Der Erfolgsautor hinter der «Rico, Oskar und …»-Reihe sowie «Die Mitte der Welt» hat mit «Dschermeni» für den KiKA eine Serie über multikulturelle Freundschaft geschrieben – und hofft, dass sie nicht übermäßig politisiert wird.
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Zur Person
Der 1962 in Battenberg geborene Schriftsteller schrieb unter anderem den gefeierten Roman «Die Mitte der Welt» und die sehr populäre «Rico, Oskar und …»-Kinderbuchreihe. Er ist zudem als Übersetzer und Hörbuch-Vorleser tätig, darüber hinaus ist er als Drehbuchautor aktiv. Unter anderem verfasste er zahlreiche Folgen vom «Käpt'n Blaubär Club», zwischenzeitlich war er auch für «Löwenzahn» verantwortlich. Seit 2016 konzipiert er «Rico & Oskar»-Trickepisoden für «Die Sendung mit der Maus».
Bevor wir inhaltlich werden, eine produktionstechnische Frage: Ist «Dschermeni» eine Auftragsproduktion oder sind Sie mit der Idee an das für diese KiKA-Serie verantwortliche ZDF herangetreten?
«Dschermeni» ist da quasi eine Mischform – es stimmt beides so ein bisschen. Das ZDF ist an die Tellux herangetreten, unseren Koproduktionspartner, und wollte wissen, ob wir eine in diese thematische Richtung gehende Serie machen wollen. Das ZDF wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass Klaus Döring und ich eine eigene Produktionsfirma gegründet hatten. Und weil ich die Grundidee schön fand und mir vorstellen konnte, solch eine Serie zu machen, habe ich reagiert – allerdings bin ich dann auf das ZDF zugegangen und meinte, dass ich «Dschermeni» nur schreiben werde, wenn ich zusätzlich zur Position als Autor auch als Produzent fungieren darf.
Die Krux an der ganzen Sache ist nämlich: Gerade bei solch einem Stoff will ich Kontrolle darüber haben, was am Ende dabei herauskommt. Ist man nur Autor, dann gibt man den Text ab, geht danach vielleicht noch einmal drüber, wenn der Auftraggeber sich eine Revision wünscht, und danach wird einem sämtliche Verantwortung entzogen. Alle anderen machen mit deinem Drehbuch, was sie wollen. Bei diesem Material hatte ich darauf überhaupt keine Lust – und zum Glück stieß ich damit auf Verständnis. Die Serie kommt nun also so raus, wie ich sie mir vorgestellt habe.
Ich schätze Mal, dass Sie so in die Offensive gegangen sind, weil es gerade bei einer Serie über Integration, Flüchtlinge und multikulturellem Zusammenleben ungünstig ist, Kontrolle abzugeben? Dann steht nachher Ihr Name als Autor drauf, und Sie kriegen Ärger für Entscheidungen anderer, wenn Teilen des Publikums dies oder das nicht gefällt …
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Ist man nur Autor, dann gibt man den Text ab, geht danach vielleicht noch einmal drüber, wenn der Auftraggeber sich eine Revision wünscht, und danach wird einem sämtliche Verantwortung entzogen. Alle anderen machen mit deinem Drehbuch, was sie wollen. Bei diesem Material hatte ich darauf überhaupt keine Lust.
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Andreas Steinhöfel
Das stimmt, wobei ich da hart im nehmen bin. Ich bin ein relativ konservativer Mensch, was die wenigsten vermuten würden, wenn sie meine Bücher lesen. Aber ich bin sehr sicherheitsbedacht und gerade bei solchen Riesenthemen, wo sich alle anbrüllen und regelrechte Grabenkämpfe entstehen, bin ich jemand, der es lieber entspannter angeht. Ich bin keiner, der da anderen nach dem Mund redet oder sich sogar vorschreiben lässt, in welche Richtung ich meine Werke tendieren lasse.
Bei «Dschermeni» war meine Sorge, dass man im Skript rumpfuscht und Szenen oder Dialoge aus der Angst abändert, sie würden als politisch inkorrekt erachtet werden. Ich muss aber betonen, dass es letzten Endes nur zu einem Punkt kam, wo das ZDF mich vor diesem Hintergrund besorgt angesprochen hat: Es ging darum, dass der Flüchtlingsjunge Yassir und die Asylantin Aminata in ihrer Familie auch Kriminelle haben – und das ZDF kam auf mich zu, und fragte, ob ich das statistisch belegen könnte, dass es kriminelle Asylanten gibt. Daraufhin meinte ich, dass es erstens unrealistisch ist, dass es in einer Bevölkerungsgruppe keinen einzigen Kriminellen gibt, wir zweitens keine Dokumentation drehen, sondern eine fiktionale Serie und letztlich eine Geschichte vom Konflikt lebt. Wir brauchen kriminelle Verwandte, damit unsere unbescholtenen Protagonisten ein zu überkommenes Problem haben.
