Selbst Produzent Harald Kügler verliert den Überblick bei den Branchen-Berufsbezeichungen, wie er im Quotenmeter.de-Interview verrät. Zudem lobt er Til Schweigers Kino-«Tatort».
Zur Person
- Harald Kügler war 30 Jahre lang Teil der Geschäftsführung bei Olga Film
- Seit 2016 ist er bei der Constantin-Tochter als freier Produzent tätig
- Zu seinen Werken zählen neben der von ihm mit aufgebauten «Kommissarin Lucas»-Reihe Sönke Wortmanns «Kleine Haie» und «Der bewegte Mann», Ralf Huettners «Vincent will Meer» und Doris Dörries «Kirschblüten-Hanami» und «Grüße aus Fukushima»
Es mag ein ungewöhnlicher Intervieweinstieg sein, aber es brennt mir einfach unter den Nägeln: Der IMDb-Eintrag zu «Kommissarin Lucas» nennt Sie als Producer – aber für eine einzelne Episode als Associate Producer. Das klingt für mich nach Fehleintrag?
Was ist denn ein Associate Producer?
Das frag ich Sie! (lacht)
Ich kenn die Bezeichnung Associate Producer nur aus Amerika, hierzulande ist mir das noch nie untergekommen. (lacht) Das ist ein Titel, den Personen erhalten, die mittelbar beteiligt sind, aber keinen Einfluss ausüben oder den Mitarbeiter, Schauspieler bekommen, um eine Sondernennung zu erhalten. Sowas ist in Amerika viel wichtiger als bei uns, weil die ihre strengen Gildenregelungen haben, die es bei uns nicht gibt. Associate Producer gibt es hierzulande als Titel eigentlich gar nicht – vielleicht, wenn man irgendjemandem einen Gefallen tun will, weil er sich um das Projekt bemüht hat, oder wenn er Mitgesellschafter in einer Produktionsfirma ist.
Dann hat irgendjemand bei den «Kommissarin Lucas»-Credits in der IMDb rumgepfuscht.
Sieht ganz danach aus. (lacht)
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Es wird bei uns so gehandhabt, dass der Produzent grünes Licht für das Projekt gibt die Finanzierung betreibt, inhaltlich verantwortlich ist und beim Drehen selber aber nicht unbedingt involviert ist. Das übernimmt der Producer /in. Aber das ist bei uns ein totales Chaos, was diese Bezeichnungen angeht. So geistert bei uns in Deutschland plötzlich wahllos der Titel der Executive Producer herum, völlig davon losgelöst, was deren Aufgabe in Amerika ist, wo sie vornehmlich Geldgeber und Hersteller sind. Zumindest bei Filmen. Bei Serien sind das dann plötzlich oft die Showrunner …
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Harald Kügler über Branchenberufe
Solche Branchentitel sind aber auch verwirrend. So wird hierzulande zwischen Produzent/Produzentin und Producer/Producerin unterschieden, was auf Externe sehr schnell paradox wirkt, wenn im Vorspann Produzent X und Producer Y genannt wird. "Zwei Mal derselbe Beruf, aber einmal als englische Vokabel und einmal auf Deutsch?"
Zwischen den beiden Bezeichnungen besteht in der deutschen Branche ein wichtiger Unterschied. Es wird bei uns so gehandhabt, dass der Produzent grünes Licht für das Projekt gibt die Finanzierung betreibt, inhaltlich verantwortlich ist und beim Drehen selber aber nicht unbedingt involviert ist. Das übernimmt der Producer /in. Aber das ist bei uns ein totales Chaos, was diese Bezeichnungen angeht. So geistert bei uns in Deutschland plötzlich wahllos der Titel der Executive Producer herum, völlig davon losgelöst, was deren Aufgabe in Amerika ist, wo sie vornehmlich Geldgeber und Hersteller sind. Zumindest bei Filmen. Bei Serien sind das dann plötzlich oft die Showrunner …
Bei der Branchensprache kann einem der Kopf schwirren …
Wobei es bei Olga Film noch relativ überschaubar ist. Bei dem TV Format «Kommissarin Lucas» gab es Molly von Fürstenberg und mich als Produzenten und Arbia-Magdalena Said war Producerin, nun ist sie als Produzentin tätig und wird das Format nach und nach übernehmen, während ich mich allmählich zurückziehe – ich nähere mich ja langsam der 70, da muss man mal kürzertreten! (lacht)
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Ich nutze gerne die Möglichkeit, im Kino ganz andere Stoffe anzupacken als im Fernsehen. Filme wie «Vincent will Meer», «Napola» oder «Grüße aus Fukushima» verfolgen eine andere Erzählweise, eine, die größere Freiräume bietet.
Dafür lassen sich im deutschen Fernsehen viel besser Kriminalgeschichten und Thriller ans Publikum herantragen als im Kino. Sie werden in der Nachkriegsgeschichte, nein, in den letzten 35 Jahren kaum deutsche Krimis finden, die an den Kinokassen wirklich erfolgreich waren.
