Zu viel Werbung, zu große Dramatik, dauernd nur Running Gags … In den Sozialen Netzwerken gibt es einige unzufriedene Stimmen über die achte «Pastewka»-Staffel zu finden. Unser Serientäter Sidney Schering möchte widersprechen …
Das größte Problem – und weshalb selbst das noch mild ist
Ein häufig genannter Kritikpunkt vieler Fans an der neuen «Pastewka»-Staffel: Die Produktplatzierungen. Und gewiss: Es ist schon penetrant, wie häufig Coca-Cola-Labels sauber und direkt gen Kamera ausgerichtet werden. Es fällt auf, wie ehrfürchtig die Kamera über das Media-Markt-Logo fliegt und dass mit Dany-Sahne sowie diversen Leibniz-Süßigkeiten reale Produkte verspeist werden, während unter anderem die bei «Pastewka»-Fans berühmten Autoreifenkekse weiterhin einer fiktiven Marke entspringen und nicht etwa zu Oreos geworden sind. Aber: Selbst wenn die Inszenierung sicher stellt, dass die realen Produkte, die in der achten «Pastewka»-Staffel vorkommen, auch wahrgenommen werden, so driftet die Season nie in Werbegefilde ab.
Zur Abgrenzung vom bei «Pastewka» gebotenen "Ja, das sind viele Produktplatzierungen, aber sie reißen das Geschehen nicht an sich"-Bauchweh und einem "Zu viel, zu offensichtlich, es nervt!"-Ärgernis bietet sich der Vergleich mit «Hot Dog» an:
In «Hot Dog» wird wiederholt die Story angehalten, um einen der Werbekooperationspartner des Films zu präsentieren. In «Pastewka» hingegen ist zwar Media Markt zu sehen und wird auch kurz mit Namen im Dialog genannt, doch er wird schlicht als irgendein Schauplatz behandelt – es könnte sich auch um "Elektrofachhandel 3.000" handeln. Die weiteren Produktplatzierungen bleiben im Hintergrund des Geschehens. Hie und da dürfte gern ein Label etwas stärker von der Kamera abgewendet sein – wir alle sind schließlich Werbeopfer, wir erkennen das Logo auch, wenn es nur zu 85 Prozent gezeigt wird. Aber das ändert nichts daran, dass die achte Runde «Pastewka» "nur" wie eine stark gesponserte Serienstaffel wirkt – und nicht etwa wie eine Werbeparade.
Running Gags für aufmerksame Fans, ohne selbstverliebt zu sein
Running Gags sind ein zweischneidiges Schwert: Sie können bereits unterhaltsames Material für aufmerksame Zuschauende noch weiter veredeln, doch je nach Positionierung sowie Schlagzahl können sie auch von der eigentlichen Erzählung ablenken, selbstverliebt rüberkommen oder Serienneulinge verprellen. So brillant «Phineas & Ferb» etwa für sein Stammpublikum sein kann, dürften sich bei der mit Metawitzen, Selbstironie, Eigendekonstruktion sowie Running Gags vollgestopften Produktion Neuzugänge extrem schwer tun, gegen Schluss der immer wilder werdenden Serie Anschluss zu finden. Und «Arrested Development» nutzt in Staffel vier wiederholt Rückgriffe auf ältere Gags als die entscheidende Schlusspointe längerer Sequenzen, so dass die ersten drei Runden im Gedächtnis verankert sein müssen, damit die Netflix-Originalepisoden überhaupt erst zum Schmunzeln einladen können.
Nicht so bei der achten «Pastewka»-Staffel: Der Humor generiert sich zu weiten Teilen aus (Fremdscham-)Situationskomik, Dialoghumor und "Passiert das gerade wirklich?"-Eskalationen – sei es im Bezug auf Bastian Pastewkas Fehlverhalten oder die ungeheuerlichen Fehldeutungen seines Benehmens Anderer. Doch treue Serienfans bekommen mit Serienmarkenzeichen, Referenzen und Running Gags zusätzliche Schmunzler und Lacher geboten, da diese flüssig in die Dialoge oder Bildsprache eingebunden werden.
