Die glorreichen 6: Agentenfilme ohne 007 (Teil IV)
Das Genre des Spionagefilms kennt so viel mehr als nur die legendäre 007 namens James Bond. Passend zum Sequelstart widmen wir uns diesmal «Kingsman: The Secret Service».
Die Handlung
Filmfacts: «Kingsman: The Secret Service»
Regie: Matthew Vaughn
Produktion: Adam Bohling, David Reid, Matthew Vaughn
Drehbuch: Jane Goldman, Matthew Vaughn
Darsteller: Colin Firth, Taron Egerton, Mark Strong, Samuel L. Jackson, Sophia Boutella, Michael Caine, Mark Hamill
Musik: Henry Jackman, Matthew Margeson
Kamera: George Richmond
Schnitt: Eddie Hamilton, Jon Harris
Veröffentlichungsjahr: 2015
Laufzeit: 129 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Als der Vater des fünfjährigen Gary „Eggsy“ Price (Taron Edgerton) im Zuge einer Militärübung sein Leben opfert, bekommt die Familie eine ungewöhnliche Medaille überreicht, auf der eine Telefonnummer eingraviert ist. Sie ist nur zum einmaligen Gebrauch bestimmt und darf benutzt werden, um einen Gefallen jeglicher Art einzufordern. Siebzehn Jahre später: Eggsy, ein arbeitsloser Schulabbrecher, teilt sich mit seiner Mutter ein heruntergekommenes Appartement. Als er sich ein Auto klaut und bald darauf nach einer wilden Verfolgungsjagd verhaftet wird, ruft der junge Mann die angegebene Nummer an, um dem Gefängnis zu entgehen. Der Mann, der ihn abholt, heißt Harry Hart (Colin Firth), er ist ein korrekter, bestens gekleideter Spion, der Eggsys Vater sein Leben verdankt. Harry ist über denWeg, den Eggsy eingeschlagen hat, enttäuscht, erkennt aber das Potenzial des jungen Mannes und bietet ihm einen Job in der unabhängig operierenden Geheimdienstorganisation an, der er angehört. Eggsy muss sich dem gefährlichsten Einstellungstest der Welt unterziehen, um als Kingsman-Agent aufgenommen zu werden. Doch die Zeit drängt: Der irre Ganove Valentine (Samuel L. Jackson) bereitet im selben Moment einen großen Coup vor, um die Menschheit nach und nach zu dezimieren.
Der Platz von «Kingsman: The Secret Service» im Pantheon des Agentenkinos
In seiner Funktion als waschechter Genre-Clash suhlt sich «Kingsman: The Secret Service» vortrefflich und intensiv darin, den herkömmlichen Agententhriller von Grund auf aufzuzäumen. Dabei ist der Streifen beileibe keine Nachdichtung. Dafür nehmen die Macher ihr Projekt trotz immenser Freude am Absurden zu ernst und geben dem Zuschauer stets das Gefühl, Charaktere, Plot und Entwicklungen schützend an die Hand zu nehmen. Stattdessen besinnen sich die Macher auf die vielfältigen Möglichkeiten, die die Filmsparte Spy-Thriller zwangsläufig mit sich bringt. Selbst die Figur von Colin Firth nimmt auf den Ideenreichtum des modernen Kinos direkt Bezug, als er nicht scheut, zu erwähnen, jede noch so abwegige Handlung zu lieben.
«Kingsman» sagt sich von sämtlichen Genre-Schubladen los. «Bond»-Zitate folgen da direkt auf Blutbäder im echten Tarantino-Stil. Und neben der visuellen Vielfalt ist das Skript nicht minder einfallsreich. Jeder noch so kleine Faktor hat seine Daseinsberechtigung und trotz einer massiven Gag-Schlagzahl räumen die Macher auch den ernsten Zwischentönen genug Platz ein, «Kingsman» mit dramaturgischen Fallhöhen auszustatten. Kurzum: In diesem Film stimmt, was stimmen soll. Mit einer solchen Passion war schon lange kein Mainstream-Streifen mehr ausgestattet.