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Harald Kügler
Sie machen ja sowohl Fernsehen als auch Kino – ich weiß, dass es gemein ist, Leute zu zwingen, einen Favoriten zu wählen, aber … Sie ahnen worauf die Frage hinausläuft …
Mein Herz hängt sehr an der Reihe «Kommissarin Lucas», was daran liegt, dass ich sie mit aufgebaut habe. Da ist eine emotionale Bindung zu den Figuren nicht zu vermeiden. Aber ich nutze gerne die Möglichkeit, im Kino ganz andere Stoffe anzupacken als im Fernsehen. Filme wie «Vincent will Meer», «Napola» oder «Grüße aus Fukushima» verfolgen eine andere Erzählweise, eine, die größere Freiräume bietet.
Dafür lassen sich im deutschen Fernsehen viel besser Kriminalgeschichten und Thriller ans Publikum herantragen als im Kino. Sie werden in der Nachkriegsgeschichte, nein, in den letzten 35 Jahren kaum deutsche Krimis finden, die an den Kinokassen wirklich erfolgreich waren. Götz George sorgte vor 30 Jahren für Ausnahmen, und das war es schon. Ob Krimi, Horror oder Thriller: Deutsche Genregeschichten funktionieren im Kino einfach nicht – zumindest wirtschaftlich gesehen. Was schade ist. Denn es gibt gute Beispiele. «Tschiller: Off Duty» etwa fand ich sehr gut gemacht. Aber das interessierte das Publikum nicht, weil es dachte: "Das kann ich auch im Fernsehen gucken."
Der regelmäßige «Kommissarin Lucas»-Regisseur Ralf Huettner erzählte uns im Interview, dass er gerne für das Format arbeitet, weil es – für eine deutsche Krimireihe – stark regiegesteuert ist. Wie darf ich mir also die Absprache zwischen Sender, Produktion und Regie bezüglich der Richtung vorstellen, die jeder einzelne Film einschlägt?
Da übertreibt Ralf vielleicht etwas. (lacht) Als Reihe gibt es natürlich Rahmenbedingungen, was jeder einzelne Film zu erfüllen hat, schlicht, weil jede Reihe ja einen Wiedererkennungswert, ein zusammenhängendes Element braucht. Innerhalb dieser Bedingungen hat die Regie dann gewisse Freiheiten, doch das liegt ja in der Natur der Sache – wenn ich dasselbe Drehbuch zwei verschiedenen Regisseuren anvertraue, können da unterschiedliche Filme bei rauskommen. Es gibt natürlich Serien, wo es erwünscht ist, dass kaum stilistische Unterschiede zwischen den einzelnen Regisseuren spürbar sind, weil die kunsthandwerkliche Serienkontinuität Vorrang haben soll. Da hat Ralf natürlich Recht – danach streben wir bei «Kommissarin Lucas» nicht.
Wir wünschen uns eine hohe inszenatorische Qualität, geben dem Regisseur dabei aber eine gewisse stilistische Freiheit – wobei uns die ZDF-Redaktion beipflichtet. Dennoch muss das Format grundlegend erkennbar bleiben. Wir sind aber sehr offen dafür, Folgen stärker ins Genre des Dramas neigen zu lassen, statt stets stur die Krimiformel zu bedienen – und da ist die Regie gefordert, wie das umgesetzt wird. Und ich habe das Gefühl, dass das Publikum, das noch samstagabends fernsieht, diese Flexibilität innerhalb der Reihe zu würdigen weiß.
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Wir alle müssen uns Gedanken machen, wie wir das Publikum weiterhin bedienen und wie wir das klassische Fernsehen als Modell dauerhaft attraktiv gestalten können. Wobei die sich neu auftuenden Möglichkeiten genauso wichtig und faszinierend sind – allein schon, dass alle Sender ihre eigenen Mediatheken haben und die stets an Bedeutung gewinnen. Das verfolge ich sehr gespannt, wie sich das noch entwickelt.
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Harald Kügler
Um an den kleinen thematischen Haken anzuschließen: Inwiefern machen Sie sich Gedanken um die Zukunft des linearen Fernsehens? Da Sie ja eben meinten, langsam kürzertreten zu wollen, könnte ich Ihnen eine "Mir egal, was nach meiner Karriere passiert"-Einstellung nicht verübeln … (schmunzelt)
Nein, nein, nein! So würde ich nie denken. Daran hängt eine ganze Industrie, und daher müssen wir uns alle Gedanken machen, wie wir das Publikum weiterhin bedienen und wie wir das klassische Fernsehen als Modell dauerhaft attraktiv gestalten können. Wobei die sich neu auftuenden Möglichkeiten genauso wichtig und faszinierend sind – allein schon, dass alle Sender ihre eigenen Mediatheken haben und die stets an Bedeutung gewinnen. Das verfolge ich sehr gespannt, wie sich das noch entwickelt.
Stichwort Mediathek: Wie viel Bedeutung wiegen die Fernsehsender den Produktionsfirmen gegenüber den Abrufzahlen bei – im Vergleich zur linearen Quote?
Das ist noch sehr stark im Wandel begriffen – da hat sich noch keine Konvention gebildet. Wir bekommen auch nur unregelmäßig Rückmeldung bezüglich dessen, wie häufig unsere Produktionen abgerufen werden.
Die Einschaltquoten sind also weiterhin deutlich wichtiger?
Ja. Die Quote ist noch immer die wichtigste Währung in der Branche.
Vielen Dank für das Gespräch.
«Kommissarin Lucas – Löwenherz» ist aktuell in der ZDF-Mediathek abrufbar.
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