Mit einer Mixtur aus altbekannten Show-Elementen mischte RTL an diesem Samstag die Primetime auf - und das sogar live. Über mangelnde Action auf der Bühne konnte man nun wirklich nicht klagen. Mitunter war das etwas zu viel des Guten, zumal man sich den einen oder anderen Ausflug unter die Gürtellinie nicht verkneifen wollte.
Unser Interview mit Chris Tall
Lesen Sie
hier unser Gespräch mit Chris Tall nach, in dem er unter anderem auf «Wollen wir wetten» eingeht.
Die Sommerzeit ist für RTL am Samstagabend in den vergangenen Jahren meist eine Zeit der Entbehrungen gewesen, unterlässt man es doch bislang, die ohnehin schon unter massiver Omnipräsenz leidenden Bohlen-Castings auch hier noch über den Äther zu schicken. Dass man mit guter Unterhaltung trotzdem tolle Quoten erzielen kann, zeigte im Vorjahr «Ninja Warrior Germany» mit hintenraus bis zu 23 Prozent Zielgruppen-Marktanteil. Einen solchen Erfolg von
«Wollen wir wetten?! Bülent gegen Chris» zu erwarten, das am Abend erstmals zu sehen war, wäre wohl vermessen - und doch hegt der Privatsender mit seinem Neustart sicherlich Ambitionen, die weit über mittlerweile leider gewohnte "naja, irgendwas müssen wir halt ausstrahlen"-Ranking-Rerun-Haltungen hinausgehen. Live war die Ausstrahlung, spektakulär die Aufmachung, hoch die Investitionen und sehr lang die Sendezeit. Herausgekommen ist dabei letztlich leider kein wirklich herausragendes, aber immerhin sehenswertes Stück deutscher Show-Geschichte.
Und darum ging es in dem fast dreieinhalbstündigen Spektakel: Chris Tall und Bülent Ceylan treten in ein (zumeist indirekt ausgetragenes) Duell der Wettkönige. In fünf verschiedenen Kategorien treten "ihre" Kandidaten gegeneinander an, wobei nach jeder Runde der Zuschauer per Voting darüber befinden kann, welche Performance ergreifender war. Der Gewinner bekommt 2.000 Euro und der jeweilige Wettpate einen Punkt für das große Finale. Vier weitere Finalpunkte erstreiten Ceylan und Tall durch kleinere direkte Duelle, die aber aus weniger spektakulären Spielchen wie Klopapier stapeln oder Federn wiegen bestehen. Im Finale schließlich kämpfen die Comedians um 25.000 Euro Gewinn für ihr gesamtes Team.
Altbekannte Elemente stark verknüpft
Und krass ist an der Show wirklich so Einiges. Konzeptionell etwa, bei wie vielen Erfolgsformaten man sich relativ offensichtlich bedient hat: Selbstredend können zahlreiche Parallelen zu «Wetten, dass..?» gezogen werden, sogar eine Baggerwette hat man in die Show schmuggeln können. Die kleineren Spielchen zwischen Chris und Bülent erinnern stark an «Schlag den Raab», wenngleich man fairerweise dazu sagen muss, dass fast alle Action-Spielshows der jüngeren Vergangenheit Assoziationen an den letzten großen Meilenstein deutscher Show-Geschichte wecken. Und schon durch die Grundidee, zwei prominente Spaßvögel in großen Duellen gegeneinander antreten zu lassen, darf natürlich auch die Erwähnung des «Duells um die Welt» nicht fehlen. Das lief übrigens sogar im direkten Gegenprogramm, allerdings mal wieder nur mit einer Wiederholung. Mit ganz voll besten Duellen ever und so, aber letztlich halt doch nur mit aufgewärmtem, altbekanntem Material.
Und allem Ideenklau zum Trotz ist Constantin Entertainment zu lassen, dass sie es zu einer wirklich dynamischen und spannenden Show zusammengesetzt haben. Die meisten Wetten sind visuell ansprechend bis herausragend in Szene gesetzt, auch wenn leider wie bei allen Formaten dieser Couleur auch hier wieder nicht so recht klar wird, warum jetzt welcher der beiden Comedians Pate für welche Wette ist und die Zuordnung somit ein wenig beliebig erscheint. Die Zwischenspielchen wären zwar nicht zwingend nötig gewesen, fungieren aber als eine Art Beschäftigungstherapie für die sonst weitgehend untätigen Promi-Duellanten und machen Spaß.
