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Bunte Filme, entschleunigte Foyers: Ist dies die Zukunft des Kinos?

Die Farbsättigung von Filmen wird intensiver, die Kinos selber setzen auf eine stärker entspannte Farbpalette: Wie Qualität und Style die Leute aus den eigenen vier Wänden locken sollen.

Wir alle kennen sie … Multiplexe, die so aussehen, als hätten diejenigen, die sie entworfen haben, in einer von Energy Drinks, Alkopops und Zuckerwatte angetriebenen Nacht einen Marathon an 80er- und 90er-US-Komödien über Shopping Malls abgehalten und sich danach gedacht "So sieht mein Kino aus!" Weiße Wände, akzentuiert mit vielen, grellen Farben. Ein Foyer mit hohen Wänden, aggressiver Akustik und Kleingeldgräbern wie Air-Hockey-Tischen, Flippern, Arcade-Kabinen aus den frühen 2000er-Jahren und früheren Epochen, Box-Simulatoren, Dart-Automaten und den bei frisch pubertierten Jungs allseits beliebten Casanova-Testern. Zwischen den ganzen LCD-, LED-, Neon- und Plaktat-Werbeflächen für Technikprodukte und Lebensmittel muss sich die geneigte, filminteressierte Seele anstrengen, um Filmplakate ausfindig zu machen.

Aber der Spieß dreht sich. Schleichend, doch beständig: Kinos, die ruhiger sind, erobern die Großstädte Deutschlands zurück. Kinos, die in gedeckteren Farben daherkommen. Wo der Respekt vor der Filmkunst und eine entspannte, edle Atmosphäre den Ton vorgeben. Sie nennen sich Filmlounges, Lichtspielhäuser, Luxus-Kinoplexe und, und, und … Auch Technologieunternehmen Dolby ist in das Geschäft mit Kinos gegangen, die sich gegen das Rummelplatz-Feeling stemmen. Die Kette Dolby Cinema verfolgt eine Ästhetik, die aus dem Film «Tron: Legacy» entsprungen sein könnte: Sattschwarze Wände, klare Leitlinien, die in angenehmen, dennoch kräftigen Farbtönen leuchten, minimalistisch-futuristische Einrichtung. Die Korridore, die in die Säle hineinführen, sind wiederum mit hochauflösenden Bildschirmwänden gespickt, auf denen atmosphärische Szenerien zu sehen sind, die auf den gleich laufenden Film einstimmen – edel, modern, aber nicht protzend. Im Saal unterdessen führt Dolby in seinen eigenen Kinos mit der Projektionstechnologie Dolby Vision und dem 360°-Soundsystem Dolby Atmos sein neustes Portfolio vor.

Für eine Revolution geht's eher schleichend voran


Das erste Dolby Cinema wurde im Dezember 2014 im niederländischen Eindhoven eröffnet – es folgte kurz darauf eine Spielstätte in Barcelona. In den Folgejahren sorgten Deals mit diversen Kinoketten, darunter mit der österreichischen Marke Cineplexx Cinemas, Reel Cinemas aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und AMC Theatres aus den USA. Mittlerweile sind abseits der zwei weltgrößten Kinomärkte sechs Dolby Cinemas in Betrieb – in China wiederum werden bereits 23 Dolby Cinemas betrieben (mehrere weitere befinden sich in Planung), in den USA nähert man sich in naher Zukunft bereits der Dreistelligkeit.

Ein Deal mit der Gruppe Les Cinémas Gaumont Pathé, der im Mai 2017 geschlossen wurde, soll zudem unseren Nachbarn in den Niederlanden in naher Zukunft drei neue Dolby Cinemas bescheren, in Frankreich befinden sich sogar sieben Stück im Bau – die ersten Spielorte in Frankreich sollen voraussichtlich im Herbst eröffnen. In Österreich ist ebenfalls eine Expansion geplant – Deutschland wiederum setzt zwar vereinzelt auf Dolby Atmos, also die jüngste Sound-Technologie von Dolby Industries, nicht jedoch auf das Gesamtkonzept. Aktuell liegen keine Kooperationspläne zwischen dem Technikgiganten und deutschen Kinobetreibern vor, die Gesamtidee hinter den Dolby Cinemas zu importieren.

