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«Ich bin ein Star»: Routiniertes Lagerfeuer mit dem 'Who is that' der deutschen Promi-Szene

Zum zwölften Mal begann am Freitagabend das RTL-Dschungelcamp - und dehnte den Begriff Promi bis zum Spagat. Der ganz große Knall blieb zum Auftakt aus, die Hoffnungen ruhen auf den nächsten Tagen. Angst vor der großen Enttäuschung muss der Sender allerdings nicht ernsthaft haben, denn das Camp ist längst zu einer echten TV-Institution geworden.

Die Promis und 'Promis' der 12. Staffel

  • Ansgar Brinkmann (Ex-Profifußballer)
  • Natascha Ochsenknecht (Ex-Schauspielergattin)
  • Tatjana Gsell (Reality-TV-Profi)
  • Sydney Youngblood (Soul-Sänger)
  • Tina York (Schlagersängerin)
  • Auch dabei: Daniele Negroni («DSDS»-Kandidat), Giuliana Farfalla («GNTM»-Kandidatin), Jenny Frankhauser (Halbschwester von Daniela Katzenberger), David Friedrich («Die Bachelorette»-Gewinner), Sandra Steffl (Schauspielerin, Sängerin & Moderatorin), Kattia Vides («Der Bachelor»-Kandidatin), Matthias Mangiapane (Reality-TV-Teilnehmer)
Man erlebt es nicht mehr allzu oft, dass über die eigene mediale Filterblase hinaus auf ein Fernsehformat so richtig hingefiebert wird. Klar, zahlreiche Krimis und einige Shows der öffentlich-rechtlichen fahren noch immer regelmäßig etliche Millionen Zuschauer ein, Fußball-Übertragungen sind mit deutscher Beteiligung nahezu Selbstläufer und auch die Handball-EM euphorisiert in diesen Tagen - vor allem an diesem Freitag, wo die "Bad Boys" endlich auch mal wieder einen Sieg erringen konnten. Doch das eigentliche Highlight des Tages war der Auftakt in die neue «Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!»-Staffel, die trotz einiger enttäuschend mittelprächtiger Jahrgänge zuletzt schon im Vorfeld insbesondere in den Sozialen Medien reichlich gehypt wurde. Aber hat die große Live-Auftaktshow diese Erwartungen halten können?

Nunja, bedingt, könnte man sagen. Denn was RTL in den ersten knapp drei Stunden der zwölften Staffel ablieferte, lässt sich strukturell eher unter der Überschrift "Den Status Quo manifestieren" zusammenfassen: Die knappe Kandidaten-Zusammenfassung zu Beginn, wobei nach all den Jahren die wenigen Stars und die viel zahlreicher vorhandenen Sternchen längst selbst begriffen haben, dass sie besser damit fahren, sich ihre Ankunft am Promi-Abstellgleis einzugestehen und rationale Beweggründe (in der Regel der schnöde Mammon und/oder die Gier nach Aufmerksamkeit und Publicity) für ihre Partizipation zu benennen - die "Suche nach neuen Herausforderungen" ist in der zynischen Reality-TV-Welt schließlich längst abgedroschen, zumal nicht wenige der Teilnehmer Wiederholungstäter in diesem Segment sind.

Die freundliche Begrüßung der Texas Ranger am Morgen nach der Ankunft im Luxus-Hotel, welche für die zwölf Subjekte der Begierde den Aufbruch ins Camp markiert - diesmal übrigens dreigeteilt, wobei das am wenigsten prominente Quartett seine erste Urwald-Nacht nicht im kargen Camp, sondern in einer noch kargeren, aber dafür nagetierintensiveren Höhle verbringen muss. Die von einigen Motzereien abgesehen längst nicht mehr wirklich überraschende Zusammenkunft, die anschließende Kollektivprüfung an Tag eins, um sich schon einmal an mögliche Publikumsopfer der kommenden Tage heranzutasten. Die abschließende Entscheidung, wer zur nächsten Prüfung antreten muss. Unterbrochen wird all das natürlich auch diesmal von den gewohnt launig und bitterböse geschriebenen Anmoderationen von Sonja und Daniel.


