Acht Folgen lang schießen uns ABC und Marvel auf den Mond, wo (größtenteils) anthropomorphe Superheldenwesen einen Bürgerkrieg ausfechten. Das erste Desaster der Season.
Cast & Crew
Produktion: ABC Studios, Marvel Television und Devilina Productions
Schöpfer: Scott Buck
basierend auf den Graphic Novels "Inhumans" von Stan Lee und Jack Kirby
Darsteller: Anson Mount, Serinda Swan, Ken Leung, Eme Ikuwakor, Isabelle Cornish, Ellen Woglom, Iwan Rheon u.v.m.
Executive Producer: Roel Reiné, Alan Fine, Stan Lee, Joe Quesada, Jim Chory, Jeph Loeb und Scott BuckDie Menschen (oder Wesen) auf dem Mond sind von uns gar nicht so verschieden. Gut, manche von ihnen haben Hufe, andere können mit ihren Haaren Menschen erwürgen, mit ihren Worten töten (
literally!), die Zukunft vorhersehen oder die Vergangenheit ändern. Aber ihre Probleme sind den unseren nicht ganz unähnlich.
Die Rasse der titelgebenden „Inhumans“, wie sie sich auch selbst nennen, weißt zu uns Erdbewohnern auch entfernte verwandtschaftliche Beziehungen auf. Ein Teil von ihnen, angeführt von Maximus (Iwan Rheon), dem Bruder des Königs Black Bolt (Anson Mount), möchte die Erde gar kolonisieren, weil auf dem Mond in der klobigen Inhumans-Stadt Attilan die Ressourcen knapp werden. Black Bolt und seine Gattin Medusa, (Serinda Swan) – die, die sich hauptsächlich mit ihrem imposanten Rotschopf zur Wehr setzen kann, – blockieren aber Maximus‘ Weltinvasionspläne: Die Zeit sei noch nicht reif.
Maximus – das scheint hier genug der inneren Motivation – hat mit einem Makel zu kämpfen: Er ist eigentlich kein richtiger „Inhuman“, weil ihm nach einem ominösen, offensichtlich bei allen Attilan-Bewohnern in einem bestimmten Alter vorgenommenen Eugenik-Ritual keinerlei Superkräfte verliehen wurden. Das rigide Kastensystem dieser Mondgesellschaft sieht für diesen Fall eigentlich die ewige Knechtschaft in den „Minen“ vor – Leser von H. G. Wells‘ „Time Machine“ können sich vielleicht am besten vorstellen, wie es dort zugeht. Doch seine Verwandtschaft mit dem König bewahrte ihn vor dem grausigen Schicksal.
Dass die Menschheit immer wieder unbemannte Rover auf den Mond schickt, ist für die „Inhumans“ ein vergleichsweise geringes Problem. Als der behufte Sicherheitschef eines kaputttritt und in den letzten Sekunden sein behaarter Huf noch auf die Erde übertragen wird, könnte aber im ungünstigen Fall zu einer Entdeckung von Attilan führen. Doch der Sicherheitschef hat bald noch andere Probleme: Die Spannungen zwischen Maximus‘ Invasionsplänen und der Zurückhaltung des Königs spitzt sich immer weiter zu. Ein Putsch ist da wohl nur eine Frage der Zeit.
Dieser Handlungsabriss lässt erkennen, dass «Marvel’s Inhumans» eine seriellere Erzählung anstrebt als die «Agents of S.H.I.E.L.D» auf dem selben Sender, die jedoch bereits einige beachtliche inhaltliche Transformationen durchlaufen haben. «S.H.I.E.L.D» gilt trotz einiger Auf-und-Abs auch als langjähriger Kritikerliebling, während die Einschaltquoten gerne mal Achterbahn fahren.
«Inhumans» fällt dagegen von der ersten Minute an durch – im Vergleich zu den «Agents of S.H.I.E.L.D», und erst recht verglichen mit den intellektuell um Welten schärferen und psychologisch wesentlich dichter erzählten Marvel-Serien bei der Konkurrenz von Netflix. Anstatt sich mit dem inneren Seelenleben der Figuren zu beschäftigen, spulen die Autoren der «Inhumans» seelenlose Melodram-Geschichten ab, und all die Anklänge an relevante Themen und politische Kommentierungen auf einer dünnen zweiten Ebene – eine von Eugenik bestimmte Gesellschaft, deren genetisches Ausschussmaterial Zwangsarbeit verrichten muss, um für die Bevorteilten einen immensen Wohlstand zu erhalten – verpuffen in der kindischen Soap-Beschallung. Hinzu kommt, dass die sonderbare Mischung aus mystischen Ritualen und der beeindruckenden futuristischen Technik der Attilan-Bewohner nie sinnvoll aufgelöst wird. Man schien beides bedienen zu wollen: einen Blick in eine mögliche Zukunft und einen Sprung ins Mystische. Sinn macht das nicht.
Vielleicht liegt es an der mit acht Folgen recht kurz angelegten Laufzeit, dass der Erzählrhythmus von Beginn an viel zu hektisch und fahrig ausfällt: Doch das verstärkt die massiven Probleme in der Figurengestaltung noch. Am Schluss steht ein Coup d’état ohne Fallhöhe, ausgeführt mit Motiven aus der verstaubtesten Küchenpsychologie. Event-Fernsehen ohne Event.
Gemessen an dem heute gängigen
Production Value amerikanischer Fantasy-Serien – Maßstäbe, die Marvel selbst gesetzt hat – kann «Inhumans» nicht einmal mehr mit einer besonders beeindruckenden visuellen Gestaltung punkten. Die Betonklötze von Attilan mögen ein bisschen von antiken Bauten in Mesopotamien zusammeninspiriert sein und betont kalt und abweisend wirken wollen, ihr futuristisch-kühles Inneres eine Diskrepanz herstellen, die aber letztlich nichts von Wert verdeutlichen kann. Immerhin ließe sich mit etwas Zynismus sagen, dass die Effekte zumindest ausgefeilter sind als die Charakterzeichnungen. Das hat bei den «Inhumans» allerdings nichts Gutes zu sagen.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
02.10.2017 12:19 Uhr 1
03.10.2017 15:01 Uhr 2
Die Königsfamilie, in Habitus und Tradition verfangener Aristokraten-Realität, ist alles andere als heldenhaft oder sympathisch. Maximus ebensowenig, denn die vorgeschobene Befreiung der unteren Kasten dienen wohl mehr seinem Bedürfnis nach Anerkennung und ausgleich seiner mangelnden Inhumanität. Daraus sollte man doch den ein oder anderen interessanten Grundstein für die zu erwartenden Charakterentwicklungen auf der Erde, auf Basis der Interaktion mit Menschen und deren Kultur, gelegt haben.
Das kann natürlich auch noch ganz fürchterlich in die Hose gehen, aber darauf lasse ich es mal ankommen.
Die Serie greift eigentlich ungefähr dort an, wo sie bei Agents of Shield im Moment steht.