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Alles aus Liebe: «Voll verschleiert»

Ein Film über ein Stück Stoff der ganz sicher für Gesprächsstoff sorgen wird – doch ist «Voll verschleiert» auch respektvoll genug, um keinen ungewollten Hass zu provozieren?

Filmfacts: «Voll verschleiert»

  • Kinostart: 28. Dezember
  • Genre: Komödie
  • FSK: 6
  • Laufzeit: 88 Min.
  • Kamera: Yves Angelo
  • Musik: Jérôme Rebotier
  • Buch und Regie: Sou Abadi
  • Schauspieler: Félix Moati, William Lebghil, Camélia Jordana, Anne Alvaro, Predrag 'Miki' Manojlovic
  • OT: Cherchez la femme (FR 2017)
2017 war nicht nur das Jahr von #MeToo und Harvey Weinstein, auch an anderer Stelle ging es (zumindest vordergründig) um die Selbstbestimmungsrechte der Frau. In Frankreich wurde in diesem Sommer erstmals die Vollverschleierung der Frau verboten; auch in Österreich mischt man sich seit Neuestem in die Bekleidung weiblicher Mitbürger ein. Da kommt ein Film wie «Voll verschleiert» vor allem dann gerade recht, wenn er den Irrsinn rund um dieses Stückchen Stoff gekonnt auf die Spitze treibt – doch der Trailer zu der französischen Komödie verkauft «Voll verschleiert» zunächst ganz anders; albern und eben so ganz und gar nicht respektvoll. Ein klassischer Fall von falscher Promo, denn das Endergebnis des unter Anderem auch auf dem Filmfest Hamburg vorgeführten Spielfilms kann sich durchaus sehen lassen. Regisseurin Sou Abadi («SOS Teheran») – selbst nur allzu gut vertraut mit der islamischen Kultur – lacht mit ihren Figuren über die Widersprüche in Religion und Zusammenleben, wird aber im richtigen Moment ernst, wenn es darum geht, sich gerade mit den daraus resultierenden Konfliktherden zu befassen. «Voll verschleiert» ist kein Schenkelklopferfilm, sondern besticht überraschenderweise vor allem in seinen leisen Tönen.

Eine Liebe unter einem schlechten Stern


Armand (Felix Moati) und Leila (Camélia Jordana), Studenten der Wirtschaftswissenschaften, sind frisch verliebt. Gemeinsam haben sie Großes vor: Sie wollen nach New York ziehen und dort ein Praktikum bei den Vereinten Nationen absolvieren. Doch kurz vor ihrer Abreise durchkreuzt Leilas Bruder Mahmoud (William Lebghil) ihre Zukunftsplanung. Zurück von einem längeren Aufenthalt aus dem Jemen, der ihn verändert hat, wendet er sich gegen die romantische Beziehung seiner Schwester zu einem Mann und beschließt, dass Armand in Leilas Leben nichts verloren hat. Armand und Leila bleibt keine Wahl: Um sich überhaupt treffen zu können, muss Armand einen Niqab tragen, sodass er sie unerkannt besuchen kann. Getarnt als Leilas neue beste Freundin „Scheherazade“ geht Armand zuhause ein und aus – und verdreht Mahmoud mit scheuem Wesen und wunderschönen Augen unbeabsichtigt den Kopf.

«Voll verschleiert» ist zunächst einmal eine Liebesgeschichte. Im Mittelpunkt steht das bis über beide Ohren ineinander verschossene Pärchen Armand und Leila, die beide in Frankreich aufgewachsen sind und ursprünglich aus islamgeprägten Ländern stammen. Das wird allerdings zum Problem, als Leilas Bruder nach einer Jemenreise plötzlich auf dem besten Weg dahin ist, sich als Islamist am Heiligen Krieg zu beteiligen. Sou Abadi, die auch das Drehbuch schrieb, zeichnet den resoluten Mahmoud, den seine beiden Geschwistern so selbst kaum wiedererkennen, nah an der Grenze zur Karikatur eines Wahnhaften, doch in der ersten halben Stunde bleibt «Voll verschleiert» so weit auf dem erzählerischen Teppich, dass die angedeuteten Probleme jederzeit nachvollziehbar sind. Der Konflikt brodelt, denn trotz des mitunter fast schon überengagierten Spiels von William Lebghil («Das Leben ist ein Fest») wird aus seiner Figur zunächst eine glaubhafte Bedrohung und im Hinblick auf das junge Glück von Armand und Leila zur Schurkenfigur.

