Quotenmeter.de präsentiert sechs sehenswerte Filme, die durch ihren Umgang mit Sex auffallen. Seien sie erotisch, mutig, skandalös oder dadurch beeindruckend, dass sie durch Sex eine starke Geschichte erzählen. Zum Auftakt: «Y Tu Mamá También – Lust for Life».
Die Handlung
Filmfacts «Y Tu Mamá También»
Regie: Alfonso Cuarón
Produktion: Alfonso Cuarón, Jorge Vergara
Drehbuch: Carlos Cuarón, Alfonso Cuarón
Darsteller: Maribel Verdú, Gael García Bernal, Diego Luna, Diana Bracho, Andrés Almeida, Ana López, María Aura
Musik: Natalie Imbruglia, Frank Zappa, Miho Hatori
Kamera: Emmanuel Lubezki
Schnitt: Alex Rodríguez, Alfonso Cuarón
Veröffentlichungsjahr: 2001
Laufzeit: 106 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Die Jugendlichen Tenoch und Julio sind trotz ihres unterschiedlichen gesellschaftlichen Stands (der eine ist ein Arbeitersohn, der andere Sohn eines Regierungsbeamten) gut befreundet. Den Sommer 1999 verbringen sie zwangsweise ohne ihre Freundinnen – die brechen nämlich zu einer Mädelsreise nach Italien auf. Auf einer Hochzeitsfeier lernen sie die 28-Jährige Luisa kennen, die mit Tenochs Cousin unglücklich verheiratet ist.
Als die Jungs ihr gegenüber von ihren (nicht ernst gemeinten) Plänen erzählen, diesen letzten Sommer vor dem Beginn ihres Studiums mit einem Roadtrip quer durchs Land zu verbringen, steigt Luisa unerwartet in diese Planung mit ein. Kurzerhand beschließen Tenoch und Julio, zu ihrem Wort zu stehen und gemeinsam mit Luisa zum Strand an der Küste Oaxacas zu fahren. Diese Reise offenbart nicht nur die schönen Seiten sowie die Slums ihres Heimatlandes – es wird auch eine Reise der erotischen Erkenntnisse …
Der Umgang mit Sex
In vielen Mainstreamfilmen sind Sexszenen oft erzählerisch überflüssig: Zwei Figuren, zwischen denen es vorher knisterte, küssen und umschlingen sich, sie sind vielleicht noch in Unterwäsche zu sehen. Abblende. Der Morgen danach … Welche der beiden Figuren was genau macht und wie sie sich körperlich annähern, ist nicht näher durchdacht, und somit hätte es narrativ eigentlich auch völlig ausgereicht, einfach den Morgen danach zu zeigen, um die inhaltliche Information zu vermitteln, dass beide Figuren eine sexuelle Begegnung hatten.
Regisseur Alfonso Cuarón kreiert in «Y Tu Mamá También» nicht bloß Sexszenen, die wesentlich kreativer, abwechslungsreicher und freizügiger sind als die besagten, eher an Unterwäschewerbespots erinnernden Durchschnittssexszenen. Sie sind auch inhaltlich unverzichtbar, da sie dazu dienen, die Figuren zu charakterisieren, womit die Sexszenen obendrein den Handlungsbogen vorantreiben. Julio und Tenoch werden als ungestüme, viel über Sex nachdenkende und darüber redende Jugendliche skizziert, deren große sexuelle Lust jedoch konträr zu ihrem Können steht: Beide hatten zwar bereits mit mehreren Frauen Sex, jedoch sind sie insofern noch unerfahren, als dass sie sich weiterhin in einer sexuellen Findungsphase befinden – wenn sie mit ihren Freundinnen schlafen, ist dies eher hastig und "funktional", ein eiliger Fick um des Ficks willen. Ihre Freundinnen haben damit jedoch kein Problem, sie sind ähnlich ahnungslos – im Gegensatz zu Luisa, die auf dem Trip eine eingangs unerfüllende Affäre mit den stets im Wettkampf befindlichen Freunden anfängt. Erst ein Dreier lässt Julio und Tenoch auftauen, so dass sie im Bett zugleich sinnlicher als auch mutiger und intensiver werden, wodurch sich auch ihr Umgang miteinander nachhaltig verändert.
Die 6 glorreichen Aspekte von «Y Tu Mamá También – Lust for Life»
Als Coming-of-Age-Film, der Sexualität nicht bloß nebensächlich oder als reine Grundlage für Humor behandelt, sondern explizit sowie ehrlich damit umgeht, ist «Y Tu Mamá También» ein Musterbeispiel für ein unverfälschtes, authentisches Jugenddrama. Cuarón nimmt ein Thema, das vielen Jugendlichen sehr wichtig ist, und stellt es nicht nur ungekünstelt mit allen schönen sowie unvorteilhaften Details dar, sondern untersucht auch beiläufig, welchen Einfluss sexuelle Erfahrungen auf sich noch formende Persönlichkeiten haben.
Das Gelingen dieser Erzählung fußt auf dem preiswürdigen Zusammen- und Gegeneinanderspiel von Diego Luna und Gael García Bernal, die mit natürlicher Ausstrahlung die komplizierte Chemie zwischen Jugendlichen verkörpern, die sich mögen und dennoch einfach nicht in Frieden lassen können. Das stete Wetteifern (oder: Schwänze-Messen, um ein zum Film passendes Sprachbild zu wählen), generiert sich sichtbar aus einer explosiven Mischung aus gegenseitigem Neid, Wut auf das, was der jeweils Andere verkörpert, sowie aus einer unterdrückten Innigkeit. Sie wären sanfter im Umgang miteinander, hätten sie nicht das Gefühl, dem Gegenüber nicht dauernd zeigen zu müssen, wie hart, taff und toll sie doch sind. Maribel Verdú begeistert neben und zwischen diesen Jungs mit einer zärtlichen, dennoch auch gewitzten Darbietung einer jungen Erwachsenen, die aufgrund ihres leichten Altersvorsprungs weise ist, aber noch immer eine glaubhafte, jugendliche Spontaneität hat.
Eine zusätzliche Dimension erreicht «Y Tu Mamá También» durch sein zeitliches und lokales Setting: Cuarón skizziert diese Dreiecksgeschichte nämlich vor dem Hintergrund eines Mexikos, das sich genauso wie seine beiden männlichen Hauptfiguren in einer Zeit des Umbruchs befindet und selber finden muss. Im Handlungsjahr 1999 befand sich die 71 Jahre lange politische Führung der Partido Revolucionario Institucional in ihren letzten Zügen, die Opposition durch Vicente Fox und seiner Partido Acción Nacional war spürbar im Aufschwung. Gleichzeitig ist erkennbar, das solch eine gesellschaftliche Lücke im Land klafft wie zwischen den beiden Freunden Julio und Tenoch – Kameramann Emmanuel Lubezki, der später unter anderem durch «Gravity» und «The Revenant – Der Rückkehrer» berühmt werden sollte, führt seine Handkamera frei durch den Raum und macht aus ihr quasi eine weitere Figur des Films. Sie blickt neugierig auf die handelnden Figuren, lässt gelegentlich aber auch den Blick schweifen und fängt so den von wirtschaftlicher Ungleichheit geprägten Zeitgeist Mexikos ein.
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