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Aller Frust den Öffentlich-Rechtlichen?!

CSUs Joachim Herrmann, einer der Wahlverlierer des Sonntags, zeigte in der «Berliner Runde», was Horst Seehofer mit „rechte Flanke schließen“ meinte. Ein Kommentar über die Wut auf ARD und ZDF.

Es seien ARD und ZDF gewesen, die die Alternative für Deutschland (AfD), die am Sonntag mit über 13 Prozent in den nächsten Bundestag einzog, in den vergangenen Tagen so stark gemacht habe. So öffentliches und direktes Bashing der Öffentlich-Rechtlichen, das kannte man zuvor eigentlich nur von eben jener AfD. Geäußert wurde der Satz diesmal aber von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der auf Platz eins der CSU-Landesliste diesmal auch für den Bundestag kandidierte (den Einzug wegen der Verluste der Partei und vielen bayerischen Direktmandaten aber nicht schaffte). Eine volle Breitseite gegen die Sender, die sich zuletzt schon „Staatsfunk“ und „Lügenpresse“ schimpfen lassen mussten.

Es war in diesem Zusammenhang eine komische und zeitgleich aber auch hochspannende «Berliner Runde», die am Wahlabend 60 Minuten lang zur Primetime ausgestrahlt wurde. Denn es war bei Weitem nicht nur Herrmann, der offen die journalistischen Entscheidungen der beiden Anstalten kritisierte. Den «TV Duell»-Sendern (dazu gehören auch RTL und Sat.1) wurde offen vorgehalten, in der Debatte zwischen Angela Merkel und Martin Schulz 60 Minuten lang nur über die Flüchtlings-Krise gesprochen zu haben. Dass dieses Thema dominierende war, ist richtig, in Wahrheit nahm der Themenblock aber nur etwa 40 Minuten ein. Egal, geschimpft ist geschimpft, Fakten sind ja nicht so wichtig.

Und auch Martin Schulz, der Kanzler werden wollte und sich nach den ersten Prognosen schon mal bissig auf seine Oppositionsrolle vorbereitete, fuhr ZDFs-Chefredakteur pöbelhaft über den Mund, dass er jetzt mal ausreden wolle und sein Sender ihm das in den Sendungen vor der Wahl ja oft genug nicht ermöglicht hätte. Wäre das Ergebnis nicht eins, das ernsthaft Grund zur Sorge bietet, könnte man fast schon Schmunzeln, dass AfD-Vertreter Meuthen vergleichsweise seelenruhig in der Runde saß und das Schimpfen auf die TV-Sender anhörte.

Ja, hier wanderten die etablierten Volksparteien schon ziemlich gut auf den Trampelpfaden, die die AfD zuvor erkundet hatte. Ja, sämtliche Vorwürfe sind an den Haaren herbeigezogen. Möglich, dass es der CSU lieber gewesen wäre, man hätte das aus ihrer Warte gesehene „Phänomen AfD“ totgeschwiegen. Damit aber hätte man nicht nur eine demokratische Partei (und das ist die AfD bei allem Wider) blockiert, sondern auch etliche Bürger ausgeschlossen. Denn das eigentliche Problem ist ja nicht die AfD – es ist in zweiter Linie der Bürger, die die Partei wählt und in erster Linie die Tatsache, dass es offenkundig in unserem Lande Probleme gibt, die dazu führen, dass extreme Parteien im Aufschwung sind.

Und natürlich kann man rückblickend nochmal über die Themenwahl beim «TV-Duell» sprechen, monieren, dass Digitalisierung zu kurz kam. Aber war es wirklich verkehrt, ausführlich über Integration, Migration und Lösungen für Flüchtlinge zu sprechen? Dies ist immerhin das Thema, das die Menschen in ihren Dörfern und Städten in der zurückliegenden Legislaturperiode am meisten selbst und unmittelbar betroffen hat.

