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Eine Schlaftablette, made by Woody Allen: «Wonder Wheel»

Woody Allens romantische Tragikomödie «Wonder Wheel» erhielt in den USA vernichtende Kritiken, denen auch wir uns anschließend möchten.

Filmfacts: «Wonder Wheel»

  • Kinostart: 11. Januar 2018
  • Genre: Drama
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 102 Min.
  • Kamera: Vittorio Storaro
  • Buch und Regie: Woody Allen
  • Schauspieler: Kate Winslet, Jim Belushi, Juno Temple, Justin Timberlake, David Krumholtz
  • OT: Wonder Wheel (USA 2017)
Woody Allens neuer Film könnte kaum zu einem schlechteren Zeitpunkt kommen. Schon lange vor der von Harvey Weinsteins erschütterndem Fehlverhalten losgetretenen #MeeToo-Kampagne und dem damit einhergehenden Bekanntwerden von immer mehr Missbrauchsfällen hinter den Kulissen der Traumfabrik, stand der heute 82-jährige Autorenfilmer («Café Society») im Zentrum eines Missbrauchsskandals. Anfang der Neunzigerjahre wurde ihm vorgeworfen, seine siebenjährige Adoptivtochter missbraucht zu haben, während er außerdem ein Verhältnis mit der damals minderjährigen Adoptivtochter seiner ehemaligen Freundin Mia Farrow hatte. Zu einer Anklage kam es in beiden Fällen nie, doch die Vorwürfe begleiten Allen wie ein über ihm hängendes Damoklesschwert, das von Zeit zu Zeit auf ihn hinuntersaust. So eben auch im Rahmen der #MeeToo-Berichterstattung und erst kürzlich, als bekannt wurde, wovon sein derzeit in Produktion befindlicher Film «A Rainy Day in New York» handeln solle – nämlich unter Anderem von einem Verhältnis zwischen einer Fünfzehnjährigen, gespielt von Elle Fanning, und einem Mittvierziger, verkörpert von Jude Law.

Im Zuge dessen musste sich sogar Kate Winslet Kritik anhören, die in Allens aktueller Tragikomödie «Wonder Wheel» die Hauptrolle spielt. Mit seiner schmuck ausgestatteten Dreiecksromanze läuft der Regisseur zwar nicht Gefahr, den Zuschauer aufgrund von Geschmacksentgleisungen zu verärgern, aber ihn zu Tode zu langweilen.

Eine verhängnisvolle Dreiecksbeziehung


Die emotional instabile Ex-Schauspielerin Ginny (Kate Winslet) jobbt in einem Meeresfrüchte-Imbiss und ist unglücklich mit Humpty (Jim Belushi) verheiratet, der auf Coney Island ein Karussell betreibt. Der attraktive junge Rettungsschwimmer Mickey (Justin Timberlake) träumt derweil von einer Karriere als Bühnenautor, während sich Humptys seit Langem getrennt lebende Tochter Carolina (Juno Temple) bei ihm vor einer Gangsterbande versteckt. Ginnys und Mickeys Wege kreuzen sich eines Tages, als die traurige Frau am Strand die Aufmerksamkeit des smarten Verführers auf sich zieht. Doch während er leidenschaftlich für Ginny schwärmt und die beiden sogar eine Affäre beginnen, hat Carolina ein Auge auf Mickey geworfen, der sich dem Charme der jungen Frau nur schwer entziehen kann…

Woody Allen ist nicht bloß immer in Personalunion für Drehbuch und Regie verantwortlich, er bleibt sich auch bis heute einem bestimmten Inszenierungsstil treu. Den mögen die Einen altbacken, die Anderen klassisch nennen – und je nach Endprodukt treffen auch beide Dinge zu. Doch letztlich ist für den Film gar nicht entscheidend, wie spektakulär die Kamerafahrten sind, ob der Abspann nun aus Lauftext oder einzelnen Tafeln besteht, oder ob es sich bei der Hintergrundmusik mal wieder um das ewig gleiche Jazzgedudel handelt. So lange es zum Gesamtkonzept passt, können auch sich mehrfach wiederholende Motive wunderbar funktionieren (letztlich haben sich Allens Werke in den vergangenen Jahren immer schon frappierend geähnelt), doch im Falle von «Wonder Wheel» überspannt der Autorenfilmer seinen bewährten Bogen.

