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Wie «The Walking Dead» sich im Zombie-Genre inhaltlich verirrte

Seit Staffel sieben verlor die AMC-Serie massiv an Qualität und Zuschauern. Die Gründe liegen in der horizontalen Orientierung des Formats, das seinem eigentlichen Genre damit nicht mehr treu blieb.

«The Walking Dead» stand lange Zeit unangefochten an der Spitze des Serien-Olymps. Vielleicht erreichte «The Big Bang Theory» im frei empfangbaren Fernsehen mehr Zuschauer, vielleicht wurde über «Game of Thrones» mehr diskutiert, die Zombie-Serie aber, welche als solche eigentlich gar nicht für die breite Masse ausgelegt ist, dominierte dort mit zeitweise durchschnittlich fast 15 Millionen Zuschauern pro Folge Die frühen 2010er Jahre kennzeichneten damit so etwas wie die goldenen Jahre für US-Sender AMC. 2008 debütierte dort «Breaking Bad», das zwar in seinen ersten vier Staffeln nicht einmal ansatzweise Zuschauererfolge auf dem Niveau des später erscheinenden «The Walking Dead» feierte, aber bereits als die vielleicht beste Serie aller Zeiten gehandelt wurde. Dann kam der 31. Oktober 2010 und die Premiere von «The Walking Dead» traf den Zeitgeist wie den Nagel auf den Kopf.

Von durchschnittlich 5,24 Millionen Zuschauern in Staffel eins schraubte der Genre-Mix aus Apokalypsen-Drama und Zombie-Horror seine Reichweite in Windeseile auf die zuvor erwähnten durchschnittlich 14,40 Millionen Interessenten in Staffel fünf empor. Es folgten mittlere 13,15 Millionen in Staffel sechs, 11,34 Millionen in Staffel sieben und nach der ersten Staffelhälfte der achten Season: Nur noch 8,63 Millionen. Auch die Quote in der Zielgruppe der 18- bis 49-Jährigen fiel in der am 22. Oktober 2017 gestarteten achten Runde um knapp 30 Prozent. Was war geschehen?

«The Walking Dead»: Inhaltlich so träge wie seine Zombies


Nicht mehr ganz so überraschend wirkt das rapide sinkende Zuschauerinteresse beim Blick auf den Kritikerspiegel und auf die Meinungen der Zuschauer im Rahmen dieser und der vergangenen Staffel. Schon in Staffel sieben waren sich Kritiker einig, dass sich die AMC-Serie trotz erhöhter Charaktertiefe und effektivem World-Building nimmermüde auf exzessive unbegründete Gewalt vertrauen würde. Die inhaltliche Kritik von Fans ging freilich noch wesentlich tiefer. Schon nach der siebten Staffel und vor der 100. Episode, die «The Walking Dead» im Rahmen des Staffelauftakts von Season acht hinter sich bringen würde, fühlte sich der Run der Zombie-Serie sich wesentlich länger an.

Während andere exzellent besprochene Formate wie HBOs «Game of Thrones» oder FX‘ «The Americans» zu dieser Zeit ihre finale Staffel ankündigten, sprachen die Macher von «The Walking Dead» schon munter über weitere 100 Episoden. Die Eckpfeiler einer möglichen elften oder zwölften Staffel habe man schon im Kopf, erzählten die Verantwortlichen und strahlten dabei eine ungemeine Sorglosigkeit aus, als etliche frühere Fans des Formats sich schon frustriert davon abgewendet hatten. Schenkt man der großen Kritik der Fans Gehör, sollten die Produzenten nun lieber in wesentlich kleineren Schritten denken, denn nach der für viele Zuschauer enttäuschenden siebten Staffel, zeigte bereits der Auftakt von Staffel acht, dass sich das Format im Kreis dreht und dabei träge vor sich hinschlurft wie die darin abgebildeten Zombie-Horden.

Skurrilerweise bekam man die Unmengen von Untoten in der jüngeren Seriengeschichte aber kaum zu sehen. Was einst noch für eine lauernde, existenzielle Bedrohung stand, wurde in der Zwischenzeit zu Requisiten degradiert, die irgendwo im Hintergrund voreinander herziehen oder zusammengetrieben werden wie Nutztierherden auf einem Bauernhof. Man musste sich fragen: Trifft die Bezeichnung „Zombie-Serie“ überhaupt noch zu, wo doch mit der Zeit immer öfter Menschen die Untoten als Hauptantagonisten ersetzten? Zwar begegnete die Menschengruppe um den früheren Sheriff Rick Grimes auf ihrem Weg immer mal wieder menschlichen Gegnern, von der tickenden Zeitbombe Merle Dixon bis hin zum verrückten Governor, aber der endgültige Antagonistenwechsel folgte mit der Einführung des aktuellen Schurken Negan im Finale der sechsten Staffel.

Warum klassische TV-Formeln die Serie zum Scheitern verurteilten


Der Drang, die Geschichte irgendwie auf mehr als die Flucht vor seelenlosen Zombies zu erweitern, ist aus Sicht der Autoren verständlich. Allerdings verlor die Serie auf diese Weise viel von dem Grauen und der Emotionalität, die sie einst auszeichnete. Beim Versuchs Ricks, verschiedene Überlebendengruppen gegen Negans raubtierhafte Saviors zu vereinen, blieben nur Plattitüden über die Errichtung von Gemeinschaften oder die ethischen Aspekte menschlicher Selbsterhaltung übrig, wobei zumindest Kamera und Produktionswert der Serie auf einem recht hohen Niveau blieben. Doch auch hier mussten Zuschauer Abstriche machen, beispielsweise als gleich zu Beginn der achten Staffel Rick, Maggie und Ezekiel einen Angriff auf die Saviors verüben, der in Sachen Action deutlich unter den Standards der Vorstaffeln lag.