Und wer später im «heute-journal» sah, wie oft Frauke Petry, zwar nicht Spitzenkandidatin der AfD, aber immerhin (noch) Parteivorsitzende, bei Fragen von Moderatorin Marietta Slomka zustimmend und einverstanden nickte (Frau Slomka war im Wahlkampf noch in Missgunst von Partei-Kollegin Alice Weidel gefallen, wir erinnern uns), dann sieht man, dass dieser Wahlabend in der Tat so Manches auf den Kopf gestellt hat.

Es ist die Rede davon, dass durch die AfD ein neuer Stil in den Bundestag einkehren wird. Das wird vermutlich stimmen. Fakt ist, schon in diese «Berliner Runde» ist ein ganz neuer Ton eingekehrt. Kein guter. Diesmal ging er aber maximal indirekt von der AfD aus. Offen geäußert haben ihn die etablierten Parteien. Die volle Breitseite gegen Journalisten muss aufhören. ARD und ZDF haben die AfD nicht stark gemacht. Die Sender sind nicht für die Probleme unseres Landes verantwortlich. Politiker schon.
25.09.2017 08:32 Uhr Kurz-URL: qmde.de/96033
Manuel Weis

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Tags

Berliner Runde TV Duell TV-Duell heute-journal

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Es gibt 6 Kommentare zum Artikel
Lumpenheinz
25.09.2017 14:58 Uhr 4


Nein, da hast du sowohl die Kritik in der Berliner Runde als auch den generellen Kern der Populismuskritik nicht verstanden.



Es wäre demnach erheblich konstruktiver gewesen, AfD-Politiker mal auf das Glatteis jenseits von Panikmache und Alarmismus anzusprechen. Wie Nr27 schon sagte, wurden in allererster Linie die Themen Flüchtlinge und Terror abgearbeitet, obwohl das beim besten Willen nicht die dringendsten Probleme dieser Nation sein können.



Hätte man allerdings mal Klimaschutz, Fachkräftemangel auf dem Land und Rentenpolitik angesprochen oder sogar direkt das vermeintlich größte Problem, dass AfD-Wähler beschäftig - Perspektivlosigkeit und deren Bekämpfung, würde man vielleicht auch am Stammtisch nicht nur über Flüchtlinge reden und die AfD mehr entzaubern als würde man Wut mit Empörung bekämpfen...
Jan_Itor
25.09.2017 15:09 Uhr 5
Herrmann sucht nur einen Sündenbock. Die Gründe sind mit Sicherheit vielschichtig.



Letztendlich ist es schwierig zu bestimmen, ob mediale Über-Diffamierung beim Wähler zu Abwehrmechanismen und einem Stimmenzuwachs bei der AfD führen, oder ob die AfD in der Summe potenzielle Stimmen verliert.



Außerdem war es doch auch sehr auffällig, dass die Politiker der anderen Parteien bald keine fünf Sätze gesagt haben, ohne gegen die AfD zu schimpfen. Da hat die doch auch niemand zu gezwungen.
Manuel Weis
25.09.2017 15:45 Uhr 6
Ich glaube ich habe die Kritik sehr genau verstanden. Aber ich bleibe dabei: Das Thema Flüchtlinge war eines der (wenn nicht gar das) dominierende Innenpolitische Thema der Legitslaturperiode. Da ist es ok, wenn man kurz vor der Wahl auch genau und intensiv darüber spricht und somit auch erklärt, was sich ändern wollte, wenn andere regieren. Dass die AfD deshalb groß wurde, glaube ich hingegen nicht. Ich wage zu behaupten, dass der AfD-Erfolg ähnlich zustande gekommen wäre, hätte man die Partei weniger im Fernsehen gesehen.



Anders rum könnte man ja auch argumentieren, dass die oftmals ja sogar schwachen Auftritte Stimmen gekostet haben. Aber da bewegen wir uns ja im Reich des Konjunktivs...
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