In seiner Geschichte seziert er die Gefühlslagen verzweifelter Menschen, wendet sich jedoch endlich einmal von den oberen Zehntausend ab und blickt verständnisvoll auf die seelischen Probleme „ganz normaler Menschen“. Dieser Umstand lässt sich «Wonder Wheel» allerdings nur so lange zugute halten, bis sich offenbart, dass die Probleme an sich hier genau dieselben sind. Die von einer kaum als sie selbst wiederzuerkennenden Kate Winslet («Zwischen zwei Leben – The Mountain Between Us») verkörperte Ginny ist letztlich eine von vielen ihrer Vergangenheit hinterher trauernden Frauen, wie Allen ihnen eigentlich mit «Blue Jasmine» bereits das perfekte Denkmal gesetzt hatte.

Zwischen Hysterie, Theatralik und Langeweile


Auch mit dem hoffnungsvollen Starlet (hier verkörpert von Juno Temple) und dem kühnen Frauenversteher (Justin Timberlake) kommen in «Wonder Wheel» bewährte Figurentypen unter der Leitung von Woody Allen zusammen, deren Interaktion auf eine klassische Dreiecksgeschichte zuläuft. Leider mangelt es dem Skript an eigenen Impulsen; die Tragikomödie hängt einfach nur einzelne, genretypische Szenerien aneinander und versucht aus der Situation heraus Spannung und Emotion zu erzeugen, verliert dabei allerdings die Figuren aus den Augen. Für die lässt es sich in «Wonder Wheel» nämlich kaum Interesse aufbringen. Sie alle scheinen jeweils einem völlig anderen Film entsprungen: Kate Winslet kratzt immer wieder gefährlich nah am Overacting zur (im wahrsten Sinne des Wortes!) theatralischen Furie, Timberlake («Freunde mit gewissen Vorzügen») versieht seine Figur mit einem derart übergroßen Augenzwinkern, dass sich fast schon von einer Parodie sprechen lässt und dazwischen versuchen sich Juno Temple («Maleficent – Die dunkle Fee») und Jim Belushi («Twin Peaks») an aufbrausendem Spiel, das immer dann mitreißt, wenn beide zusammen in einer Szene zu sehen sind.

Unabhängig voneinander funktionieren beide dagegen kaum – auch weil sämtliche Figuren in «Wonder Wheel» mit Dialogen vorlieb nehmen müssen, an denen sich Woody Allen ohne jedwede Rücksichtnahme auf Authentizität ausgetobt hat.

Wie Woody Allen im Laufe der zähen 100 Minuten sämtliche Subplots verdichtet und auf ein durchaus stimmiges Finale zusteuert, hat hier und da einige charmante Ansätze. Vor allem Teile der Lovestory zwischen Ginny und Mickey sind so charmant inszeniert, dass sie über die anstrengenden Dialoge hinwegtäuschen können. Dasselbe gilt für das chice Retro-Setdesign, wodurch das Coney Island der Fünfzigerjahre zum gar nicht ganz so geheimen Star von «Wonder Wheel» wird. Trotzdem stehen einzelne Handlungssegmente wie nicht passend wollende Puzzleteile dem runden Eindruck des Films im Wege. Die zwischendurch eingeschobenen Eskapaden das Feuer legenden Sohnes sind zwar in ihrer Kurzweil lustig, lassen aber den Bezug zur eigentlichen Handlung vermissen. Auch die penetrante Farbsymbolik raubt dem Film ebenso Leben, wie die teils theaterhaft anmutenden Bilder, in denen jede Figur – und sei es nur ein Statist – ganz genaue Vorgaben hat, wie er sich wann von wo nach wo zu bewegen hat.

«Wonder Wheel» will ein Film über die Unberechenbarkeit des Lebens sein und ist dabei so starr, wie Jemand, der ein auswendig gelerntes Skript immer noch abliest. Dem passen sich letztlich auch die Darsteller an, die überhaupt keine Gelegenheit haben, ihre eigene Persönlichkeit in den Film einzubringen.

Fazit


Woody Allen bräuchte nicht einmal den Skandal um seine Person, um negative Resonanz zu seinem neuesten Werk zu erhalten. Die theaterhafte Tragikomödie «Wonder Wheel» ist trotz der berauschenden Kulisse eine redselige Schlaftablette.