Die Welt wird ja nicht besser, wenn wir alles, was unschön ist, einfach in unseren Geschichten ausblenden. Diese kleine Debatte mit dem ZDF ging dann so aus, dass es meinte: "Okay, machen wir das so. Aber wenn sich Leute beschweren, bist du alleine schuld!" (lacht) Damit kann ich leben. Es ist eine Kinderserie, und da will ich auf betonte politische Stellungnahmen verzichten. Mich reizt an dieser Story nämlich die ganz menschliche Frage: Was bewegt Menschen dazu, wegzulaufen? Kommt der Anreiz von innen oder von außen?
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Grabenkämpfe, man dürfe nur dies oder nur das zeigen, nerven mich einfach. Sie engen mich als Geschichtenerzähler ein und dieses ewige "Aha, du bist also links/rechts" ist oft einfach nur peinlich und dumm.
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Andreas Steinhöfel
Zumal ich glaube: Würden sich alle in der Serie zu benehmen wissen, wäre es nicht nur erzählerisch konfliktarm und somit uninteressant, sie würde auch als reines Wunschdenken abgelehnt werden …
Genau. Und was mich an diesen Diskussionen nervt: Sollten sich Leute wirklich darauf stürzen, dass zwei ausländische Figuren kriminelle Verwandte haben, dann übersehen sie, dass wir als Hauptfiguren eine multikulturelle Freundesgruppe haben, die gut miteinander auskommt und von denen niemand auch nur daran denkt, kriminell zu werden. Wie kann man der Serie also vorwerfen, sie zeichne Ausländer als kriminell? Und, ja, es kann gut sein, dass andere Leute unserer Serie vorwerfen, Heile-Welt-Propaganda zu sein, obwohl wir diesen bereits angesprochenen Konflikt zeichnen … Solche Grabenkämpfe, man dürfe nur dies oder nur das zeigen, nerven mich einfach. Sie engen mich als Geschichtenerzähler ein und dieses ewige "Aha, du bist also links/rechts" ist oft einfach nur peinlich und dumm.
Die Leute sollen die Serie einfach nehmen, wie sie ist – und sie verfolgt, in meinen Augen, einen sehr entpolitisierten Ansatz. Aminata erklärt in einer Folge: "Wir sind geflüchtet, um Asyl zu kriegen. Das war wegen Politik oder Religion oder sowas." Sie hätte auch Wirtschaft hinzufügen können, aber das wäre mir dann zu politisch, zumal sich so etwas doch eh noch der Kenntnis eines Kindes entzieht.
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Dieser moralisch-belehrende Duktus hat mir als Autor nie gefallen. Dieses übertriebene Betonen von Lektionen ist doch vollkommen überflüssig, da jede gute Geschichte automatisch etwas vermittelt. Wenn ich eine Gruppe Freunde zeige, die sich blendend versteht, vermittle ich schon beiläufig, dass Freundschaft ein guter Wert ist. Da muss ich doch nicht extra den Zeigefinger erheben.
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Andreas Steinhöfel über den pädagogischen Tonfall vieler deutscher Kindermedien
Aber das verkennen viele Menschen leider. Ich finde, Film, Fernsehen und Literatur sollten keine pädagogische Vollzugsanstalt darstellen. Dieser moralisch-belehrende Duktus hat mir als Autor nie gefallen. Dieses übertriebene Betonen von Lektionen ist doch vollkommen überflüssig, da jede gute Geschichte automatisch etwas vermittelt. Wenn ich eine Gruppe Freunde zeige, die sich blendend versteht, vermittle ich schon beiläufig, dass Freundschaft ein guter Wert ist. Da muss ich doch nicht extra den Zeigefinger erheben. Wenn man mir also den Auftrag gibt, ich solle eine Serie schreiben, die zeigt, wie toll Freundschaft ist, würde ich sofort ablehnen. Eine gute Serie nährt sich aus einer guten Geschichte, nicht aus einem pädagogischen Ziel.
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