«IbeS»: Geldvermehrungsort vs. Höhepunkt des Lebenswerks


Also als mir 2014 der Name Larissa Marolt genannt wurde, habe ich gefragt: Wer? Und dann liefert das Model eine unglaubliche Leistung ab. Ganz anders als 2015 Aurelio Savina, wo alle dachten: Wow, das wird eine Sensation! Und die Sensation ist ausgeblieben. Ich glaube, Kandidaten können sich selber überhaupt nicht einschätzen, wie sie im Dschungelcamp reagieren werden. [...] Man sollte sich vorher schon mal daran gewöhnen, dass es nur Wasser, Reis und Bohnen gibt. Auch auf Alkohol, Zigaretten und Zucker würde ich im Vorfeld der Show verzichten.
Daniel Hartwich auf die Fragen, ob jeder Kandidat ein guter sein könne und welchen Tipp er für die Teilnehmer habe.
Wer sich wirklich relevante Modifikationen an diesem Ablauf erhofft hatte, wird von der Auftaktfolge enttäuscht sein - doch wirklich zu rechnen war damit ohnehin nicht, denn der Dschungel brummt. Klar, die Quotentendenz zeigte im vergangenen Jahr wieder minimal nach unten, aber regelmäßig zwischen sechs und sieben Millionen am meist späteren Abend sind für RTL mittlerweile Werte, die man sich sonst entweder mit teuren Fußball-Rechten erkaufen muss oder die längst ins Reich der Träume zu verfrachten sind. Zudem hat sich die Sendung eigentlich spätestens nach der Larissa-Marolt-Staffel zu einem Ritual entwickelt, das seither zwar kaum mehr die großen Glanzlichter setzte, aber eben verlässlich gute Unterhaltung darbot.

Und während eine vor Jahrzehnten einmal temporär erfolgreiche Schlagersängerin wie Tina York ihre Motivation ganz offen mit "ich kann nie wieder in so kurzer Zeit so viel Geld verdienen" benennt, sieht man in anderer Teilnehmer Gesichter fast schon so etwas wie eine Begeisterung aufflackern, dort in Australien gelandet zu sein. Denn für «Bachelor»-, «DSDS»- und «GNTM»-Kandidaten, die restliche noch verbliebene Katzenberger-Familie oder einen VOX-«Allestester» ist diese Sendung tatsächlich so etwas wie der Olymp, auf den man jahrelang hingearbeitet hat. Das kann man auf sympathische Weise kundtun, wie es der schon jetzt positiv wie negativ verhaltensauffällige Matthias Mangiapane immer mit einem leichten Augenzwinkern tut, oder eben etwas verzweifelt und armselig wirkend, was in diesem Jahr vorwiegend vom Phänotyp "jung, weiblich und den eigenen Schwerpunkt mehr so auf Body als Brain verlagernd" betrieben wird.

Was in diesem Jahr erst einmal ausbleibt, ist die rasche Etablierung eines großen Unsympathen, der alle anderen überstrahlt. Die auffälligen Charaktere am Freitag dienen hierzu nur bedingt, die jüngere oder ältere oder sonstwas Schwester von Daniela Katzenberger bleibt erst einmal noch relativ blass und holt sich beim Dschungeldiktat ein berechtigtes Lob von Sonja dafür ab, in einem fünf Zeilen umfassenden Text nur sechs offensichtliche Fehler gemacht und sogar so Brain-Bums wie "Widrigkeiten" korrekt geschrieben zu haben. Das Publikum will dennoch mehr Prüfungs-Situationen mit ihr sehen, während Transgender-Model Giuliana Farfalla den Big Ben ungestraft nach Kanada und die Akropolis nach Deutschland verfrachten darf. Ist jetzt eher so mittel intelligent, doch davon abgesehen sieht man auch von ihr zunächst einmal noch wenig.


