Bei Kritikern und Zuschauern geht die neue Netflix-Serie «GLOW» durch die Decke. Wieder einmal hat der Streamer einen Hit aus dem Nichts geschaffen. Wir sagen, warum der Erfolg mehr als verdient ist.
Cast & Crew «GLOW»
- Idee: Liz Flahive, Carly Mensch
- Darsteller: Alison Brie, Betty Gilpin, Sydelle Noel, Britney Young, Marc Maron u.a.
- Ausf. Produzenten: Liz Flahive, Carly Mensch, Jenji Kohan, Tara Herrmann
- Produktion: Tilted Productions, Perhapsatron, Fan Dancer für Netflix
- Folgen: 10 in S1 (je 25-35 Min.)
Wieder die 80er, wieder im Sommer, wieder aus dem Nichts. Netflix hat erneut zugeschlagen. Auch diesmal serviert uns der Streamer in den heißesten Monaten des Jahres das Serienereignis, das es zu schauen gilt. Im vergangenen Jahr punktete Netflix mit der Retro-Mysteryserie «Stranger Things», deren übermächtigen Erfolg kaum jemand kommen sah. Diesmal ist es ein Format mit einer ganz anderen Prämisse, aber nicht minder unterhaltsam: «GLOW». Das ist eine Abkürzung für die „Gorgeous Ladies of Wrestling“. Und genau um deren – wahre – Geschichte geht es.
Wir befinden uns also in den 1980er Jahren. Der Wrestling-Promoter Sam Sylvia hat die Idee, eine Wrestling-Veranstaltung nur mit weiblichen Kämpfern zu starten. Er schaltet Anzeigen und lädt Frauen zu einem Casting ein, an dessen Ende zwölf Kontrahentinnen stehen, die sich künftig im Ring begegnen. Sie alle fangen bei Null an: Weder wussten sie, was sie im Casting erwartet, noch haben sie je ein Wrestling-Programm gesehen. Sie müssen sich alles selbst beibringen, learning by doing. Im Ring und vor dem Fernseher. Gnadenloser Richter über Gut und Böse ist Sam Sylvia, ein schmieriger Mittfünfziger mit Fünftagebart, der über das Schicksal der Frauen im Affekt entscheidet. Zwei Voraussetzungen für die Teilnahme an der Show nennt er: „Erstens: Kannst du dich bewegen und kannst du grundlegenden Anweisungen folgen? Zweitens: Mag ich dein Gesicht, oder mag ich dein Gesicht nicht?“ Gut aussehen und gut kämpfen, daraus besteht das Erfolgsrezept von «GLOW».
Sylvia personifiziert damit das Maskulin-Objektifizierende, das zur Show gehört. Männer haben Ladies Wrestling in den 80ern selbstverständlich auch geschaut, weil die Frauen gut aussahen. Mit den Klischees wird unverblümt gespielt, spannender ist aber die Reaktion der Frauen. Und die Eigendynamik, die sich in der Gruppe der zwölf Wrestlerinnen langsam entwickelt. In den ersten Folgen begleiten wir die Hauptfigur Ruth Wilder, eine erfolglose Schauspielerin ohne Aufträge, aber mit viel Willen. „GLOW“ ist der letzte Strohhalm, an den sie sich klammert. Sie hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann – und das ist ihr großes Plus in den Augen von Sylvia: Er erkennt in Ruth den Bösewicht, den jeder Zuschauer hassen soll. Ihre Charakterstory im Ring ist geschrieben. Und Ruth befindet sich im Dilemma, als Schauspielerin wollte sie eigentlich begeistern und nicht abschrecken.
«GLOW»: Die Punchlines sitzen
Schnell wird «GLOW» zur Ensemble-Serie, in der auch die Geschichten der anderen Charaktere wichtig werden – ähnlich wie bei Netflix` größtem Dramedy-Hit «Orange is the New Black». Anfänglich noch von Sylvia herumkommandiert, werden sie Dramaturgen ihrer eigenen Show, erfinden eigene Ideen, eigene Storys. Hinter den Kulissen entbrennen Konflikte und entstehen Freundschaften. «GLOW» erzählt Geschichten von Frauen, die persönliche Herausforderungen meistern und Spaß an ihrer Rolle finden.
Natürlich hat das Format damit auch etwas Feministisches, da die Wrestlerinnen irgendwann viel mehr verkörpern als nur gut auszusehen und gut zu kämpfen, wie Sam Sylvia anfangs forderte. Dass die Serie nur als Halbstünder daherkommt, tut ihr richtig gut: Als einstündiges Drama wäre das Thema Frauenwrestling sehr wahrscheinlich zu verkopft und ernst angegangen worden. So aber nehmen sich die Charaktere nicht immer allzu ernst, und die Punchlines der Frauen sitzen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Im Gegensatz zu anderen 80er-Serien hat «GLOW» mit Alison Brie, die Ruth Wilder spielt, einen starken weiblichen Lead. Ihre Verkörperung der mehr oder weniger unbegabten B-Schauspielerin gelingt hervorragend: Eine gute Schauspielerin muss es erst einmal hinbekommen, eine schlechte Schauspielerin zu mimen. Als einziger männlicher Hauptdarsteller passt Marc Maron als Sam Sylvia perfekt. Der in den USA bekannte Comedian hatte bereits eine eigene TV-Serie, ist gern gesehener Gast bei Qualitäts-Dramedys wie «Girls» oder «Louie» und produziert einen erfolgreichen Podcast, in dem er Medienmacher interviewt. Seine
fucked-up attitude bildet ein wunderbar gleichgültiges Gegengewicht zur Power der Frauen. Selbstredend ist, dass Netflix die Atmosphäre der 80er detailgenau einfängt. Ein krachender 80er-Soundtrack – meist mit Synthies – gehört ebenso dazu wie lächerliche Spandex-Outfits in grellen Farben.
«GLOW» avanciert derzeit zur großen Sommer-Serie im Jahr 2017, zu der Serie, über die man spricht. Sie hat es wahrlich verdient.
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