Kinomeister Volker Schlöndorff, der unter anderem «Die Blechtrommel» und «Homo Faber» inszeniert hat, wendet sich mit «Der namenlose Tag» dem Fernsehen zu.
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Selten habe ich einen Regisseur getroffen, der so präzise weiß, was er will, der neugierig auf die Meinungen der Teammitglieder reagiert, der ans Set kommt und den Film förmlich mit Haut und Haaren atmet und – ganz wichtig für eine Teamarbeit – auch ausatmet. Ein Regisseur, der seine Schauspieler zu Höchstleistungen führt. Und ich finde, das sieht man dem Ergebnis an.
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Jens C. Susa über Schlöndorff
Es ist die Ära der Kinoschaffenden, die den Weg zum Fernsehen antreten. Stephen Soderbergh und Martin Scorsese erschufen bereits Fernsehserien, letzterer inszeniert nun einen Film für Netflix. Tom Tykwer ließ auf «Cloud Atlas» die TV-Serien «Sense8» und «Babylon Berlin» folgen. Und Volker Schlöndorff, der mit «Die Blechtrommel» einen Oscar nach Deutschland holte, inszenierte und verfasste mit der Romanadaption «Der namenlose Tag» seine erste TV-Produktion seit Jahrzehnten. Eine kleine Sensation, die dem ZDF da gelungen ist. Denn vor rund zehn Jahren klagte Schlöndorff in der 'Süddeutschen Zeitung' noch, dass das Fernsehen das Kino versaue.
Zu verdanken ist diese unerwartete Kooperation in erster Linie Produzent Jens C. Susa, der mit Friedrich Ani befreundet ist und ihn, nachdem er den Roman vorab lesen durfte und verschlungen hat, rasch davon überzeugte, dass er für das ZDF adaptiert werden sollte. Als Susas Wunschbesetzung in der Hauptrolle, Thomas Thieme, mit ins Boot geholt wurde, weihte der Produzent Schlöndorff ein: "Volker Schlöndorff erzählte ich davon und schickte ihm den Roman nach New York. Nach 24 Stunden lautete seine Antwort: 'You made my day'. So kam es innerhalb weniger Tage zur Zusammenarbeit mit Ani, Schlöndorff und Thieme. Und das ZDF gab uns sehr schnell grünes Licht für das gesamte Paket."
Obwohl Schlöndorff Gefallen am Roman fand, hegte er nach eigenen Aussagen zunächst Zweifel, ob er ihn zum Fernsehfilm formen könnte: "Ich war mir nicht sicher, ob genug Spannung für einen Film aufkommen würde, denn genau genommen 'passiert' ja nichts, kein Schusswechsel, keine Verfolgungsjagd oder Ähnliches." Er führt fort: "Auch war ich nicht sicher, ob ich so etwas überhaupt könnte: einen Primetime-Krimi für ein breites Publikum. Deshalb habe ich mich hingesetzt und einfach, sozusagen als Test, einen Drehbuchentwurf geschrieben. Es gelang so mühelos, dass ich zusagte. Als dann der Auftrag für das Drehbuch kam, war es schon fertig.“
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Überrascht war ich von der Tatsache, dass Schlöndorff, der noch nie einen Kriminalfilm inszeniert hat, von der ersten Drehbuchfassung an das Genre perfekt bedient hat, ohne sich eingefahrenen Regeln zu unterwerfen. Und beglückt hat mich die Besetzung: bis in die Nebenrollen hinein so fantastische Schauspielerinnen und Schauspieler!
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Friedrich Ani
In der Umsetzung dachte die deutsche Regielegende konsequent cineastisch: "Es sollte wirken wie ein Film aus der deutschen Stummfilmzeit, mit viel Stimmung, Hell-Dunkel-Kontrast, mit 'Geistern' und einer sehr einfachen, klaren Kameraführung. Tom Erhart hat das wunderbar umgesetzt." Bei der Instrumentalmusik in «Der namenlose Tag» orientierte er sich ebenfalls an der Kinohistorie und forderte von Hans-Werner Henze und Max Richter einen Klang, den er als "einfach und klar, keine Spannungsmusik, eher Lyrisches" beschreibt. Dabei bediente er sich auch an seiner eigenen Filmvergangenheit: "Es sind Musikstücke, die zum Teil für frühere Filme von mir komponiert wurden und die hier als Zitate Auferstehung feiern. Das muss der Zuschauer nicht im Einzelnen wissen, aber er spürt, hoffe ich, eine besondere, ungewohnte Atmosphäre."
Der Settingwechsel – der Roman spielt in München, der Film in Erfurt – ist indes eine kollektive Entscheidung. Schlöndorff regte eine Änderung des Schauplatzes an, weil er "nie an München" gedacht hätte, weil es "einerseits zu schick und reich klingt, andererseits zu bayrisch." Auf der Suche nach anderen Schauplätzen unterhielt er sich mit Thieme, der meinte, die Story könnte auch nicht in seiner Heimat Weimar spielen, aber vielleicht "nebenan in Erfurt". Schlöndorff dazu: "Das machte mich stutzig, erinnerte mich sofort an den Schüler-Amokläufer. In Anis Roman geht es ja um einen Schülerselbstmord – ein erschreckendes Thema, nur allzu aktuell." So kam, nachdem Schlöndorff zum Fernsehen fand, «Der namenlose Tag» in seiner TV-Inkarnation nach Erfurt.
«Der namenlose Tag» ist am 5. Februar 2018 ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.
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