Nach dem Vorgeplänkel um Harald Schmidt feiert der erste Schwarzwald-«Tatort» ein gelungenes Debut. Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner müssen in ihrem ersten Fall den Tod eines Kindes aufklären.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Eva Löbau als Franziska Tobler
Hans-Jochen Wagner als Friedemann Berg
Steffi Kühnert als Cornelia Harms
Gedehart Glese als Jens Reutter
Victoria Mayer als Barbara Reutter
Felix Knopp als Klaus Buchwald
Isabella Bartdorff als Steffi Buchwald
Shenja Lacher als Martin Benzinger
Odine Johne als Nicole Benzinger
Aaron Kissiov als Paul Buchwald
Hinter der Kamera:
Regie: Robert Thalheim
Buch: Bernd Lange
Kamera: Andreas Schäfauer
Produktion: Franziska SpechtFrischer Wind für die deutsche Krimi-Institution am Sonntag-Abend. Die «Tatort»-Familie bekommt Zuwachs aus dem Hause SWR und mit
«Tatort: Goldbach» steht der erste Schwarzwald-«Tatort» in den Startlöchern. Ab sofort bilden Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner als Franziska Tobler und Friedemann Berg ein neues Ermittlerteam in den beschaulichen Landschaften des Mittelgebirges um Freiburg. Bei Löbau und Wagner handelt es sich um die einzigen neuen Gesichter, die die Krimi-Reihe im Jahr 2017 präsentiert. Ihrer Premiere war bereits bevor die erste Klappe geschlagen wurde eine große mediale Aufmerksamkeit sicher, wenngleich sich die beiden Hauptdarsteller sowie der SWR diese sicher etwas anders vorgestellt hatten.
Denn im Vorfeld wurde ausgiebig über die Besetzung ihres Vorgesetzten diskutiert. Kein geringerer als Deutschlands ehemaliger Late-Night-König Harald Schmidt sollte die Rolle als Gernot Schöllhammer übernehmen und alles schien bereits in trockenen Tüchern. Aus nach eigener Angabe persönlichen Gründen sagte der Entertainer jedoch kurz vor Beginn der Dreharbeiten ab. Den SWR traf der Ausstieg Schmidts selbsterklärend unvorbereitet und dementsprechend geschockt fiel die Reaktion des Senders aus. Schließlich sollte Schmidt eines der Gesichter des neuen Schwarzwald-«Tatorts» darstellen und sein Name war mit einer gewaltigen Medienpräsenz verbunden. Im Boulevard reagierte Schauspielkollege Hans-Jochen Wagner verschnupft auf die kurzfristige Absage, auch das Wort „unprofessionell“ fiel dabei.
Diese Vorzeichen sollen jedoch den Blick auf einen gelungenen Start nicht verstellen, der auch ohne Harald Schmidt zu überzeugen weiß. Dabei haben es die beiden Hauptkommissare direkt mit einem hochemotionalen Fall zu tun. Denn bei dem Opfer handelt es sich um ein kleines Mädchen:
Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) werden in eine kleine Schwarzwaldsiedlung gerufen, beliebter Wohnort junger Familien, deren Kinder dort in einem friedlichen sozialen Umfeld aufwachsen sollen. Diese Idylle zerbricht, als eine Elfjährige an einer Schussverletzung stirbt und der Nachbarjunge verschwindet. Bei der Sicherung der Indizien und der angespannten Suche nach dem vermissten Jungen findet die Polizei in der Nähe des Tatorts ein rätselhaftes Waffendepot.
Tobler und Berg gehen der Spur der Waffen nach und suchen Zeugen, zumal das ganz friedlich heimgekehrte Kind der dritten Nachbarsfamilie anscheinend nichts Außergewöhnliches mitbekommen hat. Schneller Erfolg ist ihnen nicht beschieden, und während die Ermittlungen andauern, treiben Trauer, Sorge, auch Misstrauen die eigentlich gut befreundeten Elternpaare immer weiter auseinander.
