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Die Kritiker: «Polizeiruf 110 - Das Beste für mein Kind»

"Das ist ein bisschen melodramatisch, oder?", fragt Adam Raczek seine Kollegin Olga Lenski im neuen «Polizeiruf 110» an einer Stelle. Wie recht er damit hat...

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Maria Simon als Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski
Lucas Gregorowicz als Kriminalhauptkommissar Adam Raczek
Robert Gonera als Inspektor Karol Pawlak
Klaudiusz Kaufmann als Komisarz Wiktor Krol
Katharina Heyer als Sabine Hallmann
Tobias Oertel als Robert Hallmann
Julia-Maria Köhler als Lydia Raczek

Hinter der Kamera:
Produktion: DOKfilm Fernsehproduktion GmbH
Drehbuch: Elke Rössler, Jakob Ziemnicki und Christoph Callenberg
Regie: Jakob Ziemnicki
Kamera: Gunnar Fuss
Eigentlich geht alles ganz schnell. Im polnisch-brandenburgischen Grenzgebiet wird ein Kind entführt. Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski (Maria Simon) und ihr polnischer Kollege Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) fangen an, zu ermitteln, Lenski muss sich von der verzweifelten Mutter Sabine Hallmann (Katharina Heyer) entsetzt fragen lassen, ob das ihre erste Kindesentführung ist, Videoüberwachungen werden ausgewertet, Fahndungen gehen raus – und dann: Nach wenigen Stunden wird das Kind in einer polnischen Klinik ausgesetzt. Die Eltern sind überglücklich, Olga Lenski erleichtert. Doch der polnische Kommissar hätte da noch eine Frage: Wie viel Lösegeld die Eltern bezahlt haben, um ihr Kind so schnell wiederzusehen?

Die wiegeln ab. Er habe überhaupt kein Lösegeld bezahlt, beteuert Vater Robert (Tobias Oertel), auch auf die wohlmeinendsten Nachfragen von Raczek. Das deutsch-polnische Ermittlerteam wird zunehmend skeptisch, beginnt in den Biographien der Beteiligten zu wühlen, und stößt schließlich – unglaubwürdig spät – auf des Rätsels Lösung: Die Hallmanns sind nicht die leiblichen Eltern des entführten Babys. Kurz nach der Geburt sollen die leiblichen polnischen Eltern das Kind für einen fünfstelligen Betrag an die deutschen Adoptiveltern verkauft haben. Ein von Hallmann vorgelegter Vaterschaftstest wird rasch als Fälschung entlarvt; doch der dann gefundene leibliche Vater ist auch nicht der Ehemann der leiblichen Mutter. Alles ein bisschen kompliziert.

Um nicht nur dieses vertrackte Knäuel von abstrusen familiären Beziehungen entwirren zu müssen, geben die Drehbuchautoren Olga Lenski und Adam Raczek schließlich doch noch einen Mordfall zum Lösen: Der Entführer des Kindes wird tot in einem im See versenkten Wagen aufgefunden. Im selben Auto finden sich 25.000 Euro, an denen sein Mörder offensichtlich kein Interesse hatte.

Für einen Sonntagabendkrimi über entführte Kinder und seltsame Familienkonstellationen ist „Das Beste für mein Kind“ erstaunlich arm an Subtext, beziehungsweise an einer Spiegelung des Falls in den Privatgeschichten der Ermittler. Letztere wird nur ganz oberflächlich forciert, indem Lenskis Dienstvorgesetzter ihr den Fall nicht alleine überträgt, da sie selbst ja eine junge Mutter sei und diese Situation emotional also vielleicht nicht stemmen könne. Adam Raczek hat derweil Stress mit seiner Frau, weil sie gerne vom polnisch-deutschen Grenzgebiet nach Frankfurt ziehen und dort wieder arbeiten möchte. Dramaturgisch wird daraus aber überhaupt nichts Wesentliches, Interessantes gespinnt. Die Wirkung: „Ach, sieh an, bei denen kriselt’s auch, wie bei den polnischen Verdächtigen“, soll als Schlussfolgerung genügen. Narrativ alles ein wenig armselig.

Als atmosphärischer Film über Verlust, Schmerz und Angst, über unerfüllte Kinderwünsche und zerbrechende Familien hätte dieser Stoff großartig funktionieren können. In dieser lustlosen, schematischen Whodunnit-Aufbereitung dagegen fehlt jeglicher emotionale Anker, jedwede sinnvolle Aussage, jedweder wertvolle Beitrag. Filmisch wie dramaturgisch beschränkt man sich auf dutzendfach gesehen Allgemeinplätze: Wenn die Mutter des entführten Kindes durchdreht, brüllt Olga Lenski auf sie ein, bis sie wieder ruhig ist. Danach gehen die beiden Frauen zum Rauchen und schweigen sich dabei mit bedeutungsvollen Gesichtern an, nur unterbrochen von uninspirierten Allerweltsätzen. Das soll Tiefgang suggerieren, ist aber nichts als die zelebrierte Oberflächlichkeit.

„Das ist ein bisschen melodramatisch, oder?“, fragt Raczek an einer Stelle auf eine zunächst ziemlich abwegig klingende Ausführung seiner Kollege über den möglichen Tathergang. „Warum nicht?“, antwortet die mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Es scheint, dass diese Passage des ganzen Films die mit Abstand metafiktionalste ist.

Das Erste zeigt «Polizeiruf 110 – Das Beste für mein Kind» am Sonntag, den 3. Dezember um 20.15 Uhr.
03.12.2017 10:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/97509
Julian Miller

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Tags

Das Beste für mein Kind Polizeiruf 110

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