Auch strukturell manövrierte sich «The Walking Dead» in ein Niemandsland zwischen kürzeren Kabel- und Streaming-Formaten und längeren episodisch ausgestrahlten Serien. Vielleicht findet sich im AMC-Format das Paradebeispiel in der TV-Formulierung „jump the shark“, der Überschreitung des qualitativen Zenits. Statt rechtzeitig den Absprung zu schaffen, erzählt «The Walking Dead» noch immer unbeirrt eine dicht serialisierte Geschichte ohne Ende in Sicht. So setzen die Macher, die ihre Augen vor der Kritik der Fans verschließen zu scheinen, das Vermächtnis einer Serie aufs Spiel, nur weil diese sicher noch mindestens zwei Staffeln lang gute Erträge bringen würde.

Was die Serie in ihren früheren Staffeln so furchteinflößend machte, waren nicht etwa die Gewaltdarstellungen, sondern die fast sicher scheinende Auslöschung, der sich die menschlichen Überlebenden Woche für Woche ausgesetzt sahen. Die Macher stolperten fortan über die Regeln des serialisierten Erzählens, die auf das Genre eines Zombie-Apokalypsen-Dramas nicht anwendbar waren. Zwar entwickelte sich die Serie natürlich und teilweise realistisch voran, die politischen, philosophischen oder religiösen Gleichnisse, die «The Walking Dead» statt des Zombie-Horrors immer wieder aufwarf, waren jedoch ein blasser Ersatz für die nervenaufreibende Überlebensgeschichte und etwas, das Zuschauer einer Serie aus dem Zombie-Genre schlicht nicht nachfragen.

Auch das Midseason-Finale im Dezember 2017 ließ keine Besserung sichtbar werden: Forcierte Geschichten, unglaubwürdige Wendungen und schließlich die vermeintlich lebensbedrohliche Verletzung eines beliebten Charakters ließen Fans weiter die Köpfe schütteln. Die Zombies verkamen weiter zur Randnotiz. Der Rückblick auf die Staffelpremiere, in der ein alter, zauseliger Zukunfts-Rick gezeigt wurde, lässt Schlimmes erahnen. Sollten die „flash forwards“ ernst gemeint sein, könnte vor «The Walking Dead» noch ein langes, zombieartiges Schlurfen in inhaltlichen Kreisen liegen, bevor die Serie ein Ende findet.
28.02.2018 11:21 Uhr Kurz-URL: qmde.de/99273
Timo Nöthling

super
schade

34 %
66 %

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Tags

Breaking Bad Game of Thrones The Americans The Big Bang Theory The Walking Dead

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Es gibt 10 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
28.02.2018 18:39 Uhr 8
Warte doch mal ab....vielleicht kommts ja doch ganz andrs, als man denkt!! Bis jetzt war Gimple der Chef, wenn jetzt diese Neue kommt, wer weiß, was Sie für Neue Idden hat!?
kauai
01.03.2018 07:43 Uhr 9


Neuausrichtung mit dem bisherigen Showrunner und Neuausrichtung mit einem anderen können schon 2 paar Schuhe sein. Ich finde ja, daß es unter Scott Gimple stetig bergab ging. Anfangs nicht so stark wie jetzt zum Schluß. Deshalb setze ich schon meine Hoffnung in den Wechsel, wobei die wieder leicht getrübt wurde als klar war, daß es eine Mitarbeiterin aus Gimple´s Team wird. Der größte Fehler war meines Erachtens, dass die Beißer keine große Gefahr mehr darstellen und nur noch als Randerscheinung oder Mittel zum Zweck dienen. Auch wenn man Negan vs. Rick in den Mittelpunkt stellt, hätte man die Beißer schon noch etwas gefährlicher darstellen können.



Natürlich wird sich eine Endzeit-Zombie-Story immer irgendwo etwas im Kreis drehen. Deshalb hätte ich es auch vor 25 Jahren nie für möglich gehalten, daß wir in diesem Genre Mal eine TV-Serie erleben, die zeitweise so durch die Decke schießt und von der es mindestens 9 Staffeln gibt.



Letztlich wird es in einer TV-Serie immer ein paar Bösewichte geben (im Endzeit-Szenaio auch eher ein paar mehr) denn es wird wenige Zuschauer geben, die sich über mehrere Staffeln anschauen wollen, wie alle Gruppen friedlich zusammen leben und Ackerbau und Viehzucht betreiben.
Vittel
01.03.2018 09:48 Uhr 10


So wie die Beißer von Anfang an dargestellt wurden, sind sie für eine organisierte Gruppe mit festem Wohnsitz halt auch keine Gefahr mehr, außer sie treten in riesigen Horden auf.



Die Intelligenz einer Stubenfliege gepaart mit der Schnelligkeit einer Schildkröte und der Körperkontrolle einer Qualle. Die Verlustquoten dieser "Spezies" sind so groß, nach wenigen Monaten (mittlerweile sind es ja Jahre, oder?) dürften zumindest von den mobilen Beißern nicht mehr viel übrig sein.



Dieses Problem blendet die Serie eben aus, in dem die Beißer in den Hintergrund treten.
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