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Das Kanzlerduell: Four's a Crowd

Zwei Kanzlerkandidaten, vier Journalisten: eine bescheuerte Konstellation. Der von Angela Merkel abgelehnte Reformvorschlag war jedoch nicht minder unsinnig. Ein Kommentar.

Angela Merkel steht pro Wahlkampf nur für ein Kanzlerduell zur Verfügung. Soweit bekannt. Die Unmöglichkeit, in einem so egomanischen Geschäft wie dem der Massenmedien unter vier Sendeanstalten eine sinnige Einigung herbeizuführen, wer dieses Duell journalistisch fundiert moderieren soll, führt unweigerlich dazu, dass die Anzahl der Moderatoren der der übertragenden großen Sender entspricht: jeweils einer für ARD, ZDF, RTL und (dieses Jahr wieder) Sat.1. Um diese jahrzehntelalte unmögliche Redundanz zumindest etwas abzuschwächen, erging von Senderseite dieses Jahr der Vorschlag, das Duell in zwei Hälften aufzuteilen, die von jeweils unterschiedlichen Moderatoren bestritten werden sollten. Dies erlaube eine bessere Vertiefung, hieß es. Warum zwei Moderatoren gehaltvoller vertiefen können sollen als vier, sei dahingestellt. Eine weitere Begründung der an sich unsinnigen Maßnahme blieb den Sendeanstalten immerhin erspart: Die Bundeskanzlerin lehnte den Vorschlag ab und möchte so debattieren wie die letzten Jahre auch. So weit, so unspektakulär.

Erstaunlich sind vielmehr die Reaktionen, die dieses Non-Event hervorrief: Merkel habe Furcht vor dem TV-Duell, ihre Ablehnung des von den Sendern angedachten Gesprächsmodus, der in blindem Unsinn gleich zu einer revolutionsähnlichen Umwälzung zurechtgeschrieben wurde, sei gar demokratiegefährdend.

Nicht nur in einer solchen Zuspitzung enthält diese Argumentation wenig Sinniges. Wer die Duelle des letzten Jahrzehnts verfolgt hat, weiß: So sonderlich gehaltvoll, dass in ihnen der gesamte öffentliche politische Diskurs kulminieren würde, waren sie nie. Und dieser Eindruck ist nicht auf Deutschland beschränkt. Auch in den amerikanischen, britischen oder französischen Debatten spielt sich in Abwesenheit besonderer Umstände (sprich: Teilnahmen von Donald Trump oder Marine Le Pen) wenig Bahnbrechendes ab.

Natürlich ist noch kein anderer Markt auf die inhaltlich desaströse Idee gekommen, eine Polit-Diskussion zwischen zwei Kandidaten von vier Journalisten moderieren zu lassen. Doch dieser Unsinn ist nicht den Politikern geschuldet. Hier müssten sich die Sender bewegen. Mindestens jeweils ein öffentlich-rechtlicher und ein Privatsender müsste darauf verzichten, einen seiner Moderatoren zum Duell zu schicken. Dass ein solcher Vorschlag vollkommen unrealistisch ist, sagt mehr über das von Befindlichkeiten geprägte Selbstverständnis unserer Sendeanstalten und ihren Willen aus, diesen Befindlichkeiten journalistisch-inhaltliche Gesichtspunkte unterzuordnen, als über das Demokratieverständnis der Bundeskanzlerin.

Ohnehin: Was ist vom letzten Kanzlerduell noch in Erinnerung? Wohl einzig die Teilnahme von Stefan Raab als Moderator. Das Erschreckende daran ist, dass sich “Meedia“ dabei nur noch an seine King-of-Kotelett-Formulierung erinnert und ZDF-Chefredakteur Peter Frey ihn als Spaßmoderator abkanzelte. Dabei waren Raabs Beiträge damals die Gehaltvollsten von allen: Er hatte den Mut, Merkel auf ihre Widersprüche festzunageln, als sie betonen wollte, mit ihr werde es keine Maut geben, die CSU allerdings keinen Koalitionsvertrag ohne diesen Passus unterzeichnen würde. So konsequent und der Sache verpflichtet wie Raab hakte kein anderer nach. Raab war fair, klar in seiner Haltung, klug in seinen Fragen und beharrlich genug, konsequent auf inhaltliche Widersprüche hinzuweisen, bis diese ausgeräumt oder für jeden offensichtlich waren. Das müsste die erste Verpflichtung der Moderatoren sein. Seien es nun zwei oder vier.
07.07.2017 13:16 Uhr Kurz-URL: qmde.de/94281
Julian Miller

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