Netflix' neue Comedy-Serie will sich der Lebensrealität augenscheinlich erfolgreicher Enddreißiger/Anfangvierziger annehmen – bleibt dabei aber zu generisch und nichtssagend.
Cast & Crew
Produktion: Stollar Global Solutions und Netflix
Schöpfer und Executive Producer: Nicholas Stoller und Francesca Delbanco
Darsteller: Keegan Michael-Key, Cobie Smulders, Annie Parisse, Nat Faxon, Fred Savage, Jae Suh Park u.v.m. Die Lebensläufe und Verwicklungen dieser alten College-Freunde, die nun im schwierigen Alter ihrer späten Dreißiger/frühen Vierziger angekommen sind, sind alle etwas kompliziert: Ethan Turner (Keegan-Michael Key) ist zwar augenscheinlich glücklich mit Lisa (Cobie Smulders) verheiratet, hat aber eine Affäre mit Samantha (Annie Parisse). Seit zwanzig Jahren. Seine Affäre mit Sam dauert länger als seine Ehe mit Lisa.
Um die Sache weiter zu verkomplizieren, ist natürlich auch Sam verheiratet, und hat noch dazu zwei Kinder mit ihrem Ehemann. Beide sind beruflich so dermaßen erfolgreich, dass sie neben ihrer hübschen Wohnung in New York auch ein opulentes Landhaus draußen in Connecticut haben, wohin Sam ihre Freunde aus College-Zeiten gerne einlädt. Auch Ethan und Lisa: ihn, den Schriftsteller geistvoller Bücher mit schlechten Verkaufszahlen, dem sein Agent Max Adler (Fred Savage) den Floh ins Ohr setzt, statt seiner feingeistigen Werke in Zukunft erotische Fantasyromane für Teenagerinnen zu schreiben; und sie, die in Michigan als Anwältin für Bürgerrechtsgruppen gearbeitet hat, jetzt in New York aber vulgäre und misogyne Hedgefondsmanager vertritt.
Kurz: In «Friends from College» geht es um einen Haufen Freunde, die sich seit Jahrzehnten kennen und im Leben nicht dort stehen, wo sie vor zwanzig Jahren zu ihren College-Zeiten stehen wollten. Sie machen Inventur und sehen sich zu schmerzhaften Veränderungen gezwungen, von denen sie langfristig zu profitieren hoffen.
Gleichzeitig sind die gefestigten Beziehungen dieses Gespanns nicht nur durch die wechselseitigen Lügen und Geheimnisse beeinträchtigt. Bei den gemeinsamen Abendessen, Theater- und Barbesuchen und erst recht den Ausflügen nach Connecticut, wo Sam mit ihrem Mann und ihren Kindern in Verhältnissen lebt, die trotz der wohl guten Einkommen und gehobenen Positionen für die Anderen unerreichbar bleiben, wollen alle vor allen anderen bestehen und scheitern dabei nicht nur an den wechselseitigen Abschätzigkeiten, die unter vier Augen vorgetragen werden, sondern auch in ihrem jeweils eigenen Selbstbild.
Diese ständige Frustration der Figuren überträgt sich auch auf die Zuschauer. Doch das hat mit diesem Format zu tun, das viel zu generisch und diffus geraten ist, und dessen künstlerisch-narrative Ambitionen nicht nur für Netflix-Verhältnisse erstaunlich dürftig ausfallen. Seine stärksten Szenen sind gleichzeitig seine klamaukigsten: Wenn Ethan Turner, sein Agent, ein alternder Playboy und dessen jugendliche Flamme sich im Koksrausch durch die Nacht schreiben, um am nächsten Morgen ihre abstrusen Fantasy-Fiction-Ideen einer exzentrischen Autorin (Idealbesetzung: Kate McKinnon) vorzuführen. Oder wenn bei einer überkandidelten Geburtstagsparty am Schluss das Auto im Pool versenkt wird, um die Katastrophe perfekt zu machen.
Die eigentlich relevanten (und in anderen Produktionen auch komödiantisch ergiebigen) Themen, die «Friends from College» anfallen lässt – Midlife-Crisis, Lebensevaluierung, alte Freundschaften in einer neuen Lebensrealität – erzählt die Serie oberflächlich, fahrig, schier desinteressiert, mit ständigen Ausflüchten in allerhand disjunkt-skurrile Überzeichnungen. Die Geschichten, die man erzählen könnte, geraten ins Hintertreffen, zugunsten oft schaler Gags und oberflächlicher Beobachtungen, die allein gängige Klischees bedienen (misogyne Hedgefondsmanager, abgehobene erfolgreiche Buchautorinnen).
Anders als mit «Master of None» gelingt es Netflix mit «Friends from College» nicht, das Lebensgefühl einer bestimmten Generation und einer bestimmten gesellschaftlichen Subgruppe einzufangen: in diesem Fall den finanziell gut situierten und beruflich erfolgreichen urbanen
Professionals, die ihr frühes Erwachsenenleben hinter sich haben, nun ihre zweite Lebenshälfte beginnen und dabei Bilanz ziehen und bestimmte Justierungen vornehmen. Denn statt einer feinsinngen (und dabei komödiantischen) Erörterung dieser gewichtigen Themen belässt es diese Serie bei Allgemeinplätzen: allerhand Affären, ziemlich offensichtlichen beruflichen Fehleinschätzungen und albernen Fehltritten. Netflix hätte mehr gekonnt. Der sehr starke Cast ebenfalls.
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