Nein, hier werden nicht die besten Kritiker gewürdigt, die Filme besprechen. Sondern die besten Kritiker, die je aus Filmen hervorgebracht wurden. Wobei unser Kolumnist "die Besten" sehr freimütig definiert …
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Filmkritiker Leonard Maltin (Leonard Maltin) in «Gremlins 2 – Die Rückkehr der kleinen Monster»
Diesem Kritiker kann man nicht genug Respekt zollen: Er zerreißt den Film «Gremlins» aufgrund seiner Logiklöcher und seines finsteren Humors in der Luft – und das, während er von Gremlins umgeben ist und letztlich von ihnen attackiert wird. Für diesen Schneid verdient Maltin Applaus – auch wenn über den Realismus dieser Szene gestritten werden kann. Dass er sich mit seinen letzten Atemzügen doch noch rauszureden versucht, ist allerdings sehr glaubwürdig.
Filmkritiker Archie Hicox (Michael Fassbender) in «Inglourious Basterds»
Kultiviert, verdammt gut aussehend, redegewandt und überaus belesen – mit einem Schwerpunkt auf das deutsche Kino: Archie Hicox ist ein Filmhistoriker unter den Kritikern, einer, der die filmkulturellen und medienpolitischen Bewegungen analysiert und memoriert – und ganz nebenher stellt er in seinem Auftreten wohl das dar, was viele Filmkritiker gerne wären. Hätte dieser gute Mann nur nicht eine klaffende Wissenslücke bezüglich deutscher Handgesten …
Restaurantkritiker Ramsey Michel (Oliver Platt) in «Kiss the Cook: So schmeckt das Leben»
Der Restaurantkritiker Ramsey Michel zieht vorübergehend den Hass des erfolgreichen Kochs Carl Casper auf sich, als er ihm während eines Karrierehöhenflugs nicht die erwartete Lobpreisung kredenzt. Doch Michel wird vom früher passionierten, nun nur noch routiniert-kostspielig arbeitenden Koch missverstanden: Michel ist kein Snob, kein wild tippender Wutvulkan, sondern eine ehrliche, faire Seele, die zuweilen den Finger in die offene Wunde legt, um bessere, einfallsreichere Küche voranzutreiben. Das, was Carl Casper an Michel hasst, ist nicht Michel selbst, sondern die Wahrheit, die er ausspricht. Denn sobald Carl Casper seinen ihn einengenden Erfolgsthron verlässt und wieder mit Kreativität und Hingabe kocht, findet er in Michel einen engagierten Unterstützer. Denn so sind Kritiker (zumindest manche von ihnen): Sie wollen das Beste aus den Kunstschaffenden herauskitzeln und den Gelegenheitskonsumenten den reinen Wein einschenken, der ihnen vielleicht aufgrund von Ablenkungen oder zu geringer Vergleichsmöglichkeiten verwehrt blieb.
Kulturkritiker James Gordon Bennett (Paul Sparks) in «Greatest Showman»
Er beginnt den Film vielleicht als Theaterkritiker, der keine Freude am Theater hat – doch dafür hat er faszinierende Meta-Zauberkräfte:
Er steuert den Verlauf des Films – mit seinem Wunsch nach Anspruch kommt mehr Anspruch, mit seinem Aufruf nach Toleranz bewerbender Unterhaltung findet die Hauptfigur P. T. Barnum in «Greatest Showman» einen Pfad, den der reale Barnum nicht beschritten hat. Bennett ist vielleicht ein Nasehoch, doch er ist da, um im richtigen Augenblick frühere "Erzfeinde" zu inspirieren. Hut ab!