Die 6 glorreichen Aspekte von «Kingsman: The Secret Service»
Bereits ein Blick auf die Figurenkonstellation gibt einen Einblick, wie «Kingsman: The Secret Service» tickt. Da bekommt man Samuel L. Jackson als lispelnden Massenmörder mit Hang zum Größenwahn und einer Gewaltphobie zu sehen, Colin Firth agiert vollkommen abseits seiner üblichen Rollenauswahl im Gewand eines echten Gentleman-Killers, Newcomer Taron Edgerton fungiert als sich sukzessive dem Guten zuwendender Tunichtgut und selbst in den kleinsten Nebenrollen finden sich mit Mark Strong, Michael Caine und einer verflucht irrwitzig agierenden Sophia Boutella echte Charakterköpfe, deren Zeichnung vollkommen für sich allein steht. Nie zuvor bekam man Typen wie diese bereits auf der großen Leinwand zu sehen. Matthew Vaughn gelingt das Kunststück, sie alle zur Genüge in Szene zu setzen, ihre Eigenheiten herauszukehren und dabei gleichsam niemanden in den Vordergrund zu rücken. Trotz auf der unterschiedlichen Screentime basierter Einteilung in Haupt- und Nebenrolle hat hier jeder seinen Platz. Und trotz der immensen Anzahl an Spleens fühlt sich das Szenario nie überladen an. Die Charaktere sind Gag-Lieferant und treibender Storymotor zugleich; ohne sie wäre alles gleich nur noch halb so schön.
Ein gewisser Fokus liegt auf Taron Edgerton. Der durch die TV-Serie «The Smoke» bekannt gewordene Nachwuchsmime jongliert hervorragend mit den vollkommen unterschiedlich ausgerichteten Aspekten seiner Rolle, die ihn zugleich als auf die schiefe Bahn geratenen Unsympathling zeigen, zwischen den Zeilen jedoch beweisen, dass in ihm nicht bloß ein tougher Kerl, sondern erst recht ein guter Kern steckt. Mit wie viel Herzblut sämtliche Darsteller an ihre Aufgabe herangehen, kristallisiert sich besonders im Falle von Colin Firth heraus, der nach einer Aufforderung des Regisseurs sämtliche Stunts selbst drehen musste und sichtlich Spaß daran hatte. Die zum Teil äußerst harten Kampchoreographien, die nicht nur mit jeder Menge Blut sondern auch einem hohen Bodycount aufwarten können, erinnern an eine Stilmischung aus Tarantino und den zuletzt immer brutaler werdenden Actionstreifen aus den USA. Unter die ganze Brachialität mischt sich jedoch auch immer ein gewisses Augenzwinkern, was die zum Teil bis ins Groteske ausschweifenden Gewaltorgien stets ironisch unterlegt und im Kontext vertretbar macht.
Das Sehvergnügen ist im Falle von «Kingsman: The Secret Service» dann am höchsten, wenn man sich vorab so wenig wie möglich über etwaige Storywendungen informiert. Das Actionabenteuer ist gespickt mit Twists, die das Geschehen fast im Minutentakt in ein komplett neues Licht rücken und die Leinwandereignisse so mit einer gefährlichen Unberechenbarkeit ausstatten. Unter den allesamt perfekt gecasteten Darstellern ist niemand vor etwaigen Schicksalsschlägen gefeit, denn – und das betonen sogar die Figuren immer wieder gern – auf der Leinwand läuft schließlich kein Film für die Masse, sondern ein vollkommen von gängigen Hollywoodmechanismen losgelöstes Entertainmentfeuerwerk. So schwer es fällt, das rundum perfekte Gesamtkunstwerk auf irgendeiner Ebene in Abrede zu stellen, so sei auf der Zielgeraden dennoch festzuhalten, dass man sich als Zuschauer auf all das einlassen muss, um seinen uneingeschränkten Spaß an diesem unkonventionellen Meisterwerk zu haben. Wer gerade die Berechenbarkeit des modernen Mainstreamkinos genießt, könnte sich von «Kingsman» regelrecht überrumpelt fühlen. Doch wer die Überraschung liebt, für den ist dieser Film absolute Pflicht!
«Kingsman: The Secret Service» ist auf DVD und Blu-ray erhältlich sowie via Amazon, maxdome, iTunes, Google Play, Sky Store, Microsoft, Juke, Rakuten TV, Videoload, CHILI und Sony abrufbar. Außerdem ist das Sequel «Kingsman: The Golden Circle» derzeit in den Kinos zu sehen
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