Visuelle Konkurrenz


Dolbys Atmos-Tonsystem, das auch Klang von der Decke wirft und somit bei Filmen, die dies voll ausnutzen, das Publikum tatsächlich rundum in die Soundwelt eines Films eintauchen lässt, ist im Kinomarkt aktuell quasi konkurrenzlos. Der ebenfalls angebotene Standard Barco Auro 11.1 ist jedenfalls noch seltener im Betrieb als Dolby Atmos, das in Deutschland über zwei Dutzend Mal anzutreffen ist. Dolby Vision wiederum, Dolbys Herangehensweise an "High Dynamic Range" bekommt aktuell einen Schritt für Schritt expandierenden Mitbewerber zur Seite gestellt: Eclaircolor.

High Dynamic Range ist in der Digitalfotografie bereits Standard und bezeichnet Bilder, bei denen Helligkeitsunterschiede detailgetreu wiedergegeben werden, was ein brillanteres, klareres Bild zur Folge hat sowie zu einem größeren Farbspektrum führt – Schwarz ist also satt, Weiß strahlt mehr als bei herkömmlichen Bildern. Und Flächen, bei denen etwa ein Dunkelblau und ein mittleres Blau aneinandergrenzen, verwaschen nicht weiter. Das Bild soll bei Dolby Vision aber genau so ausgeliefert werden, wie es von den Filmemachern gedacht ist, statt neue Farbdimensionen hinzu zu mogeln, so wie es bei manchen schlecht kalibrierten HDR-Fernsehern der Fall ist. In den Dolby-Kinos wird dies durch eine Doppelprojektion zweier 4K-6P-Projektoren auf einer speziell beschichteten Leinwand erreicht.

Während Dolby Vision noch nicht in Deutschland angekommen ist, gibt es im Cinedom Köln immerhin eine Barco-Laserprojektion, die vergleichbare Ergebnisse erzielt. Der Konzern Ymagis wittert in der schleichenden Einführung von HDR-Projektion via Dolby-Systeme in Deutschland seine Chance und führt derzeit eine weitere Option ein: EclairColor. Dahinter verbirgt sich ein neues Mastering-Verfahren für Kinofilme, das im Zusammenspiel mit einer verbesserten Kinoprojektion (durch angepasste Software, eine höhere Bildrate und Bildauflösung sowie eine massiv verstärkte Lampenleistung) funktioniert.

Das europäische Unternehmen versteht ihr Angebot als Alternative mit hohem Preis-Leistungs-Verhältnis. "Ein wesentlicher Vorteil von EclairColor ist die Tatsache, dass die neu entwickelte Technologie mit digitalen Kinoprojektoren kompatibel ist, die bereits auf dem Markt sind", erklärt Georges Garic, stellvertretender CEO der Ymagis Gruppe beschreibt EclairColor. "Das heißt, Kinobetreiber können die neue Technologie sofort einsetzen – und das zu sehr attraktiven Konditionen." Der Einzug von EclairColor in deutsche Kinos erfolgt sehr zügig: Erst Anfang 2017 in Paris mit einer remasterten «La La Land»-Kopie etabliert, findet sich EclairColor schon jetzt auf mehr als zwei Dutzend Leinwänden – und anders als Dolby Vision biedert sich EclairColor auch an Arthouse-Kinos an. Während zumeist große Blockbuster Dolby-Vision-tauglich gemastert werden, kommt unter anderem der nächste Film von Volker Schlöndorff in EclairColor raus.
30.07.2017 11:26 Uhr Kurz-URL: qmde.de/94764
Sidney Schering

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Tags

La La Land Legacy Tron Tron: Legacy

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Es gibt 9 Kommentare zum Artikel
Quotermain
31.07.2017 10:27 Uhr 7


Besson: Valerian (Budgetgrab) war mal gut mit 5th element, oder Nikita, oder Leon upps das sind ja Sachen mit Geschichten

Wachowski: Jupiter Ascending (Budgetgrab) waren gut mit Matrix, sonst ?

Gore Verbinski: Lone Ranger (Budgetgrab) war gut mit Pirates, Rango und sonst?



