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«S.O.S. Barracuda»: Naddel-Alarm auf Mallorca

Christian Richter erinnert an all die Fernsehmomente, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 333: «S.O.S. Barracuda» - Herr Kaiser und die Heulbojen.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir des Beweises dafür, dass der Untergang der Titanic längst nicht die größte Katastrophe der Schifffahrt gewesen ist.

«S.O.S. Barracuda» wurde am 16. Februar 1997 bei RTL geboren und war eigentlich als große und spektakuläre Action-Serie geplant, erhielt ihre traurige Bekanntheit aber vor allem dafür, dass sie sich zu einem weiteren Kapitel in der damaligen Dauerkonkurrenz zwischen Verona Feldbusch (später Verona Pooth) und Nadja Abd el Farrag (liebevoll Naddel genannt) entwickeln sollte. Doch der Reihe nach - zunächst war an dieses Fern-Duell der Boulevard-Größen nicht zu denken. Vielmehr wollte das Format an US-Serien wie «Baywatch», «Miami Vice» oder «Thunder in Paradise» anknüpfen, da in seinem Zentrum ebenso ein schnelles und hochausgerüstetes Boot stand, mit dessen Hilfe ein engagiertes Team auf die Jagd nach Kriminellen ging. Dieses Boot war es auch, welches der Produktion ihren Titel gab.

Trauma-Bewältigung


Die Geschichte der „Barracuda“ begann im Hafen von Travemünde, wo sie ein neues Team zugeteilt bekam, welches laut offiziellem Pressetext aus dem „introvertierten Sven“, dem „Draufgänger Hendrik“ sowie dem „Backfisch Lisa“ bestand. Dargestellt wurden diese Figuren von Philipp Moog (zahlreiche Rollen in Krimiserien von ARD/ZDF), Wolfgang Krewe («Medicopter 117») und Chrissy Schulz («Und Tschüss»). Sie unterstanden dem Kommando von Kapitän Jan Fehrmann, der vor 15 Jahren nach einem tragischen Vorfall, bei dem ein kleiner Junge sein Leben verlor, seinen Dienst eigentlich quittiert hatte. Für das tiefsitzende Trauma akzeptierte die zuständige Polizeistelle jetzt aber offenbar keine weiteren Atteste mehr, sodass der geschundene Seemann widerwillig ans Steuer zurückkehren musste. Die Verkörperung dieses komplexen Charakters und damit die Hauptrolle vertraute man dem Schauspieler Nick Wilder an, der zuvor als fremdgehender Vater Stefan in der biederen Familien-Soap «So ist das Leben! Die Wagenfelds» in Erscheinung trat. Zudem hatte er kurz vor seiner Versetzung auf die Polizei-Fregatte die legendäre Rolle als „Herr Kaiser“ in den Werbespots der Hamburg-Mannheimer-Versicherung übernommen. Er kam beruflich also eher aus seichten Gewässern und steuerte nun mit der „Barracuda“ in doppeltem Sinne auf turbulente Stromschnellen zu.

Schon sein erster Einsatz führte ihn und sein Team nämlich auf die Spuren eines illegalen Organhandels, der im Laderaum eines alten Frachters verbotene Operationen durchführte. Zum Glück befand sich unter den Opfern wieder ein kleiner Junge, der zwar zuerst Fehrmanns posttraumatische Belastungsstörung erneut auslöste, dann aber in letzter Sekunde gerettet werden und auf diese Weise die lästige Angststörung ein für alle Mal auflösen konnte.

Dabei war die Story, die erst einmal als einzelner Spielfilm umgesetzt war, von Beginn an so angelegt, dass sich daraus bei genügendem Publikumszuspruch ohne Schwierigkeiten eine Serie ableiten ließ. Obgleich die Kritiken vernichtend waren – etwa urteilte die TV Spielfilm „ein ganz laues Lüftchen, das wie ein Orkan tut“ – ist dies tatsächlich gelungen. Am Sonntagabend erzielte der 90minütige Wasser-Krimi eine Reichweite von 5,52 Millionen Menschen und einen durchschnittlichen Marktanteil von 21,8 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe. Angesichts solch ordentlicher Zahlen zeigten sich die Programmverantwortlichen gnädig und schickten das Team der „Barracuda“ noch einmal an der Ostsee-Küste auf Verbrecherjagd. Allerdings reichte das Vertrauen anscheinend nicht für eine komplette Serienbestellung aus, denn der neue Auftrag sah lediglich die Herstellung eines weiteren Fernsehfilms vor. Dieser versuchte dann, fast genau zwei Jahre später mit mehr Action und mehr Stars seinen Vorgänger zu übertrumpfen und endlich die erhoffte Umwandlung in eine Serie zu erzwingen.