Statt eine Szene mit einem langgezogenen "Sooo!" zu beenden, wird der schon in früheren «Pastewka»-Folgen häufig gesagte Ausruf in Season acht sehr markig mitten in Gesprächen verwendet. Selbiges gilt für "Ich flippe aus" und "Fluppe aus!" oder für visuelle Rückgriffe wie das verpixelte Drive-In-Schalter-Logo (das das einst als zu dreiste Werbung bezeichnete Burger-King-Logo aus einer alten Folge ersetzt). Nie ist die Hauptpointe eines «Pastewka»-Moments in Runde acht eine Wiederholung oder Abwandlung alter Sprüche und Gags – diese Running Gags werden unentwegt (und intensiver als früher) als Garnitur genutzt. Nur der obligatorische Pinocchio-Eisbecher fehlt. Da hat Staffel neun Nachholbedarf.
Dramatischer, aber nicht überdramatisiert
Wir haben es in unserer Vorabkritik erwähnt und Olli Schulz ging in 'Fest und flauschig' darauf ein: Die achte «Pastewka»-Staffel ist ernster als die ersten sieben. Schulz nannte es im Bezug auf die Auftaktfolge eine "Schweighöferisierung" der Comedyserie – der Rest der Season fiele dem nicht anheim. Dass es eben doch nicht dazu kommt, dass das beliebte Format über die gesamte Dauer der achten Staffel sein Humorpotential zwecks Gefühlsduselei verrät, ist den auf
ausgewogene Weise von der früheren Serienformel abweisenden Drehbüchern zu verdanken. Denn ja, der Staffelauftakt wirkt aufgrund der einstündigen Laufzeit etwas schwerer als sonst von «Pastewka» gewohnt – die halbstündigen restlichen Episoden der Staffel dagegen haben zwar eine dramatischere, emotionalere Fallhöhe als der Rest der Serie, trotzdem bleiben sie dem «Pastewka»-Fremdschämspaß treu.
Durch den erzählerischen roten Faden der Staffel (Bastian und Anne trennen sich, was Bastian in eine Midlifecrisis stürzt) ist der Grundtonfall ernster als bei fast allen vorhergegangenen Folgen der Serie, die episodenhaft Eskapaden darüber erzählten, dass unser Protagonist Mist gebaut hat (oder bauen will) und nicht auffliegen (oder ihn wieder gut machen) möchte. Hier steht hingegen Bastians Liebesleben und sein bislang gewohntes Dasein auf dem Spiel. Um die Serie dadurch jedoch nicht zu schwermütig zu machen, ziehen die Verantwortlichen an anderen Stellen dem alten «Pastewka»-Schema die Zähne. Giftete "die Bruck" Pastewka einst immer wieder lang, breit und laut ohne jeden nennenswerten Grund an, mault sie ihn in Staffel acht nur noch kurz, prägnant und aus gutem Grund an.
Die motzige Nichte Kim ist noch immer grantig, dabei aber ruhiger und nicht mehr so nachtragend wie früher. Und war es einst bei «Pastewka» eine kleine Sensation, wann immer eine Folge nicht mit einer boshaften, dem Titelhelden nochmal gehörig eins auswischenden Schlusspointe endete, hat Staffel acht sogleich eine Handvoll Episoden zu bieten, die positiv, bittersüß oder zumindest mild-neutral enden, statt mit einer pointenhaften Eskalation. Das macht die insgesamt gestiegene Fallhöhe und die ernsteren Sequenzen, die zwischendurch vorkommen, direkt leichter verdaulich – und erlaubt der Serie eine tonale Veränderung, ohne das Format bis zur Unkenntlichkeit zu deformieren.
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