Wir reden also von Regisseuren, die irgendwann an einen Punkt in der Karriere kamen, an dem sie zu viel Geld in die Hände gedrückt bekommen haben, um Megamäßig Geld zu machen.

Besson hat doch selber (sinngemäß) gesagt: Wenn wir die 400Mio mit Valerian machen gibts nen zweiten Teil. Das hat er bestimmt vor Leon nicht gedacht, sonst wäre das Ende nen anderes und der Film Kacke.

Nehmen wir doch Andrew Stanton mit in die Diskussion. War gut mit Toy Story, Nemo,WALLE und hat dann mit dieser Reputation Millionen$ bekommen...um John Carter in den Sand zu setzen.




Oh jeh, das klingt aber nach ehrlich ausgelebter Verbitterung,

Wo haben denn die genannten Regisseure etwas neues geschaffen? Die Megamillionenflops waren doch alles nur Comicverfilmungen mit MillionenCGi und fehlgecasteten Hauptdarstellern.

Da kommt dann nun ein "Filmfreund" und nennt das Produzierte "neuartig" und bügelt dann über andere Filmgengres die mit dem Problem nichts zu tun haben.

"Neuartig", das ist das "Interessant" => auf dem Teller. Schmeckt nicht wirklich. Daher muß man es auch wieder haben.



EDIT: Nachtrag zum Thema "fehlgecastet". Komischerweise hat der oben erwähnte Gore Verbinski dieses Jahr einen weiteren Tiefflieger abgelegt, namens "The Cure for Wellness". Ironischerweise ist der Hauptdarsteller: Dane Dehaan, der Hauptdarsteller von Valerian vom oben genannten Besson.
Nr27
31.07.2017 16:32 Uhr 8


Besson wollte "Valerian" schon lange drehen, nur die Technik war noch nicht so weit - deshalb hat er in den 1990ern halt erstmal "Das fünfte Element" gemacht (selbst eine Art Hommage an die "Valerian"-Comics). Hat also im Grundsatz nichts damit zu tun, daß er heute mehr Geld zur Verfügung hat. Und daß er von einer Fortsetzung spricht, hat schlicht und ergreifend damit zu tun, daß die Vorlage nunmal eine Comic-Reihe mit 23 Bänden ist - es also genügend Geschichten zu erzählen gäbe.

Davon einmal abgesehen ist übrigens auch noch keineswegs sicher, daß "Valerian" ein "Budgetgrab" wird, das werden erst die asiatischen Märkte entscheiden - denn das US-Einspielergebnis allein sagt heutzutage gar nicht mehr so viel aus, gerade bei Großproduktionen.




Strangeduck wird vermutlich auf solche Sachen wie "Cloud Atlas" (Wachowskis) oder "A Cure for Wellness" (Verbinski) abgehoben haben, die meilenweit vom Mainstream entfernt sind - und liegt damit auch völlig richtig. Speziell "Cloud Atlas" war gewagt, ambitioniert, auch neuartig - aber zu wenige haben sich rangetraut (ich schon).
Waterboy
31.07.2017 18:26 Uhr 9
Cloud Atlas ist bis heute einer meiner absoluten lieblingsfilme.



Bis heute einer der unterschätztesten Filme überhaupt.



"A Cure for Wellness" ist auch ein sehr interessanter Film, hat aber mehrere schönheitsfehler die sich leider nicht bestreiten lassen. Der Hauptdarsteller zählt aber sicherlich nicht dazu.



Es gab schon immer Filme die gefloppt sind ( und es verdient hätten ein Erfolg zu werden) und umgekehrt kassenhits die den Erfolg bei weitem nicht verdient haben. Ist nun einmal so.



Mir wäre aber schleierhaft das man gute Filme nun anhand von einspielergebnissen der kritikermeinungen fest macht. Jeder von uns hat sicherlich einen lieblingsfilm der nicht gerade von Kritikern in den Himmel gelobt wurde oder gar gefloppt ist. Genauso mag sicherlich auch jeder mindestens einen Film der auch ein voller box Office Erfolg war.



Ist dies nun verwerflich? Muss man sich dafür schämen? Sollen Regisseure dafür jetzt aufhören ihre Ideen umzusetzen?



Wo kommen wie denn da hin?
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