Verona in Not


Dafür wurde der deutsche Kinostar Heinz Hoenig als Schurke Picard verpflichtet, der seine Figur dank fieser Miene, Glatze und verschiedenfarbigen Kontaktlinsen mit jedem Klischee eines Bond-Bösewichts ausstattete. Im zweiten Auftritt der Barracuda, der obendrein den dramatischen Untertitel „Der Tod spielt Roulette“ erhielt, kidnappte jener Picard, um an einen Tresor mit Wertpapieren zu gelangen, ein komplettes Casino-Schiff. Dumm nur, dass sich unter den Geiseln ausgerechnet der Barracuda-Draufgänger Hendrik und dessen Freundin Mona befanden. Diese Ungeheuerlichkeit blieb glücklicherweise Kapitän Fehrmann an Land nicht verborgen, sodass er die Nobel-Yacht nahezu im Alleingang und in bester «Stirb Langsam»-Manier zurückerobern und alle Ganoven überführen konnte.

Jedoch machten weder die übertriebene Handlung noch die überzeichneten Figuren den Film bemerkenswert. Es war vielmehr die Entscheidung, die Rolle der Freundin Mona an Verona Feldbusch zu vergeben. Zwar verfügte diese zu jener Zeit dank ihrer Kurz-Ehe mit Dieter Bohlen und der daraus resultierenden Moderation der Erotikshow «Peep!» sowie dank zahlreicher Werbeaufträge eine ungeheure öffentliche Aufmerksamkeit, aber über keinerlei schauspielerische Erfahrung. Diese sollte sie schließlich erst bei ihrem Tränenausbruch im Jahr 2001 in der Talkkulisse von Johannes B. Kerner eindrucksvoll unter Beweis stellen. Entsprechend ernüchternd klangen die vorab veröffentlichten Kritiken. Darin wurde ihre Leistung beispielsweise als „laienhafte Ballerei“ beschrieben oder mit dem Prädikat „Alarmstufe: Rot“ versehen. Die Neugier des Publikums hatte darunter wohl nicht gelitten, sodass die Sehbeteiligung der Fortsetzung mit 6,27 Millionen Menschen und einem Marktanteil von 27,9 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe die jeweiligen Zahlen der Premiere sogar übertrafen. Klar, dass nach einer solchen Entwicklung eine Fortführung bald beschlossen war...

Auf der Suche im Paradies


Die neuen Abenteuer brachten einige Änderungen mit sich und führte das Polizeiboot von der piefigen Ostsee fortan zu exotischeren Drehorten auf der Ferieninsel Mallorca. Dafür hatten die Autoren kurzerhand eine deutsch-spanische Kooperation erfunden, die für den Schutz der dortigen deutschen Touristen sorgen wollte. So hieß es Abschied nehmen von der Lübecker Bucht, aber auch von der alten Crew, weil lediglich Nick Wilder und dessen Figur Jan Fehrmann ein Flugticket ans Mittelmeer erhielten. Dennoch ermittelte er auf den Balearen nicht allein, sondern bekam mit dem „sportlichen Sunnyboy Marc Hinrichs“ und der „burschikosen Tina Schönborn“ ein „junges und auch schlagkräftiges Team“ zur Seite gestellt (abermals Formulierung des Pressetextes) - gespielt von den ehemaligen Soap-Sternchen Oliver Bootz («Unter Uns») und Sandra Keller («Gute Zeiten, Schlechte Zeiten»).

Natürlich war für Verona ebenfalls eine feste Rolle im Ensemble vorgesehen, war doch der Quotenanstieg vermutlich auf ihren Auftritt zurückzuführen. Die sagte allerdings ein Mitwirken offiziell aus „Terminschwierigkeiten“ ab, was die Verantwortlichen vor das Problem stellte, wie diese Lücke geschlossen werden konnte. Letzten Endes kamen sie auf die einzig folgerichtige Lösung und verpflichteten Nadja Abd el Farrag als neue Gallionsfigur für den Cop-Kutter. Schließlich wirkte es zu jener Zeit quasi ihre Lebensaufgabe gewesen zu sein, die abgelegten Aufgaben von Verona zu beerben. Dies begann mit ihrer erneuten Beziehung zu Dieter Bohlen, zu dem sie unter viel öffentlichem Spott und Hohn zurückgekehrt war, nachdem er seine Ehe mit Verona Feldbusch nach nur vier Wochen aufgelöst hatte. Der anschließend von der Presse aufgebauschte Konkurrenzkampf zwischen den Frauen fand seinen ersten Höhepunkt darin, dass Naddel die Nachfolge von Verona bei «Peep!» übernahm, die dort ebenso kurz zuvor ausgestiegen war, weil ihr der Inhalt der Show plötzlich zu schmuddelig vorkam.

