Die glorreichen Sechs – Feine Fernsehfilme (Teil VI)
Beenden wir unsere Reihe über starke Fernsehfilme mit einem deutschen Drama. Genauer gesagt: Mit der ZDF-Produktion «Mandy will ans Meer»
Die Handlung
Filmfacts: «Mandy will ans Meer»
Regie: Tim Trageser
Drehbuch: Christian Pfannenschmidt
Darsteller: Anna Loos, Hanna Müller, Erhan Emre, Ursula Werner, Christina Große
Produktion: Granada Produktion für Film und Fernsehen GmbH
Musik: Andreas Weidinger
Kamera: Eckhard Jansen
Schnitt: Gisela Castronari-Jaensch
Veröffentlichungsjahr: 2012
FSK: ab 12 Jahren
Ida Schmidt ist Sterneköchin und Küchendirektorin in einem Berliner Luxus-Hotel. Die impulsive Frau steht in dieser harten Berufswelt ihren Mann. Fachlich kann kaum jemand an sie heranreichen.
Auch privat ist Ida eine Einzelkämpferin. Sie hat weder einen Partner noch Kinder noch Freunde. Einzig Tercan, Fahrer für eine Berliner Tafel, schafft es immer wieder, Ida auf Augenhöhe herauszufordern. Als er eines Tages vom Hotel ausrangierte Lebensmittel abholt, erfährt Ida von dem sozialen Jugendwerk "Die Barke", wo Kinder aus sozial schwachen Familien nach der Schule verpflegt und umsorgt werden. Dort begegnet Ida der elfjährigen Mandy Wittmann, deren starker Charakter die Köchin fasziniert.
Beeindruckt und bedrückt von der ihr fremden Welt und ermutigt von Tercan entschließt Ida sich, in der "Barke" einen Kochkurs für Kinder anzubieten. Sie möchte ihnen zeigen, dass man gesund und preiswert kochen und essen kann, statt sich mit Fastfood vollzustopfen. Ida und Mandy lernen sich besser kennen. Das Mädchen berichtet von sich und ihrer Familie und beschreibt dabei eine heile Welt. Dass das nicht stimmen kann, ahnt Ida zunächst nur. Denn die ganze Wahrheit bleibt Mandys Geheimnis.
Erfolg oder Misserfolg?
«Mandy will ans Meer» feierte seine Premiere am 26. November 2012 in der Primetime des ZDF. In Konkurrenz liefen Formate wie «Wer wird Millionär?» und «Bauer sucht Frau». Letztere Sendung holte an diesem Abend auch die höchste Einschaltquote, mit 4,84 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 14,5 Prozent kann TIm Tragesers Drama dennoch als großer Erfolg gewertet werden.
Die 6 glorreichen Aspekte von «Mandy will ans Meer»
Ist es angebracht, ein augenscheinliches Sozialdrama mit dem Wort „erfrischend“ zu umschreiben? Schaut man sich den von Tim Trageser realisierten ZDF-Film «Mandy will ans Meer» an, so fällt auf, dass Freud und Leid derart nah beieinander liegen können, dass sich dramatisch und erfrischend eben nicht per se ausschließen müssen. Entgegen der standardisierten Machart dramatischen Stoffes bewegt sich der Streifen schnell weit weg vom Grundsatz.
Anna Loos spielt hier eine toughe Sterneköchin. In dieser von Männern dominierten Arbeitswelt muss sich ihre Figur der Ida durchboxen und tut dies bisweilen mit brachialen Methoden. Dass sich ihre Figur vor allem in der Anfangsphase des Streifens an der Grenze zur Karikatur befindet, wirkt zu Beginn ein wenig störend, da es dem Realismus einen kleinen Dämpfer verpasst. Auch die anderen Figuren wirken zunächst oberflächlich gezeichnet. Neben der harten, fast männlich wirkenden Ida gibt es den liebenswerten, sozial engagierten Klischeetürken, der von seiner Charakterzeichnung das exakte Gegenteil zu Ida abgibt. Dass die beiden bereits in der ersten Viertelstunde im Bett landen, setzt dem Stereotyp schließlich die Krone auf, wirkt aber wie ein Bruch – ab diesem Techtelmechtel geht die Handlung in die Tiefe und nimmt beeindruckende Formen an.
Die Story thematisiert von nun an, wie sich die Rolle von Anna Loos einer glaubwürdigen, jedoch teilweise zu flotten Charakterwandlung unterzieht. Zudem wird der Ton rauer, die Stimmung ein wenig trübseliger. Dennoch kommt «Mandy will ans Meer» nie von ihrer doch positiv gestimmten Atmosphäre ab. Ganz so, als wäre das Thema „Hoffnung“ das von den Machern gewählte Leitthema.
Vor allem aus Sicht der Darstellerleistung kann der Film zusätzlich überzeugen. Nicht nur Anna Loos, die hier eine tolle Leistung abliefert, da sie ihrer Figur gekonnt den notwendigen Facettenreichtum einverleibt, beeindruckt. Vor allem die junge Hauptdarstellerin Hanna Müller, die in «Mandy will ans Meer» ihre erste große TV-Rolle spielt, bewegt sich auf einem außerordentlichen Niveau. Wer hingegen ein wenig blass bleibt, ist Erhan Emre. Dennoch ist seine Rolle nicht derart ausgeprägt angelegt, dass diese Tatsache übermäßig stören würde. Vielmehr ist es schlichtweg schade. In den Nebenrollen geben vor allem Alexander Hörbe und Christina Große als Mandys Eltern eine herausragende Figur ab.
Ab der Hälfte des Films wird der Ton schließlich noch eine Spur direkter und die Stimmung deutlich düsterer. Von nun an wird das Thema „Gewalt in der Familie“ in drastischen, schockierenden und leider realitätsnahen Bildern vermittelt. Dankenswerterweise ohne dabei das bereits erwähnte, augenscheinliche Leitthema der Hoffnung aus den Augen zu verlieren. Wenngleich die Stimmung stellenweise mehr als bedrückend ist, ist es vor allem den Darstellern und deren punktgenauem Schauspiel zu verdanken, dass sich «Mandy will ans Meer» nie in einen pessimistischen Tonfall flüchtet. Vielmehr regen die Macher gerade mit ihrer Machart zum Nachdenken an und teilen den Streifen durch Schwarzblenden in kleine Kapitel auf. Auf ein positives folgt eines mit negativem Unterton.
Fazit: «Mandy will ans Meer» verpackt ein deftiges Thema in eine Geschichte, die auch in traurigen Momenten Haltung bewahrt und nie in Hoffnungslosigkeit stürzt. Die Darsteller bringen auf den Punkt exzellente Leistungen ab und vor allem in der zweiten Hälfte nimmt der Streifen eine ungeheure Intensität an.
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