Das führt dazu, dass Armands Idee, sich fortan mithilfe einer fast vollständigen Verschleierung unbemerkt mit seiner Freundin zu treffen, in ihrer überzeichnet-humoristischen Ausführung zur echten Erlösung wird; schließlich möchte man kaum darüber nachdenken, was passieren würde, sollte Mahmoud seine fehlgeleiteten Ideologien tatsächlich durchsetzen.

Weniger Klamauk, mehr Versöhnung


Mit dem Beschluss, es mit dieser Verhüllungsnummer einfach mal zu versuchen, wird «Voll verschleiert» direkt eine Spur alberner; auf den Witz, der in schwächeren Filmen gern mal einfach nur daraus entstehen soll, dass ein Mann in Frauenkleider gesteckt wird (oder umgekehrt), wird dabei in all seiner Grobmotorik verzichtet. Stattdessen werden Beobachtungen wie jene, dass es für einen Mann durchaus schwierig ist, in High Heels zu laufen, oder dass sich das Trinken aus Bechern für ungeübte mit einem Schleier im Gesicht mitunter schwierig gestalten kann, eher am Rande abgehandelt. Trotzdem entwickeln sich aus der Situation heraus immer wieder richtig komische Momente; schon das erste Kennenlernen zwischen dem verhüllten Armand und Leilas Familie, die, genauso wenig wie Leila selbst, nichts von den Absichten ihres Freundes ahnt, wird zu einem Spiel mit dem Feuer, das den Humor von «Voll verschleiert» kaum treffender zusammenfassen könnte.

In der französischen Komödie macht ein hoffnungsvoller Romantiker aus einer ernst zu nehmenden Not mit mehr Glück als Verstand eine Tugend, manövriert sich dafür durch allerlei Fettnäpfchen, geht hohe Risiken ein und steuert damit unweigerlich und gleichermaßen auf eine Katastrophe und ein Happy End zu; tatsächlich liegen in «Voll verschleiert» Glück und Unglück sehr nah beieinander, was vor allem daran liegt, dass die Regiedebütantin die Belange ihrer Figuren – erst recht jene des fehlgeleiteten Mahmouds – jederzeit ernst nimmt. Das bedeutet allerdings nicht, dass letzterer im Laufe der flott inszenierten 89 Minuten ordentlich Feder lassen darf.

Als wäre die Verhüllungsnummer mit all ihren großen und kleinen Problemen nicht schon amüsant genug, darf sich Mahmoud schließlich auch noch in die Unbekannte verlieben und Armand damit in ein noch größeres Dilemma stürzen. Doch Sou Abadi nutzt diesen Subplot in erster Linie nicht für weitere Pointen, sondern vor allem, um das Verhalten Mahmouds im Hinblick auf seine jüngere Schwester anhand des verschleierten Armand zu spiegeln. In der stärksten Szene des Films führt die ihrem Bruder intellektuell haushoch überlegene Leila an, weshalb Mahmoud bestimmen könne, die Unbekannte müsse ihn gefälligst zum Mann nehmen, auch wenn diese bereits an ihren Cousin versprochen sei, wenn Mahmoud gleichzeitig über Leib und Wohl seiner Schwester bestimmt.

In solchen klar formulierten Momenten ist «Voll verschleiert» am eindringlichsten und funktioniert auf dieser fast aufklärerischen Ebene besser, als rein durch die Gags; von denen besitzt die Komödie für dieses Genre nämlich überraschend wenige, auch wenn die vorhandenen definitiv zünden (Stichwort: Bettlaken). Dasselbe gilt für die Geschichte: Lässt Abadi diese geradlinig voranschreiten, entwickelt ihr Film einen beachtlichen Drive. Doch die vielen Nebenfiguren, allen voran Armands Eltern, bremsen das Geschehen mitunter aus, während das Ende wiederum die Story so ad hoc abschließt, dass man sich um das Happy End fast schon betrogen fühlt.

Fazit


«Voll verschleiert» ist eine angenehm unalberne Komödie mit dem Herz am rechten Fleck, die die teils irrsinnigen Auswüchse des Islam gekonnt offenlegt, ohne diese zu irgendeiner Zeit böswillig abzuwerten. Stattdessen legt Sou Abadi gekonnt den Finger in die Wunde – und das alles im Rahmen einer süßen Liebesgeschichte.

«Voll verschleiert» ist ab dem 28. Dezember in den deutschen Kinos zu sehen.
28.12.2017 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/98025
Antje Wessels

super
schade


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Tags

Das Leben ist ein Fest SOS Teheran Voll verschleiert

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