Restaurantkritiker Anton Ego (Originalstimme: Peter O'Toole) in «Ratatouille»
Für Chefköche ist Anton Ego ein wandelnder Albtraum: Der riesige, spindeldürre, leichenblasse Mann mit dauerbetrübtem Gesichtsausdruck und überheblichem Stimmtimbre gilt als unerbittlicher Kritiker, der Karrieren zerstören, ja, sogar Leben nehmen kann. Er selber versteht sich als Verteidiger der hohen gastronomischen Kunst, der gegen Perspektivlosigkeit und kulinarische Touristenfallen angeht. Er archiviert seine Kritiken akribisch, schaltet sich in den übergreifenden gastronomischen Diskurs ein – und ist vor allem fähig, sich Fehler einzugestehen und seine gesamte Leserschaft an diesem Prozess teilhaben zu lassen. Seine beste Kritik ist keine simple Benotung eines Mahls, sondern eine selbstreflexive Abhandlung über Rezensionen, das Mantra eines früheren "Feindes" und die emotionale Wirkung guten Essens. Anton Ego steigt in wohl gewählten, rührenden, geistreichen Worten über seinen eigenen Schatten und riskiert seine eigene Karriere, um ein verstecktes Genie zu feiern. Atemberaubend!
Filmkritiker John und Marc (Roger Barkley und Al Lohman) in «Amazonen auf dem Mond oder Warum die Amis den Kanal voll haben»
Der sketchhafte Episodenfilm «Amazonen auf dem Mond oder Warum die Amis den Kanal voll haben» von Joe Dante beginnt sein Segment über Filmkritiker, wie wohl viele Kritikerparodien beginnen würden: Zwei Kritiker (nah angelegt an Siskel & Ebert) bereden in ihrer TV-Sendung aktuelle Filme. Ein fremdsprachiger Kunstfilm wird ob seines Anspruchs gefeiert, eine Teeniekomödie spaltet das Duo, da der Eine sie banal findet und der Andere sie mit einer vollmundigen Metapher als angenehmen Fluff vergleicht.
Ein Normalbürger (?) schaut sich dies an und zerreißt sich über die snobistischen, weltfremden Kritikerfatzkes das Maul. Doch dann drehen die Kritiker den Spieß um und besprechen in einer Kritik das Leben des Harvey Pitnik genannten Meckerers. Es sei trostlos, unbedeutend und ebenso eintönig wie freud- oder lieblos. Makel, über die zumindest ein passionierter, sein Werk liebender Kritiker nicht klagen könnte. Und die Beiden hören da noch lange nicht auf: Sie geben konstruktive Kritik, wie es besser hätte laufen können und selbst während beide keine Empfehlung für Harvey aussprechen, findet einer von ihnen noch immer tröstende Worte für die kafkaesken Qualitäten seines Lebens.
Marc und John sind möglicherweise die Könige der Kritik. Nicht nur, weil sie die Möglichkeit haben, vorzuführen, wie es uns Kritikern ergeht (Leute nehmen Kritiker für ihre informierte Perspektive auf ihr Fachgebiet hasserfüllt ins Visier), nein! Sie haben die Macht, eine Retourkutsche durchzuführen und geben den wahllos und unfundiert schimpfenden Neidern eine Packung ihrer eigenen Medizin. Und das noch immer mit Klasse, Eloquenz und Menschlichkeit.
Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
30.01.2018 21:37 Uhr 2
Danke, danke.
Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde die Figur eher lahm. Anders als einige der von mir gelisteten Fieslingskritiker funktioniert er für mich nicht als Satire auf unliebsame Kollegiumsvertreter sondern ist einfach nur Shyamalans im Frust verfasstes Kritikerzerrbild, ohne größeres Fundament in der Realität. Aber es ist der schlechteste Shyamalan-Film für mich.
31.01.2018 11:21 Uhr 3
Genau deshalb finde ich den Kritiker so amüsant (und natürlich, weil Balaban ihn gut spielt) - weil Shyamalan einfach mal volle Kanne draufhaut.
01.02.2018 00:41 Uhr 4
Und ich würde mir viel eher nochmal "The Happening" anschauen als nochmal "Das Mädchen aus dem Wasser". Aber das tut ja nun auch nicht wirklich was zur Sache.