Mit einer großen Primetime-Show lassen Eurosport und TLC die Olympia-Tage ausklingen - und stecken wahrlich viel Arbeit und Herzblut in dieses Format. Doch eine Frage bleibt völlig offen: Will das irgendjemand um 20:15 Uhr überhaupt sehen?
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Ich freue mich riesig auf unsere Olympiashow, die ein neues Flaggschiff in unserer Berichterstattung über PyeongChang 2018 werden wird. In «zwanzig18 – Die Olympia Show» werden wir Sport und Entertainment miteinander kombinieren, unterhaltsam, laut und teilweise unkonventionell sein, um die Olympiamomente des Tages auf neue Art und Weise aufzubereiten. So wollen wir unsere Zuschauer bei Eurosport und TLC überraschen und die Olympischen Winterspiele in ein neues Rampenlicht rücken.
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Susanne Aigner-Drews, Geschäftsführerin von Discovery Networks Deutschland.
Die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang sind im vollen Gange und mit Laura Dahlmeier und Andreas Wellinger haben sie auch schon früh zwei große deutsche Helden gefunden, die das olympische Feuer auch hierzulande so richtig entfachen können. Das nämlich gestaltete sich in den ersten Tagen noch gar nicht so leicht, denn neben der leicht chaotischen Rechte- und Sublizensierungs-Situation zwischen öffentlich-rechtlichen und allen möglichen Discovery-Sendern bis hin zum auch nach vier Jahren noch immer nicht wirklich angekommenen TLC sind es vor allem die wenig erfreulichen Sendezeiten, die es Mitteleuropäern sehr schwer machen, so wirklich in Stimmung zu kommen. Hauptproblem: Sportlich gibt es zur Hauptsendezeit um 20:15 Uhr so gut wie nichts zu sehen.
Bei Eurosport und TLC versucht man dieser Problematik zu entgehen, indem man mit
«zwanzig18 - Die Olympia Show» eine tägliche Verabredung der semi-sportlichen Art und Weise etabliert. Die Hoffnung dahinter dürfte sein, dass ausreichend Menschen tagsüber nicht die Zeit oder die Muße finden, sich ausgiebig über das Geschehen in Südkorea zu informieren, dies aber dann am Abend nachholen wollen. Mit Marco Schreyl und Julia Kleine moderieren zwei für die Sender neue Gesichter das Format, neben Highlights vom jeweiligen Tag gibt es unter anderem exklusive Interviews, Einspielfilme mit Kuriositäten und Einblicken in das Gastgeberland, Studio-Aktionen und Musik zu bestaunen. Kurzum: Ein Rundum-Sorglos-Paket für Sport- und Showfans gleichermaßen wird dort geschnürt, das qualitativ durchaus zu überzeugen weiß - und dennoch weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden könnte.
Schmuckes Studio mit «Wetten, dass?»-Gedächtnis-Couch
Dabei ist gleich in der Auftaktfolge nicht zu übersehen, dass sich Discovery dieses Format so Einiges kosten lässt: Das Studio macht durchaus etwas her, ja wirkt sogar größer und prachtvoller als so manche generische Rumpelbude, in denen die großen Privatsender ein Showformat nach dem anderen runterproduzieren. Farblich muss man sich zwar an die latent grellen Töne noch gewöhnen, davon abgesehen aber ist unmittelbar evident, dass es sich hierbei um ein großes Prestige-Projekt handelt, das einen wertigen Eindruck hinterlassen soll. Schön auch, dass die recht üppige Fläche auch genutzt wird und die Moderation nicht stur auf der großen Couch in der Mitte kleben bleibt, die fast ein wenig «Wetten, dass..?»-Feeling aufkommen lässt.
Und tatsächlich lassen sich auch so einige Sportler und Experten blicken, die Schreyl und Kleine bei ihrem Ritt durch die tägliche Sendezeit von zwei Stunden Unterstützung leisten - in der Auftaktfolge etwa Felix Neureuther und Axel Schulz, aber auch diverse andere Gäste, die mitunter aber nur sehr kurz auftreten. Da bei diesem Gewusel durchaus die Gefahr der Oberflächlichkeit und latenten Anarchie besteht, gibt es aber auch Passagen, die fernab der großen Bühne im direkten 1:1-Gespräch zwischen einem der Moderatoren und einem Gast stattfinden - was wohl als kleines Goodie für die echten Sport-Nerds gedacht ist und ein wenig Tiefgang in die sonst ziemlich flotte Sendung bringt.