Nach dem ikonischen Intro der Reihe wird der Zuschauer direkt in die düster inszenierte Bühne des Schwarzwalds entführt. Die erste Einstellung bleibt lange stehen. Eine verschneite, hügelige Waldlandschaft, über die sich der Nebel legt – Dann zerreißt ein Schuss die Stille. Anschließend das Insert: Goldbach. Es folgt eine Autofahrt der beiden Kommissare durch das schneebedeckte Gelände, untermalt von wabernder Musik. Ein beeindruckender Beginn, der sogar etwas an die gefeierte US-Serie
«Fargo» erinnert. Die Kulisse aus dichtem Geäst, düsteren Schluchten und abgelegenen Höfen scheint sich für eine spannende Atmosphäre förmlich anzubieten. Während also die Landschaft gut eingefangen wird, wird angenehmerweise auf übertriebenes Lokalkolorit verzichtet. So wird das Alemannische äußerst sparsam eingesetzt. Gelegentlich wird es von Nebenfiguren benutzt oder die Hauptcharaktere verfallen in den Dialekt. Auf Humor wird nahezu komplett verzichtet. Die gesamte Geschichte wird sehr ernst erzählt und lässt keinen Platz für lustige Dialoge oder Situationskomik.
Die Spannung hält sich über die kompletten 90 Minuten auf ansprechendem Niveau. Es gilt nicht nur, den Mord an einem Kind aufzulösen, sondern auch ein zweites zu finden. Zudem sorgen die aufkommenden Konflikte zwischen den Eltern immer wieder für emotionale, sowie spannende Momente. Hier wissen die Nebendarsteller zu überzeugen, allen voran Codehart Giese als Vater des toten Mädchens. Das Wechselspiel zwischen Trauer, Wut und Angst kauft man den Eltern direkt ab, was ein hohes Identifikationspotential nach sich zieht.
Natürlich steht und fällt ein Kriminalfilm jedoch mit seinem Ermittlerteam. Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner spielen in ihrem ersten «Tatort» souverän auf. Tatsächlich wirken nicht nur ihre Rollen, sondern auch die Schauspieler selbst wie ein eingespieltes Team. Offenbar wurde darauf verzichtet, die beiden Kommissare als Antipoden zu zeichnen. Während sich die beiden Ermittler sonst oftmals in Temperament, Engagement oder sonstigen Charaktereigenschaften unterscheiden, sind in diesem Fall beide Figuren als eher ruhig und besonnen angelegt. Das bringt sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich. Einerseits wirken die Ermittler untereinander vertraut und eingeschworen, andererseits fehlt hier und da etwas das Feuer in den Dialogen und es herrscht zu viel Konsens. Innerpolizeiliche Konflikte treten vorerst nur zwischen Kommissar Berg und seiner Vorgesetzten Cornelia Harms (Steffi Kühnert) auf.
Hier steht der idealistische Kommissar einer pragmatischen Frau gegenüber, die sehr darauf bedacht ist, niemand allzu Wichtigem auf die Füße zu treten. So ist auch in diesem «Tatort» Platz für etwas Sozialkritik. Angeprangert werden die Nähe der fiktiven Landesregierung zur Waffenlobby, die hier einen großen Einfluss auf Stuttgart ausübt, sowie das Kuschen der Polizei vor ranghohen Persönlichkeiten. Zudem stehen generell der Handel mit Schusswaffen sowie deren sicherheitsgemäße Aufbewahrung auf der Agenda.
Fazit: Unter dem Strich steht eine geglückte Premiere des neuen
«Schwarzwald»-Tatorts, bei dem sich Regisseur Robert Thalheim die atmosphärische Landschaft zu Nutze macht. Das macht Lust auf mehr. Das Ermittlerduo wirkt auf Anhieb eingespielt, könnte jedoch hier und da noch etwas Pepp vertragen. Ob Harald Schmidt den verliehen hätte, sei dahingestellt.
«Tatort: Goldbach» ist am Sonntag, den 1. Oktober um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
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