«Wonder Wheel» ist ab dem 11. Januar in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
09.01.2018 15:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/98250
Antje Wessels

super
schade


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Es gibt 8 Kommentare zum Artikel
Kingsdale
10.01.2018 08:05 Uhr 6
Was erwartet man von einen Woody Allen-Film? Das da auch nur ansatzweise eine interessante und aufregende Geschichte erzählt wird? Das Woody Allen heute überhaupt noch hoch angesehen wird, ist mir Schleierhaft. Zwar wird er mit seinen langweiligen Filmen bei Kritikern immer gelobt, aber bei den Zuschauern fielen die letzten Filme total durch und gelten Finanzielle als Flops!
Florence
10.01.2018 09:11 Uhr 7
@Sid

Es mag dich räteseln lassen, aber wenn ich eine Filmkritik mit einem solchen Einstieg lese, fällt es mir reichlich schwer dem Autor im weiterem Verlauf eine hohe Glaubwürdigkeit über die objektive Betrachtung der filmischen Inhalte zu schenken. Gerade potennzielle Zuschauer der Woody Allen Filme dürften hinlänglich mit dessem Leben vertraut sein. Du sprichst hier vom Elefanten im Raum. Da frage ich mich doch, ob was ihr für eine Wahrnehmung habt? Allen hatte seinen eigenen Skandal schon vor Jahren bzw. Jahrzehnten. Im Zuge der Weinstein-Aufdeckungen ist Allen nicht mehr oder weniger in den Fokus gerückt, als er eh schon seit Jahren ist. Hier also groß und breit erstmal einen Filmverriss mit dieser Story einzuleiten, zeugt einfach nur von unsachlichem Journalismus, denn wie geschrieben, hat das alles mit dem Film selbst rein gar nichts zu tun, und darum sollte es in einer Filmkritik primär gehen.



@Kingsdale

Hast du dir denn überhaupt mal kurz die Mühe gemacht, dich über seine letzten Filme zu informieren? Woody Allen ist nun kein Blockbuster Regisseur, entsprechend ist bei seinen Filmen auch nicht damit zu rechnen, dass er permanent hunderte von Millionen Dollar einspielt. Sein Durchschnittsbudget pro Film dürfte bei so um die 15Mio Dollar liegen. Wenn man sich dann mal die letzten 9-10 Filme anschaut, hat er in mindestens 6 davon einen Gewinn eingefahren (auch nach Marketing, wobei das bei seinen Filmen prozentual wohl deutlich geringer ausfallen dürfte, als bei BigBudget Produktionen und man entsprechend früher in der Gewinnzone ist).



Als einzig wirklich größeren Flop dürfe sein letzter Film Cafe Society gewesen sein. Ansonsten waren mit Vicky Cristina Barcelona, Midnight in Paris, To Rome with Love oder Blue Jasmine durchaus ziemlich erfolgreiche Filme in den letzten Jahren unter seinen Werken.
Extaler
10.01.2018 17:16 Uhr 8

Unseriös wäre das größte Thema in der Medienbranche nicht zu erwähnen. Der Hauptsinn einer Filmkritik ist es dem Leser eine Empfehlung (oder keine) zu geben, ob man das Geld und die Zeit investiert. Bei vielen Leuten spielt es glücklicherweise eine Rolle, wie sich die Macher im Privatleben benhemen. Man möchte jemandem der seine Stieftochter geheiratet hat und der Dylan Farrow missbraucht hat kein Geld geben. Deshalb sollte es eben auch erwähnt werden, damit die Leute selbst entscheiden können.

Zumal Woody Allen von der Beziehung alter Männer und blutjunger Frauen besessen ist, von daher passt es eben auch.



Greta Gerwig hat sich jetzt auch von ihm distanziert:



Das Menschen in Beziehungen mit Missbrauch bleiben ist keine Seltenheit, sondern eher die Regel und entschuldigt sicher nichts. Generell kann man es aber auch ablehnen, wenn jemand seine Stieftochter heiratet...Auch wenn sie 30 wäre.



Wann denn dann, wenn es nach dir geht? Nie? Wieso stört dich das denn so umgemein :?: Du legst hier eine Leidenschaft an den Tag dieses Thema anzugreifen, oder evlt ist es eine Panik? Was ist denn deine Motivation hier ständig diese Thema anzugreifen und sich auf die Seite der Männer zu stellen?



Ist es nicht auch gegen die Forenregeln hier mit Zweitaccount zu schreiben, wie es Logan99 aka Florence tut?
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