Auch ein Lagerfeuer wärmt nicht ewig


Und somit ist man sich nach der ersten Folge irgendwie noch nicht so ganz sicher, ob aus diesem Cast wirklich viel herauszuholen ist. Die großen Namen, für die man alleine einzuschalten bereit ist, sind wieder nicht dabei, aber dafür kann sich RTL eben der Zugkraft seiner Marke gewiss sein, die man sich über Jahre der guten redaktionellen Arbeit verdientermaßen erkämpft hat - vor allem der Gag-Autoren und Verantwortlichen für den Soundtrack sollte an dieser Stelle noch einmal explizit gehuldigt werden. Hier läuft eben nicht irgendein «Sommerhaus» der Star-Imitatoren, ein überzeichnetes «Love Island» oder ein meist zähes «Promi Big Brother», sondern DAS Guilty Pleasure, bei dem auch das Feuilleton, der Gelehrte aus dem Hörsaal oder der Orthopäde Ihres Vertrauens oft und gerne mal reinschaltet - und Profi-Trash-TV-Twitterer wie anredo ja ohnehin.

Doch so langsam muss man eben auch mal wieder ein wenig Kasalla liefern, nachdem Selbiges in den letzten Jahren von Legat und der Fürstin der Finsternis vielleicht einmal abgesehen doch eher Mangelware war und zuletzt mindestens zwei Staffeln mit dem Running Gag der Schläfrigkeit auszukommen hatten. Gelingt das in diesem Jahr wieder nicht - und die Gefahr besteht angesichts zahlreicher nichtssagender Reality-Sternchen ohne nennenswerte Vita und Fallhöhe durchaus -, bröckelt das Lagerfeuer-Feeling wohl allmählich. Vielleicht auch deshalb hat man sich diesmal erstmals dazu hinreißen lassen, sich von der Konkurrenz Inspirationen zu holen und mit «Die Stunde danach» ein Latenight-Format auf RTLplus integriert, das knapp eine Stunde lang den wirklich großen Fans den Übergang von Mattscheibe zu Schlafgemach erleichtern soll.

Das Dschungelcamp wird diesmal...
...so legendär wie die Staffeln mit Sarah Dingens und Larissa Marolt.
3,6%
...eine der besseren Staffeln erleben.
14,6%
...vermutlich ähnlich punktuell interessant ablaufen wie im Vorjahr.
52,2%
...eine sterbensfade Schnarchnasen-Veranstaltung werden.
29,6%


Genau diese Schiene war einst «Promi Big Brother» mit großem Erfolg auf sixx gefahren, bevor man trotz herausragender Einschaltquoten und einer sogar sehr gelobten Doppel-Moderation von Jochen Bendel und Melissa Khalaj 2017 aus unerfindlichen Gründen darauf verzichtete. Angela Finger-Erben revitalisiert diese Idee - und hatte sich mit Legat, Olivia Jones und Joey Heindle ein Trio eingeladen, das fast prominenter klang als die Top-Namen des diesjährigen Camps. Übrigens: Die ersten Minuten der «Stunde danach» überschnitten sich zum Auftakt gleich einmal mit den letzten Minuten des Camps, sodass man zunächst einen Splitscreen mit dem RTL-Livestream sah - wirkte noch etwas unbeholfen, zumal Heindle offenbar dachte, mit einem "Schaltet gleich ein!" um Zuschauer werben zu müssen. Immerhin sah man so aber die ungläubige Reaktion Finger-Erbens auf Hartwichs Schlusskommentar, er kenne die Kollegin schon von einer "Zigarette danach". Aber es ist eben das Dschungelcamp - und hier ist zum Glück weiterhin kein Platz für zartbesaitete Selbstironie-Verweigerer.

Ab Samstag läuft «Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!» wie gewohnt täglich gegen 22:15 Uhr bei unser aller RTL, im direkten Anschluss daran gibt es «Die Stunde danach» auf RTLplus zu bestaunen.
20.01.2018 01:45 Uhr Kurz-URL: qmde.de/98498
Manuel Nunez Sanchez

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