Die Vergangenheit lässt sich nicht zurückholen, aber die glücklichen und leidvollen Erinnerungen hinterlassen bei beiden ihre Spuren. Für immer.
Der Regisseur
Streng genommen ist «Porto» gar nicht das Regiedebüt des 35-jährigen Brasilianers Gabe Klinger. Vor dem mit Anton Yelchin besetzten Liebesdrama hat er eine Dokumentation über Richard Linklater inszeniert - das würde nicht zuletzt die Parallelen zwischen seinem aller ersten Spielfilm und Linklaters bekannter «Before»-Trilogie erklären. Der gebürtig aus São Paulo stammende Klinger hat sich Einiges von seinem texanischen Kollegen abgeschaut. «Porto» vereint ebenjene Leichtigkeit und Melancholie, für die auch Linklaters Werke so bekannt sind.
Für seine Dokumentation wurde Klinger bereits in Venedig ausgezeichnet. Drei Jahre später zeigt sich, dass der Filmemacher mit dem Schritt in Richtung des fiktiven Erzählens einen richtigen Schritt gewagt hat. Für «Porto» wurde Klinger insgesamt für elf verschiedene Filmpreise nominiert. Offenbar kein Anreiz für ihn, sich bereits dem nächsten Projekt zu widmen. Klinger, der «Porto» nicht bloß als Regisseur, sondern auch als Autor, Produzent und Editor betreut hat, hat aktuell keinen neuen Film angekündigt und scheint sich (erstmal) als One-Hit-Wonder zu gefallen. Der Filmemacher gefällt außerdem als sehr bodenständiger Zeitgenosse, der sich in Interviews sympathisch gibt und über soziale Medien den Kontakt zu Fans und Filmschaffenden sucht. Wir sind gespannt, was er auf «Porto» folgen lässt
Die 6 glorreichen Aspekte von «Porto»
«Porto» ist wie eine Symbiose aus Richard Linklaters «Before»-Trilogie und den assoziativen Kinocollagen eines Terrence Malick («Song to Song»): Wir sehen einer Liebe dabei zu, wie sie vorsichtig aufkeimt, hören den beiden Protagonisten abwechselnd dabei zu, wie sie sich gegenseitig tragende, jedoch nie konstruiert wirkende Worte und Zitate entgegen hauchen und bekommen zwischenzeitig wunderschöne Bildmontagen der malerisch-pulsierenden Stadt Porto zu sehen, die wie keine zweite die brodelnde Stimmung zwischen den Hauptfiguren widerspiegeln könnte. Trotzdem erweist sich die Atmosphäre als nicht minder verspielt – Jake und Mati liefern sich zunächst einen zurückhaltenden Machtkampf, eh sie schließlich atemlos übereinander herfallen und sich im Zuge einer ausgiebigen, ästhetisch gefilmten und nie voyeuristischen Sexszene Orgasmus um Orgasmus bescheren.
Es ist im wahrsten Sinne des Wortes der Höhepunkt dieser kurzen aber heftigen Liaison, doch der Zuschauer kennt den Ausgang der Geschichte längst. In drei Akten schildern Gabe Klinger und sein Co-Autor Larry Gross («Veronika beschließt zu sterben») die Ereignisse episodenhaft: Wir sehen das Paar gemeinsam, entnehmen den Leinwandgeschehnissen das erste Kennenlernen, das Aufeinandertreffen von Jake und Matis Ehemann, dann springt «Porto» plötzlich zu den Aufnahmen einer Hochzeit – doch es sind nicht Jake und Mati, die heiraten, sondern es ist die Vorschau auf die Heirat von Mati und ihrem João (Paulo Calatré), der sie, so erfahren wir nach dem nächsten großen Sprung, schon bald mit ihrer gemeinsamen Tochter hat sitzen lassen. Wenn wir im nächsten Moment weiter an der Ausgangsnacht in Porto teilhaben dürfen, sehen wir die Ereignisse plötzlich mit ganz anderen Augen.
Dabei nicht in einen abwertenden Zynismus zu verfallen, ist die große Kunst von Gabe Klinger, der trotz der frühzeitigen Offenbarung des nicht vorhandenen Happy Ends weiterhin an der Ernsthaftigkeit dieser vermeintlichen Liebe festhält. Er inszeniert die Nacht als magischen Moment und als Aneinanderreihung von Unendlichkeiten, die Mati und Jake niemals genommen werden können. Die ausgetauschten Literaturzitate, die Liebesschwüre und Fragen wie diese, ob man sich denn „um den Verstand ficken“ könne, wirken zu keinem Zeitpunkt übertrieben oder gar kitschig. Stattdessen gehen die Macher voll darin auf, ihren beiden Hauptdarstellern in ihrer intuitiven Spielweise beim Entdecken ihres Gegenübers zuzusehen. Die verträumten Blicke, das hinreißende Lächeln, die flüchtigen Berührungen und das Verschmelzen der beiden Körper zu einem besitzen eine Intensität, von der die Pärchen gängiger Hollywood-Romanzen noch etwas lernen können. Und obwohl der Zuschauer früh weiß, dass es bei dieser einen Nacht bleiben wird, dass sich Mati für einen Anderen entscheidet und ihrer nächtlichen Bekanntschaft später sogar verbietet, sich ihr zu nähern, hat man das Gefühl, hier tatsächlich einer unendlichen Liebe zugesehen zu haben.
Am Ende von «Porto» steht der Schriftzug „Für Anton“ auf der Leinwand – der im vergangenen Jahr unter tragischen Umständen verstorbene Anton Yelchin («Green Room») erlebt diesen Film als Aufbewahrungsort einer seiner letzten Rolle nicht mehr mit. Dabei ist es vermutlich die beste seiner viel zu kurzen Karriere – schüchtern und verletzlich, vom körperlichen Auftreten her kaum einer Altersklasse zuzuordnen, tänzelt er melancholisch durch das nächtliche Porto und verfällt der wunderschönen Lucie Lucas («Clem») auf den ersten Blick, die tough und zärtlich die Führung über diese Liebesgeschichte übernimmt. Zu gern lässt sich Mati von Jake die Umzugskartons in die Wohnung tragen, während sie sich im nächsten Moment in die Arme ihres Liebhabers fallen lässt und ein anderes Mal ganz freimütig von ihrer letzten Beziehung erzählt.
Mati präsentiert sich zurückhaltend und doch wie ein Gentleman. Die Faszination für sein Gegenüber ist ebenso nachvollziehbar wie die Hoffnung darauf, aus dieser einen Nacht könnte mehr entstehen. Vielleicht sogar die Liebe seines Lebens. Als Zuschauer gönnt man dem Paar ihr Happy End von Herzen – und zwar sogar dann noch, wenn man längst weiß, dass alles verloren ist. Das ist traurig, schön und traurig schön – wohl auch, weil wir uns alle die Liebe unseres gottverdammten, kleinen Lebens wünschen.
«Porto» ist auf DVD erschienen sowie via Amazon, maxdome, iTunes, Google Play, Rakuten, videociety und Videoload abrufbar.
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