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Die Kritiker: «Tatort – Zwei Leben»

Der jüngste «Tatort» aus der Schweiz ist ein konventionelles Krimidrama, aus dem die Figur eines traumatisierten Fernbusfahrers heraussticht, vor dessen Bus ein Mann gestürzt ist.

Cast und Crew

  • Regie: Walter Weber
  • Drehbuch: Felix Benesch, Mats Frey
  • Darsteller: Stefan Gubser, Delia Mayer, Fabienne Hadorn, Jean-Pierre Cornu, Michael Neuenschwander, Stephanie Japp, Roland Bonjour, Saskia Vester, Markus Graf, Brigitte Beyeler
  • Kamera: Stéphane Kuthy
  • Musik: Fabian Römer
  • Produktionsfirma: Turnus Film
Die Schweizer machen ihr erstes Dutzend voll. Das Team aus Luzern wurde nach seinem Debüt aufgrund der (für die Verhältnisse dieser Krimidachmarke) überschaubaren Quoten frühzeitig als das Stiefkind unter den «Tatort»-Reihen abgeschrieben. Aber es erwies sich als unfair, vorzeitig Kommissar Flückiger (Stefan Gubser) und Co. abzustempeln, gab es zwischendurch doch auch aus der Schweiz einige erinnerungswürdige Fälle – wie etwa «Ihr werdet gerichtet», jene Folge, die Antoine Monot junior als Serienkiller zeigte. Der zwölfte Einsatz Flückigers dürfte wiederum den Ruf der Schweizer weder weiter aufbauen, noch in die Regression treiben. Denn trotz der facettenreichen Darstellung eines Fernbusfahrers, der durch einen Unfall traumatisiert wurde, erweist sich «Tatort – Zwei Leben» (übrigens der zweite Fall der öffentlich-rechtlichen Krimidachmarke, die diesen Titel verpasst bekommen hat) weitestgehend als ziemlich konventionelles Kriminaldrama ...

Zu später Stunde erlebt der Busfahrer Beni Gisler (Michael Neuenschwander) einen gehörigen Schock: Ein Mann stürzt direkt vor seinen Fernbus. Beni kann nicht mehr rechtzeitig bremsen, es kommt zum tödlichen Auffahrunfall. Der Fahrer dreht völlig durch, tritt panisch gegen die Leiche. Ein Passant filmt den Vorfall. Wie Kommissar Flückiger erfährt, war Beni früher Zugfahrer – zwei Mal stürzten sich Leute vor seinen Zug, weshalb er traumatisiert den Beruf wechselte. Deshalb nimmt er sich dem Busfahrer an, der ein früherer, beiläufiger Bekannter aus dem Militär ist, ebenso wird Beni von einer Psychologin (Stephanie Japp) darin unterstützt, den Vorfall zu verarbeiten.

Während die Untersuchung der Leiche ergibt, dass der Unbekannte aufgrund einer hohen Dosis an Benzodiazepin im Blut unmöglich im Stande gewesen wäre, sich selbst von der Brücke vor den Bus zu stürzen, verschlechtert sich Benis psychischer Zustand aller Fürsorge, die er erfährt, zum Trotz …

Regisseur Walter Weber eröffnet den «Tatort» in stimmigen, schwach beleuchteten Bildern. Kameramann Stéphane Kuthy rückt nah an die zentrale Figur Beni Gisler heran, während sie ihrer Arbeit nachgeht, bis der Aufprall des von der Brücke gestürzten Opfers ihn wachrüttelt und die Bildsprache für Aufnahmen öffnet die mehr von der Szenerie zeigen. Nach diesem atmosphärischen Einstieg fällt der Neunzigminüter allerdings in zwei Teile. Da wäre die von den Autoren Felix Benesch und Mats Frey sehr entschleunigt geschilderte Tätersuche, die nach Schema F verläuft. Dadurch, dass die schleichend vorankommende Ermittlungsarbeit viel Laufzeit vereinnahmt, aber detailarm skizziert wird, geraten diese Sequenzen sehr zäh und unoriginell.

Doch auf der anderen Seite gibt es den Handlungsfaden rund um den traumatisierten, vor Wut über das Geschehene überkochenden Fernbusfahrer. So sehr sich Frey und Benesch bei der Darstellung der Tätersuche mit Details und Facetten zurückhalten, so filigran arbeiten sie bei der Charakterzeichnung Beni Gislers, dessen Zorn und Verwirrung sehr nachvollziehbar und fundiert sind, in die er sich aber mit ungesunder Kraft hineinsteigert. Neuenschwanders intensives Mienenspiel zeigt Beni als von den wiederholten Unfällen gezeichneten Mann, der nicht mehr weiter weiß und sich in eine beängstigende Aggression lenkt, glaubend, dies könnte ihm helfen. Somit ist er ebenso sehr Sympathieträger wie Antagonist, etwa, wenn er mit sich plötzlich erhebender Stimme und hasserfüllten Blicken im Laufe einer Therapiesitzung gegen seine Psychiaterin wendet.

Leider stemmen sich die «Tatort»-Macher nicht genug gegen das Standardformular der Krimireihe, weshalb die packenden Szenen rund um Beni nur sporadisch vorkommen, obwohl sie der thematische Fokus des Films sein könnten – und sollten. Der routiniert-konventionelle Überbau mildert die Wirkung dieses Krimidramas.

«Tatort – Zwei Leben» ist am 17. September 2017 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
16.09.2017 18:57 Uhr Kurz-URL: qmde.de/95860
Sidney Schering

super
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Ihr werdet gerichtet Tatort Tatort – Zwei Leben Zwei Leben

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