Die Naddel im Sau-Haufen


Naddel sprang also auch an Bord des Schnellboots für Verona ein, was für die Boulevard-Medien ein gefundenes Fressen war, das sie mit spürbarem Genuss ausbreiteten. Dass Naddel konsequent in die Fußstapfen von Verona stieg, lag wohl nicht zuletzt daran, dass Bohlen das Management und die strategische Planung der Karriere seiner damals aktuellen Lebensgefährtin übernommen hatte, wie er stolz dem FOCUS verriet: „Niemand soll sie über den Tisch ziehen. Alle Verträge landen bei mir auf dem Schreibtisch. Ich setze mich dann mit meinen Anwälten hin, und wir passen Punkt für Punkt an. Herr Scharper von der Filmfirma Phoenix sagte zu mir, als er den Endvertrag für die TV-Sendung «S.O.S. Barracuda» in Händen hielt: ‚So einen Vertrag hätte nicht mal Marlon Brando bekommen.‘“ Das Engagement wäre laut Bohlen ohnehin lediglich ein Zwischenschritt zum großen Ziel gewesen, sie als echte Schauspielerin in Kinofilmen zu etablieren. „Ich kenne ja Til Schweiger und Heiner Lauterbach gut. Wenn die mal einen typisch deutschen Kinofilm machen würden, könnte ich mir gut vorstellen, dass Nadja dabei ist.“

So fand sich Abd el Farrag in der mallorquinischen Sonne an der Seite von Herr Kaiser im Kampf gegen Juwelendiebe, Drogenbosse, Mädchenhändler und Bombenleger wieder. Hierbei beschränkte sich ihr Beitrag allerdings nicht auf die Darstellung des Crewmitglieds Eva Stein, denn zusätzlich steuerte sie den neuen Titelsong „I Wanna Be Strong“ zum Projekt hinzu. Ein Lied natürlich aus dem Rhythmuscomputer von Dieter Bohlen. Auf die Idee wäre man angeblich gekommen, als sie in den Drehpausen vor sich hingesungen hätte.

Sie selbst zeigte sich unmittelbar nach den Dreharbeiten mit ihrer schauspielerischen Leistung zufrieden und stellte in einem Interview selbstsicher fest: „Mein lieber Mann, das hast du aber gut hingekriegt.“ Das schienen Ausstehende anders gesehen zu haben, da aus Produktionskreisen bald Beschwerden über ihr fehlendes Können kursierten. In der Hamburger Morgenpost klagte beispielsweise ein vermeintlicher Insider: „Manchmal war es ein ungewöhnlicher Anblick, wie sie hinter einem Verbrecher herstöckelte oder den Colt aus ihrem Täschchen nestelte.“ Derweil zitierte die BILD-Zeitung den Flurfunk von RTL sogar mit den Worten, sie habe "Null Ausstrahlung, null schauspielerisches Talent", weswegen die fertiggestellten Folgen (vorerst) unausgestrahlt ins Archiv wandern würden.

In der Tat dauerte es einige Zeit, bis das Ergebnis auf dem Schirm landete. Obwohl die Aufnahmen bereits im Sommer 2000 stattfanden, waren sie erst im März 2001 zu sehen – und, von den ursprünglich vier spielfilmlange Folgen schafften es bloß zwei Teile in den Programmablauf. Selbst dafür – so hieß es - hätte man am Schneidetisch wahre Wunder vollbringen müssen, um überhaupt ein sendefähiges Ergebnis zu erhalten. Zu Bestaunen war das Resultat letztlich am 20. und 27 März 2001 trotz allem zur Prime Time. Wieder zeigte sich die Presse vorab wenig begeistert. Die ZEIT wertete die fertige Fassung als Kreuzung zwischen „«Baywatch» und «Der Alte»“ ab, die TV Spielfilm bescheinigte ihr „plumpe Effekte und eine hanebüchene Story“ und die TV Today fand „Jedes Testbild ist spannender.“ Und wieder schaltete das Publikum (wohl vor allem wegen des zu erwartenden Ausfalls von Naddel) massenweise ein. Reichweiten von 5,54 und 5,26 Millionen Menschen ließen den mittlerweile im Trash-Gewässer angekommenen Kahn entgegen aller Voraussagen weiter auf einer Welle des Erfolgs schwimmen und als unsinkbar erscheinen.

