Taugt die neue Krimireihe mit Clemens Schick zu mehr als einem besseren Reisebericht?
Cast & Crew
- Darsteller: Clemens Schick, Altamasch Noor, Anne Schäfer, Tara Fischer, Anton Weil, Renato Schuch, Hans-Uwe Bauer
- Regie: Jochen Alexander Freydank
- Buch: Kai Hafemeister, Stefanie Kremser und Klaus Wolfertstetter
- Kamera: Philipp Timme
- Musik: Ingo Ludwig Frenzel
- Produktion: Dreamtool
Spanien, der Deutschen liebstes Urlaubsland. Jahr für Jahr strömen etliche Urlauber auf die Inseln – Mallorca, Kanaren – 2017 werden vielerorts neue Besucherrekorde erwartet. Immer mehr zieht es aber auch auf’s Festland. Andalusien erfreut sich immer höherer Beliebtheit und auch Barcelona ist sicherlich eine Reise wert. Somit wurde es auch Zeit, endlich einen Donnerstags-Krimi des Ersten in der Metropole zu verorten, die natürlich für viel mehr steht als nur für ihren glorreichen Fußballverein.
Dass diese Fernsehkritik zu Beginn eher ein bisschen wie ein Reisebericht anmutet, hat gute Gründe. Bozen, Lissabon, Barcelona, Split in Kroatien. Die Europa-Krimi-Reihe des Ersten besucht die Orte, die der Zuschauer sonst gerne im Katalog durchblättert. Dabei sind die Metropolen mehr als nur ein nebensächlicher Schauplatz. Im «Barcelona-Krimi» hat die Stadt mindestens den Wert eines Nebendarstellers. Beispiel gefällig? Direkt zu Beginn des Films wird am wunderschön anzuschauenden Strand ein Mann nieder geschlagen. Dieser findet sich ein paar Minuten später in einem Krankenhaus wieder. Geht es nach dem Film, dann ist ein Hospital-Aufenthalt in Barcelona wohl wirklich ein Traum. Als die beiden Kommissare den Mann befragen, hat dieser über eine breite Fensterfront beste Aussicht über die ganze Stadt.
Auch im weiteren Verlaufe genießt es Regisseur Jochen Alexander Freydank ausgiebig, die Schön- und Verwinkeltheit von Barcelonas Altstadt in Szene zu setzen. Mit dem eigentlichen Fall hat das teilweise nur Rande etwas zu tun. Aber der eigentliche Fall, der wäre auch alles andere als berauschend, würde er irgendwo in trister und grauer Umgebung spielen. Denn neben dem Überfall auf den Strandbesucher geht es auch um einen Mord. Tot ist ein „Latero“, ein illegaler Einwanderer, abgelegt mit durchschnittener Kehle direkt auf einem wunderschönen Marktplatz in der Altstadt. Schnell findet Hauptkommissar Xavi heraus, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden Taten gibt. Xavi Bonet, der natürlich deutsch sprechende Ermittler, ist das große Zugpferd der Reihe. Clemens Schick verkörpert im Film einen homosexuellen Kommissar – wohl in der Hoffnung, dass diese Tatsache irgendwo im Boulevard die ein oder andere Schlagzeile hervorbringen könnte. Für die eigentliche Handlung ist dies aber erstmal rein nebensächlich.
Wichtiger wird die Zusammenarbeit mit Xavis (natürlich!) neuer Kollegin, die ihm zunächst einmal in Handschellen begegnet. Doch auch nach Aufklärung des Missverständnisses haben es die beiden (wie soll es auch anders sein) nicht unbedingt einfach. Er, ein homosexueller Katalane, der in der Gegend aber alles und jeden kennt und diese Kontakte auch gut zu nutzen weiß. Sie, die neue und obendrein noch alleinerziehende Mama einer pubertären Teenager-Tochter, die allerdings über Hypnose-Fähigkeiten manchmal mehr von Opfern oder Tätern herausbekommt, als manch anderer. In den 90 Minuten führt Xavi, nicht zuletzt durch seine Connections, die Zuschauer in eine undurchsichtig, aber letztlich doch oberflächlich bleibende spanische Unterwel bis hin zum Handel mit Menschen und Einwanderen. In den Fokus gerät irgendwann auch der Bruder des Toten, der sich für den Zuschauer schon direkt zu Beginn des Filmes erkennbar, seltsam verhält. Aber was genau er mit allem zu tun hat, bleibt relativ lange offen. So lange es offenbleibt, bleibt der Krimi auch eine eher uninteressante Aneinanderreihung von Szenen, die aber immerhin das hübsche Barcelona auf ihrer Seite hat.
An dem kann man sich erfreuen, nicht aber am teils wirklich hanebüchenen Verhalten der Figuren. Es mag ja noch zulässig sein, dass in Barcelona natürlich alle deutsch sprechen. Gut, dieser Kniff ist in einem deutschen Film vielleicht nötig. Dass aber Verdächtige direkt neben den Ermittlern erschossen und deren Leiche dann vollkommen achtlos liegen gelassen wird (man könnte ja mal gucken, ob derjenige noch lebt) und die Polizei ins Auto steigt und wegfährt, hat wenig mit der Realität zu tun, dass es dafür einfach Punktabzug geben muss.
«Der Barcelona Krimi» ist einer von insgesamt 14 Formaten, die Das Erste in dieser Saison donnerstags zeigt. Ebenfalls neu hinzukommen wird ein Team in Lissabon und ein Team, das in Baden und an der Grenze zum Elsass ermittelt. Rückkehrer sind die beliebten Polizisten aus Bozen, Tel Aviv, aber auch «Die Füchsin», die wegen der politischen Situation ausgewanderte «Mordkommission Istanbul», der Nord-Krimi «Nord bei Nordwest» oder «Donna Leon». Im Vergleich all dieser Donnerstags-Reihen dürfte sich der Auftakt der Reihe irgendwie und irgendwo im unteren Mittelmaß einordnen.
Die Konstellation der Hauptfiguren ist alt-bekannt. Das heißt nicht, dass der Film hier nicht noch Potential hat. Er hat es nur noch nicht ansatzweise erkennen lassen. Der erste Kriminalfall war eher aus dem Standard-Repertoire geschöpft, der zweite aber (rund um einen Umweltskandal an der spanischen Küste) könnte zumindest so etwas wie gesellschaftliche Relevanz mit sich bringen. Es deutet sich aber an, dass dieser Krimi es wohl nicht ganz oben in die Kritiker-Listen schaffen wird. Und vielleicht gerade deshalb werden die Quoten stimmen. Dem «Barcelona-Krimi» reicht ein halbes Ohr, ein halbes Auge und eine Gehirnhälfte. Mehr will manch einer ja auch nicht anstrengen. Zudem entschädigt ja immerhin das sommerliche Barcelona für fehlenden Inhalt. Das kommt Anfang November doch gerade recht.
Das Erste zeigt den Auftakt der neuen Krimireihe «Der Barcelona-Krimi» am 2. November um 20.15 Uhr. Eine Woche später läuft eine weitere Folge der Reihe.
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