Eine Mordserie, die Kommissar Oliver von Bodenstein in seine Heimat führt – und tief in seine Vergangenheit. Wie viel Spannung steckt in der nächsten Nele-Neuhaus-Verfilmung?
Cast & Crew «Im Wald»
- Regie: Marcus O. Rosenmüller
- Drehbuch: Anna Tebbe nach der Buchvorlage von Nele Neuhaus
- Darsteller: Tim Bergmann, Felicitas Woll, Hannes Wegener, Martin Feifel, Andrea Sawatzki u.a.
- Kamera: Marcus Kanter
- Produktionsfirma: all-in-production
Ein idealer Sonnensommer, eigentlich gemacht dafür, um Kindheitserinnerungen zu produzieren: wie man früher mit den besten Freunden im Wald gespielt hat, das Fußballturnier gewonnen hat, wie man Blutsbrüderschaft eingeht und Geheimnisse verrät. Für Kommissar Oliver von Bodenstein (Tim Bergmann) hätte es ein solcher Sommer werden sollen, damals vor 35 Jahren, ein Sommer voller unschuldiger Kindheitserinnerungen. Doch was bleibt, ist das Verschwinden seines besten Freundes Artur: Eines Tages verschwindet das Einwandererkind spurlos, und seine Eltern stehen verzweifelt vor einer wenig hilfsbedürftigen Polizei und vor einem Dorf, das zu dem Fall schweigt.
Die Vergangenheit holt die Gegenwart im neuesten «Taunuskrimi» ein: Ein Mann wird in seinem Wohnwagen brutal ermordet, das Fahrzeug anschließend in Brand gesteckt, es explodiert. Es ist nur der Auftakt zu einer Mordserie, die Oliver von Bodensteins Heimatdorf erschüttert. Zusammen mit seiner Kollegin Pia Sander (Felicitas Woll) nimmt er die Ermittlungen auf, nicht ganz unbefangen, wie sie bemerkt. Der Tote gehörte – genau wie Oliver – damals zu einer Kinderbande, die durch dick und dünn ging. Von Bodenstein ahnt, dass die Morde daher etwas mit Arturs ungeklärtem Verschwinden vor Jahrzehnten zu tun haben könnten. Und damals wie heute stößt er auf eine Mauer des Schweigens im Dorf, auf verängstigte Einwohner und wenig Kooperationsbereitschaft. Wer spricht, könnte bald der nächste auf der Liste des Mörders sein.
Es ist ein weiterer Fall in der ZDF-Reihe der «Taunuskrimis». Seitdem man die Verfilmungen als Zweiteiler anlegt, haben sie an Profil und Komplexität gewonnen. Das tut einerseits der Story gut, andererseits wurden die letzten beiden Formate gerade hier für das verschenkte Potenzial kritisiert: Trotz ihrer Länge von 180 Minuten schafften es die Krimis nicht, ihren Hauptfiguren ausreichend charakterliche Tiefe zu verschaffen. «Im Wald» ändert nun diesen Zustand, indem es tief in der Persönlichkeit des Kommissars Oliver von Bodenstein wühlt. Er selbst gerät irgendwann ins Fadenkreuz, aber auch nur er hat durch seine persönlichen Erinnerungen den Schlüssel, um diesen Fall endgültig zu lösen.
«Im Wald»: Zwei Erzählebenen, zu viele Charaktere
Dass «Im Wald» eine ordentliche Portion Spannung mitbringt, liegt also nicht zuletzt an Oliver von Bodensteins persönlicher Verwicklung in den Fall. Wer das Ermittlerduo seit Jahren im ZDF begleitet, wird diesen Fall daher wohl mehr wertschätzen als Neueinsteiger. Unnötig komplex gestaltet sich dagegen das Ensemble zahlreicher Nebenfiguren, die als Dorfbewohner oft nur eine oberflächliche Rolle spielen, inhaltlich kaum eingeführt werden. Viele von ihnen tauchen sporadisch immer wieder in Teil 1 und 2 der Verfilmung auf, ohne dass man sich nachhaltig an sie erinnern würde: Wer war das nochmal? Auf 180 Minuten Spannung kommt der Krimi daher nicht, es gibt Leerlauf, zahlreiche kleine Geschichtchen werden erzählt. Hier hätte man sich mehr Zeit nehmen können für Oliver von Weinheims Kollegin Pia Sander: Sie bleibt charakterlich wieder blass und macht keine persönliche Entwicklung durch.
Nachvollziehbar wird dieser «Taunuskrimi» auf zwei Erzählebenen angelegt, in Gegenwart und Vergangenheit. Die zahlreichen, teilweise verschwommenen Rückblenden zeichnen das trügerische Bild einer Dorfidylle und einer erschütterten Kindheit. Selten blitzen gesellschaftskritische Töne durch, so beim Einwandererkind Artur, das kaum Anschluss zu finden scheint, außer bei Kumpel Oliver. Die Rückblenden sind in sepiafarbenen Tönen gehalten und schaffen es, nostalgische Gefühle zu transportieren. Visuell ebenfalls gelungen ist die Darstellung des Hauptmotivs Wald vorkommt: Der Wald wird als geheimnisvoller Ort der Kindheit dargestellt, in dem man spielt und redet, in dem man Erinnerungen produziert. In der Gegenwart ist der Wald dagegen das mysteriöse Wesen, das diese Erinnerungen verschluckt und zur Gefahr wird. Der nebelversunkene Wald wird hier ambivalent schön und düster inszeniert, was zur aufgeladenen Atmosphäre des Taunuskrimis beiträgt. Dem Titel macht die audiovisuelle Darstellung unter der Regie von Marcus O. Rosenmüller und der Kamera von Marcus Kanter daher alle Ehre.
Der Zweiteiler «Im Wald» punktet diesmal mit einer persönlichen Story, die Kommissar Oliver von Bodenstein tief zu den Dämonen seiner Vergangenheit führt. Was der Krimi hier an Intensität und Spannung gewinnt, verliert er dagegen teilweise durch die unnötig komplizierten Erzählungen und Beziehungsgeflechte vieler Nebencharaktere sowie die fehlende Entwicklung von Kollegin Sander. Inszenatorisch ist die Verfilmung durch die beiden Erzählebenen der Vergangenheit und Gegenwart sowie das durchgehend ambivalente Wald-Motiv abwechslungsreich und intensiv angelegt. Ein sehr, sehr deutscher Krimi.
Das ZDF zeigt den Zweiteiler «Im Wald» am Dienstag und Mittwoch, 2. und 3. Januar, je um 20.15 Uhr.
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