«Stromberg» hat erzählerisch viel geleistet. Unter anderem hat das Format geradezu mustergültig vorgeführt, wie eine gelungene Seriendaption aussehen muss. Unser Serientäter mit einer Analyse.
Dass es sich bei «Stromberg» um eine Adaption des britischen Comedy-Formats «The Office» handelte, wollte man zuerst nicht zugeben. Es bedurfte der Intervention der Produzenten des ursprünglichen Formats, um unter anderem eine entsprechende Kennzeichnung in späteren Staffeln durchzusetzen.
Dabei hätte man zumindest aus künstlerischer Sicht überhaupt kein Geheimnis darum machen müssen. Im Gegenteil: «Stromberg» ist nämlich wohl eine der gelungensten Serienadaptionen, die der deutsche Markt je produziert hat.
Adaptionen bewegen sich immer im Spannungsfeld zwischen zwei konträren Anforderungen: Werktreue zum Original und notwendigen Veränderungen, um im Zielmarkt verstanden und angenommen zu werden. Diesbezüglich ist eine Adaption einer Übersetzung nicht unähnlich – und deshalb kann man wohl auch ähnliche Maßstäbe anlegen: Eine Übersetzung ist immer dann am gelungensten, wenn man gar nicht merkt, dass man gerade eine liest. Und im selben Sinne funktioniert eine Adaption immer dann am besten, wenn man nicht merkt, dass man gerade eine sieht.
Zwischen dem britischen «Office»-Figurenpersonal und dem deutschen «Stromberg»-Team lassen sich freilich Parallelen erkennen. Bernd Stromberg ist eine Adaption von David Brent, der sozial schwerfällige Ernie Heisterkamp ist Gareth Keenan nachempfunden, Ulf Steinke ist das deutsche Pendant zu Tim Canterbury (für alle «Sherlock»-Fans: verkörpert von einem jungen Martin Freeman), dessen
Love Interest, die Rezeptionistin Dawn, wiederum für die Deutsche Tanja Seifert Patin stand. Doch genau an dieser Stelle greift die oben ausgeführte Regel: Ernie Heisterkamp ist kein deutscher Gareth, Bernd Stromberg kein deutscher David Brent.
Was «Stromberg» als Adaption so viel besser gelingt als vielen anderen Versuchen, ein ausländisches Format auf den heimischen Markt umzumünzen, sind die behutsamen Änderungen an deutsche Gepflogenheiten, ohne dass auf den ersten Blick erkennbar ist, was hier verändert wurde. Der deutsche Ernie ist weniger obszön als der britische Gareth, weil dieses sehr englische Klischee über eine sozial schwerfällige, maskulin dominierte Unterschicht in Deutschland so nicht existiert. Der britische Tim ist umsichtiger als der deutsche Ulf: Denn während Ulf sich schwer tut, mit Stromberg auf Augenhöhe zu kommunizieren, spielt Tim auf David Brent wie auf einer Geige. Und der deutsche David Brent ist zwar genauso intrigant, selbstsüchtig und misogyn wie Bernd Stromberg, ihm fehlt aber die typisch deutsche Biederkeit, wie man sie sich am mittleren Management deutscher Versicherungsmitarbeiter vorstellt.
Dem steht nicht im Wege, dass sich bestimmte Plots ähnlich entwickeln: So wie Dawn und Tim sich im «Office» näher kommen, werden auch Tanja und Ulf ein Paar. Während es für David Brent auf der Hierarchie nach fast jedem größeren Fehltritt steil abwärts geht, muss auch Stromberg Zeit im Archiv oder der Provinz von Inzesthausen absitzen. Doch auch in diesen Handlungsabrissen ist die erzählerische Stärke von «Stromberg» erkenntlich. Man denkt nicht unweigerlich ständig an das Original, wenn man sie sieht.
Viele Adaptionen machen den Fehler, dass sie sich ihren Zielmarkt nur in Klischees vorstellen – oder, besonders in Deutschland: Dass sie ihr Publikum für zu doof halten, den komplexen Plots oder dem feinsinnigen Witz des Originals zu folgen. Diese Fehler wurden bei der Adaption von «The Office» mit «Stromberg» konsequent vermieden. «Stromberg» erzählt nah an einer gewissen deutschen Angestelltenlebensrealität, ohne dass dieser regionale Bezug dem Format aufoktroyiert wirkt. Dadurch funktionierte die Serie nicht nur als abschreckendes Beispiel für den Versicherungsbetrieb – sondern auch als Lehrbuchbeispiel für eine gelungene Adaption.
Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
25.11.2017 17:12 Uhr 1