Ein bisschen Showbiz-Komödie, ein wenig Romanze, eine gute Prise Historiendrama, ein gesundes Maß an nostalgischem Charme: «Ihre beste Stunde» ist zwar nicht unbedingt großes, wohl aber wunderschönes und liebenswertes Kino.
Filmfacts «Ihre beste Stunde»
- Regie: Lone Scherfig
- Produktion: Elizabeth Karlsen, Amanda Posey, Stephen Woolley
- Drehbuch: Gaby Chiappe; nach einem Roman von Lissa Evans
- Darsteller: Gemma Arterton, Sam Claflin, Bill Nighy, Jack Huston, Helen McCrory, Eddie Marsan, Jake Lacy, Rachael Stirling, Richard E. Grant
- Musik: Rachel Portman
- Kamera: Sebastian Blenkov
- Schnitt: Lucia Zucchetti
- Laufzeit: 117 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Wenn Literaturverfilmungen anlaufen, brüsten sich die Verantwortlichen üblicherweise damit, die Rechte an einem Bestseller erworben zu haben und nun eine beliebte Geschichte aus der Welt des Gedruckten auf die große Leinwand zu verfrachten. Nicht so bei «Ihre beste Stunde». Lissa Evans wurde für den Roman «Their Finest Hour And A Half» zwar mit Kritikerachtung bedacht, dennoch blieb die zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs angesiedelte Erzählung eher bleiartig in den Regalen liegen. Als Erfolgsproduzentin Amanda Posey («An Education») und ihr Mitbewerber Stephen Wolley («The Crying Game») unabhängig voneinander über den gelobten Ladenhüter stolperten, beschlossen sie rasch eine freundschaftliche Zusammenarbeit, statt sich im Zank um die Adaptionsrechte die Köpfe einzuschlagen. Eine harmonische Entstehungsgeschichte, mit der sich die Köpfe hinter «Ihre beste Stunde» da brüsten – und eine, die ihrer Protagonistin gewiss gefallen würde …
London, 1940: Viele Männer dienen im Krieg. Notgedrungen rutschen an der Heimatfront Frauen den gesellschaftlichen Konventionen zum Trotz in berufliche Positionen vor, die ihnen zuvor meist verschlossen waren. Zu ihnen zählt die Sekretärin Catrin Cole (Gemma Arterton), die im Informationsministerium eine Stelle als Drehbuchautorin ergattert. Zunächst soll sie bloß Skripts für kurze Informations- und Propagandafilmchen verfassen – natürlich, ohne im Abspann genannt zu werden und für einen geringeren Lohn als ihre wenigen, noch tätigen männlichen Kollegen.
Chefautor Tom Buckley (Sam Claflin) erkennt allerdings, welches Talent und welchen Verve Catrin mit sich bringt – und holt sie mit ins Team für den Langfilm «The Nancy Starling», einen vom Ministerium finanzierten Langfilm. Dieser schnappt sich eine aus den Nachrichten entnommene Füllmeldung und bläht sie mit allerlei künstlerischer Freiheit zu einer inspirierenden, patriotisch-optimistischen Wohlfühlgeschichte mit einer halben Handbreit an Tiefgang auf. Aber zu Kriegszeiten ist eine Filmproduktion noch schwerer über die Bühne zu bringen als sonst …
In rund 120 Minuten Laufzeit formt «Ihre beste Stunde» aus dieser Prämisse einen pickepackevollen Kinofilm: Regisseurin Lone Scherfig («The Riot Club») balanciert, scheinbar weitestgehend mühelos, historischen Ernst mit emotionaler Leichtigkeit. Und so gelingt es ihr, die auf dem Papier rasch den Melodrama-Kitsch-Alarm auslösende Dynamik zwischen Catrin und Tom zum charmant-flockigen Rückgrat dieser britischen Produktion zu erheben: Die mit einem Kriegsmaler zusammenlebende Catrin genießt es sichtlich, sich mit dem sie fördernden und im selben Atemzug immer wieder gängelnden Autoren zu kabbeln.
Die (in bester Screwball-Manier) mit spitzer Feder geschriebenen Wortgefechte zwischen ihnen werden einfach nicht alt, was auch der Chemie zwischen Gemma Arterton und Sam Claflin zu verdanken ist. Die «The Girl with All the Gifts»-Mimin und der «Die Tribute von Panem»-Nebendarsteller tänzeln in ihren Rollen bezirzend auf der Grenze zwischen professionellen Kollegen und verschüchtert (fremd-)flirtenden Quatschköpfen. Und dennoch tritt ihr romantisches Kokettieren miteinander nicht in den Fokus von «Ihre beste Stunde». So ist es zu mindestens gleichgroßen Teilen auch ein Film übers Filmemachen.
Drehbuchautorin Gaby Chiappe lässt im Mittelteil dieser Dramödie ein kleines, feines Feuerwerk an Showzbiz-Humor abbrennen. So dreht das Autorenteam mehrmals aufgrund der widersprüchlichen Forderungen der Finanziers durch. Und es muss andauernd das Finale umschreiben, weil sämtliche Lösungsvorschläge für den zunächst hanebüchenen Schluss irgendwem gegen den Strich gehen. Der Regisseur wiederum muss am Set erkennen, dass der ihm aufgezwungene Stargast zwar einen großen Namen, aber nur wenig Talent mitbringt («Hail, Caesar!» lässt grüßen). Und Altstar Ambrose Hilliard (Bill Nighy) hadert sowohl mit der mangelnden Attraktivität seiner Figur sowie mit der halbseidenen Charakterzeichnung …
Diesen goldigen Witz wiegt Lone Scherfig mit stimmig eingestreuten, emotional glaubwürdigen Momenten der Dramatik auf. Die vorzeigbar ausgestattete Produktion skizziert sowohl die Bedrohlichkeit von Luftangriffen nach als auch die berufliche Ungleichberechtigung zwischen Mann und Frau – sowie die Trostlosigkeit, die im Krieg immer wieder die Heimgebliebenen einholt. Diese ernsten Zwischenpassagen vereint Scherfig clever und nachhaltig mit den vergnüglichen Passagen dieser Erzählung, die sich letztlich als Verneigung vor dem dezent pathetischen, dezent dramatischen, gemeinhin aber vergnüglich-aufmunternden Kino herausstellt. Die Entstehungsgeschichte solcher Filme mag haarsträubend sein und ihr Anspruch deutlich kleiner als ihre Herzlichkeit – aber das heißt nicht, dass sie keine Daseinsberechtigung haben.
In dem Sinne: Catrin würde wohl nicht nur die Entstehungsgeschichte von «Ihre beste Stunde» mögen, sondern auch den fertigen Film. Um es aber frei nach ihrem charmant-strengen Kollegen Tom zu sagen: Etwas kürzer hätte es auch getan.
«Ihre beste Stunde – Drehbuch einer Heldin» ist ab dem 6. Juli 2017 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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