Bohlen-freie Zone


Für den daraus resultierenden Auftrag für zwei weitere Filme verzichtete das Team trotzdem auf die Teilnahme einer Ex-Geliebten von Dieter Bohlen – wohl um das Format nicht gänzlich in Lächerlichkeit zu ertränken. Der Kanal blieb diplomatisch und begründete Naddels Ausstieg damit, dass der Vertrag ohnehin bloß für die vier abgedrehten Folgen vorgesehen gewesen sei. Als Ausgleich erhielt Kapitän Fehrmann seine nunmehr dritte Crew – diesmal in der Person von Stefanie Japp und Stephan Luca. Parallel zeigte sich Abd el Farrag endlich einsichtig und gab in einem Interview mit dem Mallorca Magazin zu: „Das Barracuda-Ding war zu fett.“

Dessen ungeachtet entschied sich die Sendeleitung von RTL, auch die beiden ausstehenden Folgen mit ihr im Februar und März 2002 aus dem Giftschrank zu holen und kombinierte diese mit den beiden frischen Naddel-freien Episoden, sodass noch einmal eine kleine vierteilige Staffel gezeigt werden konnte. Nach all dem Hin- und Her sowie den ständigen Umbesetzungen hatten die Zuschauenden jetzt endgültig die Lust an der Bullen-Barkasse verloren. Im Vergleich zum Vorjahr halbierten sich mit Werten zwischen 3,14 Millionen und 2,69 Millionen Menschen die Reichweiten auf einen Schlag. Am Ende waren es somit weder Verona noch Naddel, die das Polizeischiff zum Kentern brachten... denn es fuhr erst ohne sie endgültig in die ewigen Werft-Gründe ein.

«S.O.S. Barracuda» wurde am 17. April 2002 beerdigt und erreichte ein Alter von sieben Folgen. Die Serie hinterließ den Werbestar Nick Wilder, der nach zahlreichen kleineren Rollen im Jahr 2010 als Schiffsarzt Dr. Wolf Sander auf dem «Traumschiff» fest anheuerte. Für Nadja Ab del Farag hingegen erwies sich der Polizeikutter nicht als das erhoffte Sprungbrett. Nach dem Ende von «Peep!» schlossen sich kaum nennenswerte und längerfristige Aufträge an. Stattdessen folgten zahlreiche Auftritte in Reality-Sendungen wie «Ich bin ein Star, holt mich hier raus!», «Promi Boxen» oder «Raus aus den Schulden». Sie ließ außerdem in «Banzai» ihre Brust vor laufenden Kameras wiegen und zog im Jahr 2005 in den «Big Brother»-Container ein. Ein weiterer Schritt, den Verona bereits im Jahr 2000 unter viel Blitzlichtgewitter gegangen war.

Am Ende verbleibt der Eindruck, dass Ab del Farag einerseits aus Durst nach Anerkennung und schierer Geldnot mittlerweile bereit ist, nahezu jede Aufgabe zu übernehmen, aber andererseits nur dann interessant ist, wenn sie daran scheitert. Sogar ihr früherer Schutzpatron Dieter Bohlen trat kurz nach ihrer endgültigen Trennung nach: „Sie hat früher Playboy gemacht durch mich, sie hat «Peep!» bekommen durch mich, hat «S.O.S. Barracuda» für RTL gemacht durch mich. Die hätte doch nie jemand genommen, wenn sie nicht mit mir zusammen gewesen wäre.“ Am Ende dieses Kapitels der deutschen Fernsehgeschichte bleibt sie die wirklich tragische Figur, für die es zwischen Ostsee und Mittelmeer nie einen richtigen Hafen gab.

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint voraussichtlich am Donnerstag, den 13. Juli 2017 und widmet sích dann 5 mäßig witzige Shows, aus denen trotzdem große Comedy-Stars hervorgingen.
29.06.2017 11:05 Uhr Kurz-URL: qmde.de/93985
Christian Richter

super
schade


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