Erstaunlich für Eurosport: Die deutsche Brille wird aufgesetzt
Hiervon einmal abgesehen nämlich wirkt das Gesehene nicht unbedingt wie ein typisches Eurosport-Projekt, denn die deutsche Fan-Brille steht bei der Aufbereitung des Olympia-Tages schon erstaunlich deutlich im Fokus des Interesses. Heißt am ersten Tag natürlich in erster Linie, dass Dahlmeier und Wellinger ausgiebig gehuldigt wird, was in der Vergangenheit von Sport-Hardlinern gerne mal bei den Übertragungen von ARD und ZDF kritisiert wurde. Hier wird es interessant zu beobachten sein, inwiefern man in den kommenden zwei Wochen einen Mittelweg finden wird zwischen Massentauglichkeit und dem naturgemäß an den Sender gerichteten Anspruch der extremistischeren Fans, auch über die Wettbewerbe aufgeklärt zu werden, bei denen gar keine deutschen Athleten teilnehmen oder zumindest nicht ernsthaft um Medaillen mitspielen. Nach den Eindrücken der Auftaktfolge jedenfalls scheint man sich hier ein wenig in Richtung Mainstream zu orientieren.
Und sonst so? Ja, man muss schon sagen, dass es auch eine Menge Füllmaterial zu bewundern gibt: Mike Stiefelhagen präsentiert etwa die größten Nichtigkeiten aus dem Netz, was er mit Sicherheit längst nicht so charmant tut wie "Icke" Dommisch bei den NFL-Übertragungen der ProSiebenSat.1-Gruppe, aber zumindest ganz ordentlich und charmant. Relativ am Ende der Show treten Neureuther und Schulz im großen Promi-Curling an, was ebenso nett wie belanglos ist. Nicht mehr ganz so nett, dafür sehr belanglos und für den einen oder anderen Zuschauer sicherlich auch schon in Richtung Abschaltgrund tendierend: Die Band voXXclub darf gleich zweimal auftreten. Aber keine Angst: Das ist wirklich das Peinlichste, was diese Show zu bieten hat, denn ansonsten führen Schreyl und Kleine grundsolide bis gut durch sehr viele mehr oder minder sportlich relevante Programmpunkte.
Wo schaut ihr Olympia voraussichtlich hauptsächlich?
Die Frage aller Fragen: Guckt das jemand?
Alles in allem ist «zwanzig18» wenig vorzuwerfen, denn es ist gut produziert, hat durchaus inhaltliche Glanzpunkte zu bieten und eignet sich sicherlich als Ausklang des Olympia-Tages. Doch ob ein solches Angebot vom Zuschauer auch erwünscht ist, muss gerade zur Hauptsendezeit doch sehr stark hinterfragt werden. Die ganz große Exklusivität besitzen die gezeigten Szenen nun einmal nicht, wer sich rasch über die wichtigsten Ereignisse des Sporttages informieren möchte, wird sicherlich passendere Quellen auftreiben können und viele Menschen dürften wohl auch in diesen zwei Wochen nun ihren Abend nicht komplett mit Olympia bestreiten wollen, wenn es ohnehin keinen Live-Sport zu sehen gibt.
Gerade um 20:15 Uhr muss man also vielleicht mehr anbieten als solch eine aus Nettigkeiten, Nichtigkeiten und kleinen Unterhaltungshäppchen bestehende Show, um die breite Masse wirklich zu erreichen. Respekt ist Discovery dennoch dafür zu zollen, einen solch hohen monetären und organisatorischen Aufwand auch fernab des reinen Live-Sports betrieben zu haben. Zumindest die großen Sportfans werden das wohl zu schätzen wissen, die breite Masse dagegen tut sich ja schon schwer damit, ihren Weg überhaupt zu Eurosport zu finden. Von TLC mal ganz zu schweigen.
Eurosport und TLC zeigen in den kommenden zwei Wochen täglich um 20:15 Uhr die Live-Show «zwanzig18».
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