Nach den kontroversen Reaktionen auf den Horror-«Tatort» vor wenigen Monaten, beschloss Das Erste, weniger experimentelle Sonntagabendkrimis zu verwirklichen. Damit sind dann wohl auch Ausgaben wie «Tatort – Meta» in Gefahr. Eine Schande …
Cast und Crew
- Regie: Sebastian Marka
- Drehbuch: Erol Yesilkaya
- Darsteller: Mark Waschke, Meret Becker, Ole Puppe, Fabian Busch, Simon Schwarz, Louie Betton, Carolyn Genzkow, Tim Kalkhof, Nele Schaepe, Isaak Dentler, Werner Daehn, Stephan Grossmann
- Kamera: Willy Dettmeyer
- Schnitt: Sebastian Marka, Carsten Eder
- Musik: Thomas Mehlhorn
- Produktionsfirma: Wiedemann & Berg
Alle Jahre wieder findet die Berlinale statt – und dieses Mal wird das Kulturereignis mit einem passenden «Tatort» flankiert, dessen Titel «Meta» gewiss einige Filminteressierte anzulocken weiß. Und darum geht es: In der Bundeshauptstadt ist es wieder soweit: Die Berlinale findet statt. Während des großen Filmfestivals bekommen es die Kommissare Robert Karow (Mark Waschke) und Nina Rubin (Meret Becker) mit einem verwirrenden Fall zu tun … Der Angestellte eines Lagerdienstes bekommt den Auftrag, ein Paket an die Berliner Polizei zu verschicken. Dort muss Karow die erschreckende Erkenntnis machen, dass sich darin ein abgetrennter Menschenfinger befindet. Dieser gehört zu der Leiche einer 14-Jährigen, die in Formaldehyd eingelegt und in dem Mietlager versteckt wurde. Bald kommt heraus, dass diese junge Frau vor ihrem Tod als Prostituierte gearbeitet hat.
Der Mieter dieses Lagerplatzes: Eine Filmproduktionsfirma, deren aktueller Thriller «Meta» im Rahmen der Berlinale ihre Premiere feiert. Und die Handlung dieses Films weiß, Karow und die sich aktuell mit ihrem Sohn kabbelnde Rubin zu verdutzen. In «Meta» geht es darum, dass während eines großen Filmfestivals ein Polizist ein Paket aus einem Mietlager geschickt bekommt. Darin befindet sich der abgetrennte Finger einer toten, minderjährigen Prostituierten, deren in Formaldehyd eingelegte Leiche im besagten Mietlager gefunden wird. Der Auftraggeber dahinter: Eine Filmfirma, die mit ihrem aktuellen Thriller auf einem Filmfestival für Furore sorgt. Handelt dieser doch von einem Kommissarduo, das den abgetrennten Finger einer minderjährigen Prostituierten zugeschickt bekommt und während der Ermittlungsarbeiten auf einen brandneuen Film stößt, in dem ihr aktueller Fall offenbar vorhergesagt wird …
Wäre der Berlinale-«Tatort» eine Spur melancholischer und nachdenklicher, könnte er auch ein Felix-Murot-Fall sein. Und würden die inszenatorischen Spielereien rund um den Fall-im-Fall-im-Fall etwas klamaukiger ausfallen, wer weiß, könnte «Tatort – Meta» auch einer der ambitionierteren Münster-Fälle sein. Aber: Die Berlinale ist nun einmal ein Berlin-Ding, also tapsen selbstredend Karow und Rubin durch dieses Wirrwarr an fiktionalen Ebenen, während sie sich neckisch darüber zanken, dass Karow so streng zwischen Arbeit und Privatem trennt, wohingegen Rubin doch gerne auch mit ihrem Kollegen befreundet wäre. Dieser Mini-Plot geht im Laufe der Ermittlungsarbeiten (und den Film-im-Film-im-Film-Spielereien) zwar unter und wird zwischendurch durch einen weiteren Mini-Plot verdrängt (nämlich durch die Frage: Kann es sein, dass Rubin sich ebenfalls zu sehr in die Arbeit stürzt, selbst wenn es sich nicht so offensichtlich zeigt?), jedoch wird der Nebenfaden zufriedenstellend zu einem (vorläufigen?) Ende gebracht.
Dies ist einerseits der Verdienst des sich immer weiter einspielenden Duos Waschke und Becker, die mit Blicken und Gesten, die zwischen freundlich-unbeholfen und kollegial-distanziert wanken, sehr effizient die emotionale Grauzone zwischen ihren Rollen ausdrücken. Doch genauso sehr ist es eine Leistung des Drehbuchautoren Erol Yesilkaya, der unbestreitbar ein Gespür für diese Figuren hat und es daher schafft, sie stimmig weiterzuentwickeln, obwohl das Hauptaugenmerk dieser «Tatort»-Ausgabe ganz woanders liegt. Alle, die sich über ein komplexes Verwirrspiel freuen, sollten ihre Erwartungen allerdings in andere Richtungen lenken, denn der Schwerpunkt dieser Meta-Spielerei liegt auf Karows Obsession mit den Meta-Spielereien des Berlinale-Thrillers «Meta».
Waschke gelingt ein schwieriger Drahtseilakt, die sich bis ins Lächerliche steigernde Manie seiner Figur so zu spielen, dass sein Energy-Drink-Gelage zwar amüsiert, aber nicht die suspensehaltige Grundstimmung des Neunzigminüters zerbricht. Genauso manövriert sich Regisseur Sebastian Marka behände an engen tonalen Klippen vorbei, wenn er einerseits gewitzte Film-im-Film-im-Film-Parallelen schafft und andererseits auf Psychothriller-Ästhetik setzt, um inszenatorisch die dringende Frage zu stellen: Verliert Arbeitstier Karow einfach nur den Verstand, während er sich auf eine cineastisch vertuschte Verschwörung einschießt?
Besagte Verschwörung rund um den vermeintlichen Vorgänger des BND und einen Verrückten/Auftragskiller/verrückten Auftragskiller, der seine Schuld/seine Wahnvorstellungen zum Ausdruck bringen wollte, entfaltet jedoch nie die Sogwirkung, die dem Film-im-Film-im-Film-Konzept innewohnt. Während die Frage, ob «Meta» nun vorhersagt, was in «Tatort – Meta» geschieht, sowie die Faszination durch Parallelen und Unterschiede zwischen den verschiedenen Filmebenen voll ausgekostet wird, selbst wenn sie eigentlich nur eine inhaltliche Nebenrolle spielt, wird die zentrale Geheimdienstverschwörung in verschwommen Formen angerissen.
Dadurch, dass sich Szenenbilderin Anette Reuther und Kameramann Willy Dettmeyer hier austoben können und starke visuelle, stylische Differenzen zwischen den diversen Filmebenen erschaffen, weiß aber die Verpackung über die Makel des Inhaltes zu weiten Strecken hinwegzutrösten. Das trifft auch für den kalt-elektronischen Score hinzu, mit dem Thomas Mehlhorn diesen Thriller untermalt. Und auch die Schlusspointe (nicht mit Beginn des Abspanns wegschalten!) ist eine sehr feine Note an diesem experimentellen «Tatort». Auf dass Das Erste diese Form der Krimis doch nicht abgeschafft wird!
«Tatort – Meta» ist am 18. Februar 2018 um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
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19.02.2018 10:17 Uhr 1