Dank dieser hohen Schlagzahl an Programmpunkten schafft es die Show ziemlich gut, trotz ihrer üppigen Laufzeit in keinen wirklichen Leerlauf zu geraten, da sofort der nächste Zweikampf ansteht. Auch die Publikumsabstimmungen gehen ohne viel unnütze Wartezeit vonstatten und werden bisweilen sinnvollerweise mit einer Werbeunterbrechung verknüpft. So vergehen die ersten rund drei Stunden wie im Fluge, bis schon das Finalspiel ansteht. Erst hier verkalkulieren sich die Macher ein wenig bei ihrem Bestreben, den ganz großen Bombast nicht wie zuvor in einigen Einspielern anzubieten, sondern live auf dem Studio-Gelände durchzuführen: Von einem Studiogelände aus sollen Ceylan und Tall springen und dabei eine Farbkugel auf eine überdimensioniert große Darts-Scheibe werfen. Sieht super aus, doch zwischen den wenigen Sprüngen sind hier so einige Minuten zu überstehen, in denen man bis auf die vor Panik bleichen Gesichter der Protagonisten nicht allzu viel zu sehen bekommt. Hätte man besser machen können, aber ist okay.
Große Hektik und der temporäre Absturz in die TV-Kanalisation
Bei all dem Tempo ist kaum zu verhindern, dass das Gesehene mitunter etwas hektisch daherkommt. Daran sicherlich auch nicht ganz unbeteiligt ist Chris Tall, der in diversen Anflügen von verbaler Inkontinenz am laufenden Band Sprüche reißt, die mal treffsicher sind, oft genug aber auch hätten ungeäußerte Gedanken bleiben können. Damit muss der Interessent letztlich leben: Neben dem hohen Spieltempo schaut und hört man auch mindestens einem dauerhibbelig vor sich hinquasselnden Hauptbeteiligten zu - irgendwie putzig und auch wahrlich nicht durchweg unlustig, aber doch ein etwas reichhaltiger bestücktes Nervenkostüm erfordernd. Da auch Ceylan und die alles in allem gut aufgelegte Moderatorin Sonja Zietlow nun nicht gerade als Stoiker fungieren, ist «Wollen wir wetten?!» am besten mit gelegentlichen Ruhepausen in Form leichter Yoga-Übungen zu empfehlen. Hin und wieder mal zum XXL-«Paarduell» oder zum ZDF-Krimi zu schalten, erscheint da therapeutisch ratsam.
Unter all den schönen, beeindruckenden Wetten hat aber leider auch ein echtes Ärgernis den Weg auf die Mattscheibe gefunden, mit dem sich die Sendung zeitweise wieder auf das RTL-Klischee-Niveau begibt: Ein Mann rotzt Marshmallows in Richtung seiner Spielpartnerin, die ihn mit dem Mund aufzufangen hat. Hier noch näher ins Detail zu gehen, hielten innerhalb der Show alle Beteiligten zurecht für unnötig - bis auf Zietlow, die hinsichtlich des Geschmackserlebnisses doch nochmal journalistisch nachhaken wollte. Die Quittung für diesen Ausrutscher in die Fernsehkanalisation erfolgte sofort: Mit gerade einmal 26 Prozent der Telefonvotings wurde das Gerotze so deutlich abgestraft wie keine andere Wette an diesem Abend.
Wie hat euch der Auftakt von «Wollen wir wetten?!» gefallen?
Fazit: Kein Wunderwerk, aber gerne wieder
Dass RTL mit «Wollen wir wetten?!» einen großen Sensationshit landen wird, ist letztlich unwahrscheinlich: Zu viele Versatzstücke kommen dem Zuschauer nur allzu bekannt vor, zu wenig echte Innovation ist dem Sender hier geglückt, zu wenige dringliche Einschaltbefehle konnte man an den Zuschauer richten. Da man aber großen Aufwand in die Samstagabend-Premiere gesteckt und ein mitreißendes Show-Erlebnis auf die Bildschirme gezaubert hat, das sogar das Wagnis Liveshow einging, muss man doch hoffen, dass den Verantwortlichen hier eine völlige Bruchlandung erspart bleibt. Alleine schon, damit Sonja Zietlow auch außerhalb des Dschungelcamps hin und wieder mal an die frische Luft kommt, statt nur austauschbare Rankings mit bedeutungsschwangerer Miene bei gleichzeitiger innerer Gleichgültigkeit im muffigen Studio anzusagen.
Ob es dabei dann immer fast bis Mitternacht gehen muss, ist im Falle weiterer Folgen dann noch eine andere Frage. Man hätte diesen Abend sicherlich auch ohne den Marshmallow-Rotzer oder gleich zwei Akrobatinnen überstehen können, die wahlweise Luftballons zum Platzen bringen oder Bierflaschen öffnen.
RTL zeigt in jedem Fall noch eine weitere Live-Show am kommenden Samstag, natürlich ebenfalls zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr.
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